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Nachbarn helfen einander (Symbolbild).
© C. Klose/dpa

#NachbarschaftsChallenge beim Coronavirus: Wie sich Berliner Nachbarn gegenseitig helfen

In Zeiten von Corona stoßen Ämter und Hilfsorganisationen an ihre Grenzen. In Berlin organisieren sich Nachbarn zur gegenseitigen Hilfe.

Der Verein „Künstlerkolonie Berlin“ aus Wilmersdorf organisiert Kulturveranstaltungen, fördert Baumpatenschaften und betreibt ein Theater. Weil jetzt viele Veranstaltungen wegen der Coronavirus-Gefahr abgesagt werden, überlegte Vereinssprecher Christian Sekula, was vielleicht in diesen Zeiten wichtig werden könnte. Und kam auf die Idee, eine Nachbarschaftshilfe zu organisieren.

„Die Hälfte der Kolonie besteht aus alten Menschen, die allein leben, 75 oder 80 Jahre alt. Die machen sich große Sorgen, gehen kaum noch aus dem Haus. Im Fall einer Quarantäne wollen wir die Versorgung der Menschen sicherstellen, dazu suchen wir Helfer“, sagt Sekula.

Man könne dann sofort und schnell reagieren. Die Aktion soll auch jetzt schon helfen, der „latenten Unsicherheit“ unter den älteren Bewohnern zu begegnen. Der Verein will das Signal aussenden: Ihr braucht keine Angst zu haben, wir kümmern uns.

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Noch kommen viele Menschen allein zurecht, aber in einer Woche könnte es in Berlin so aussehen wie in Mailand: Viele soziale und kulturelle Einrichtungen geschlossen, das öffentliche Leben auf ein Minimum reduziert. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass auch in Berlin die Behörden und große Hilfsorganisationen an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ist damit beschäftigt, ihr Personal an hauptberuflichen und ehrenamtlichen Kräften sicher durch die Krise zu manövrieren. Für zusätzliche Aufgaben ist da wenig Platz.

Verdachtsfälle bei Freiwilligendienstlern

Kirstin Weis koordiniert bei der AWO die „Freiwilligendienste“, dazu gehören Abiturienten, die ein freiwilliges soziales Jahr machen. Sie arbeiten in Krankenhäusern oder Kitas. Unter den 420 Freiwilligen in Berlin gebe es schon „mehrere Verdachtsfälle“, einige Helfer müssten zur Sicherheit zu Hause bleiben.

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Die „Sternenfischer“ aus Köpenick, die Ehrenamtliche vermitteln, haben bislang noch keine Hilfsanfrage wegen der Virusgefahr bekommen, Nachbarschaftshilfe müsse direkt vor Ort organisiert werden, da seien große Vermittlungsdienste eher zu langsam, meint Stefanie Wind von der Sternenfischer-Träger-Stiftung Union Hilfswerk.

Die Stunde der Kiez-Initiativen und sozialen Netzwerke

„Nachbarschaftshilfe jetzt“, fordert die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Unser Berlin ist eins, das zusammenhält. In der Krise zeigt sich, wie solidarisch eine Gemeinschaft ist“, erklären die Fraktionsvorsitzenden Antje Kapek und Silke Gebel. Das ist auch als Appell gemeint, nicht auf die vermeintlich perfekt organisierten staatlichen und privaten Hilfsorganisationen zu warten. Es ist die Stunde der Kiez-Initiativen und sozialen Netzwerke.

Auf Facebook haben sich viele Ortsteil-Nachbarn zu Gruppen zusammengeschlossen, dort werden Hilfsangebote gepostet. Bei Twitter wird unter dem Hashtag #NachbarschaftsChallenge Hilfe angeboten. Teilen, tauschen, helfen, verschenken, verabreden: So wirbt die Plattform nebenan.de für die Nutzung ihrer Dienste.

Und seit der Coronakrise verzeichnet nebenan.de einen „deutlich angestiegenen Traffic“, sagte Sprecherin Hannah Kappes. Nebenan.de hat inzwischen auch einen eigenen Aufruf ins Netz gestellt, Risikogruppen, also kranke oder ältere Nachbarn zu unterstützen.

Vernetzung per Postleitzahl

Auch Nebenan-Gründer Christian Vollmann hat ein eigenes Hilfsangebot ins Netz gestellt. Wer sich auf der Plattform registriert und seine Postleitzahl eingibt, sieht virtuell „Nachbarn“, die Einkäufe übernehmen wollen oder auch anderweitig ihre Hilfe anbieten.

Die Mitglieder können direkt einen Kommentar schreiben, der dann öffentlich für andere sichtbar ist. Oder sie können sich Direktnachrichten schreiben, die nicht für andere zu lesen sind.

Eine analoge Form zur Vermittlung von Diensten im Kiez hat sich der Verband für sozial-kulturelle Arbeit (VskA) ausgedacht, in dem rund 50 Nachbarschaftstreffs und Stadtteilzentren zusammengeschlossen sind. Mit einem Flyer, den man online ausfüllt und ausdruckt, kann jeder in seiner Nachbarschaft seine Hilfe anbieten. „Wir haben gerade einen Grafiker beauftragt“, sagt Geschäftsführerin Barbara Rehbehn. Der Flyer – zum Aufhängen im Hausflur oder Einwerfen in den Briefkasten – soll vor allem die „Hemmschwelle senken“, die eigenen Nachbarn anzusprechen. Der Flyer soll demnächst auf der Internetseite des Verbands (vska.de) erscheinen.

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