100-Tage-Programm: Wie Rot-Rot-Grün Berlin verändern will
100 Tage, viele Ideen: Bis zum 19. April will der Senat viele Pläne schon umgesetzt haben. Ein Überblick.
Der neue Senat legte am Dienstag ein Programm für die ersten hundert Tage vor. Bis zum 19. April, diesen Tag kann sich jeder Berliner notieren, sollen alle Versprechungen umgesetzt werden. „Ich freue mich, dass wir uns auf dieses Programm so einvernehmlich einigen konnten“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach der Sitzung des rot-rot-grünen Kabinetts.
INNERE SICHERHEIT
Neben dem Sicherheits- und Präventionspaket, das schon auf der Senatsklausur am Montag geschnürt wurde, wird eine Kombi-Wache auf dem Alexanderplatz angekündigt, die gemeinsam mit der Bundespolizei und dem bezirklichen Ordnungsamt betrieben werden soll. Bisher hatte der Bund eine Beteiligung daran abgelehnt.
Jetzt will Innensenator Andreas Geisel einen neuen Anlauf nehmen, ein Gesprächstermin ist vereinbart. Zugesagt wird auch eine enge Kooperation zwischen Polizei und BVG, eine schnelle Verbesserung der Situation in den Bürgerämtern, ein Lenkungsrat zur Umsetzung des E-Government-Gesetzes und eine langfristige Finanzierungsvereinbarung mit dem Landessportbund.
FINANZEN
Die Zweitwohnungsteuer soll von 5 auf 15 Prozent der Nettokaltmiete angehoben werden. Das soll Bürger motivieren, nicht mit einer Nebenwohnung, sondern mit Hauptwohnsitz in Berlin angemeldet zu sein und soll so (über den Länderfinanzausgleich) richtig Geld in die Landeskasse bringen. Außerdem werden „strategische Ankäufe“ von Grundstücken angekündigt. Vorbereitet wird eine „Projektstruktur“, die den Bau neuer Radwege, die Unterbringung von Flüchtlingen, Schulbau und -sanierung sowie die Bürgerämter steuert. Das können bestehende beziehungsweise neue Ämter, Organisationen oder Landesunternehmen sein. Wichtigste Vorhaben des Jahres sind ein Haushalt für 2018/2019 sowie ein Nachtragsetat für dieses Jahr, um eigene Akzente zu setzen.
WOHNEN
Die Mieterhöhungen von 13 Cent pro Quadratmeter im sozialen Wohnungsbau werden zum 1. April ausgesetzt. Diese Maßnahme ist laut Bürgermeister Klaus Lederer (Linke) zunächst auf ein Jahr befristet. Bei Bauprojekten der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften soll die Bürgerbeteiligung ausgebaut werden. Berlin will im Bundesrat einen besseren Kündigungsschutz erwirken. Die Koalition will den Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 beginnen.
VERKEHR, UMWELT, KLIMASCHUTZ
Die Koalition will ein Bündnis zum Radverkehr mit der Initiative Volksbegehren Rad bilden. Als erster Baustein eines Mobilitätsgesetzes soll ein Radverkehrsgesetz auf den Weg gebracht werden. Unfallträchtige Kreuzungen sollen schrittweise sicherer gemacht werden. Auch die Fahrzeugflotte des Landes wird laut Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sukzessive auf Hybrid- oder Elektroautos umgerüstet.
WISSENSCHAFT UND FORSCHUNG
Erste Priorität haben die Verhandlungen mit den Berliner Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen über neue Hochschulverträge. Die Gespräche haben bereits kurz vor Weihnachten 2016 begonnen und sollen möglichst vor der Sommerpause dieses Jahres abgeschlossen sein. Um die Digitalisierung Berlins voranzubringen, bewirbt sich der Senat beim Bundesministerium für Bildung und Forschung um die Förderung eines deutschen Internet Instituts. Außerdem werden das Einstein-Zentrum „Digitale Zukunft“ und das Fraunhofer Leistungszentrum für Digitale Vernetzung eröffnet. Geplant ist zudem ein Gesetzentwurf „zur Verbesserung der Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses“. Und an der Humboldt-Universität soll ein Institut für Islamische Theologie gegründet werden.
BILDUNG, JUGEND, FAMILIE
Im Bildungsbereich will die Koalition 200 Millionen Euro für Schulbau und -sanierung „möglichst schnell“, so der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), ausgeben. Das Nachwuchsleistungszentrum beim 1. FC Union soll an den Start gehen. Das Kita-Förderungsgesetz soll angepasst werden, damit ein Rechtsanspruch auf sieben Stunden Betreuung für Null- bis Dreijährige besteht.
INTEGRATION, ARBEIT, SOZIALES
1600 Flüchtlinge sollen möglichst bis zum März aus den 16 noch genutzten Turnhallen ausziehen und an anderen Standorten untergebracht werden. Die in der Koalitionsvereinbarung verankerte Erhöhung der Plätze in der Kältehilfe auf 1000 soll laut Lederer „zügig“ umgesetzt werden. Die Verbundausbildung wird intensiviert und ein stärkerer Ausbildungsanteil von migrantischen Unternehmen angestrebt.
GESUNDHEIT, PFLEGE, GLEICHSTELLUNG
Das Land Berlin will eine Bundesratsinitiative zur Einführung der Bürgerversicherung starten. Berliner Krankenhäuser sollen sukzessive mit Wlan ausgerüstet werden. Nach Inkrafttreten des Pflegestärkungsgesetzes will die Gesundheitsverwaltung niedrigschwellige Informationsbroschüren für Angehörige und Pflegebedürftige auflegen.
WIRTSCHAFT, ENERGIE, BETRIEBE
Das Stadtwerk soll zu einem „Akteur der Energiewende“ werden. Es soll künftig wie berichtet Energiedienstleistungen für öffentliche Einrichtungen anbieten sowie mit zugekauftem Ökostrom selbst handeln können. Eine Finanzspritze von 100 Millionen Euro will die Koalition im Nachtragshaushalt zügig freisetzen.
Wie berichtet soll das Sozialticket für Busse und Bahnen statt 36 nur noch 25 Euro kosten. Die Koalition will sich das Tarifsystem noch einmal anschauen und prüfen, ob der Kreis der Berechtigten auch auf Wohngeldempfänger ausgeweitet werden kann. Wirtschaftssenatorin Pop hatte dies bereits angekündigt. Das geplante Service Konto Berlin soll verknüpft werden mit dem Online-Dienst für Gewerbebetriebe bei Meldungen oder Anmeldungen. Das Land Berlin will sich an der Beteiligungsgesellschaft des Campus Berlin Buch beteiligen. Im Gespräch ist ein 25-Prozent-Anteil.
JUSTIZ, VERBRAUCHERSCHUTZ
Eine Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt soll eingerichtet werden. Ebenso soll ein Vertrauensanwalt für das Land als Anlaufstelle für anonyme Tippgeber bei Korruptionsverdacht seine Arbeit beginnen. Das Amt des Tierschutzbeauftragten in Berlin soll künftig hauptamtlich besetzt werden. Im Justizbereich sollen auch Teilzeitkräfte im Rahmen ihres Referendariats eingesetzt werden. Berlin will sich auf Bundesebene dafür einsetzen.
KULTUR
Die Tarifsteigerungen für Beschäftigte im Kulturbereich sollen laut Kultursenator im Rahmen des Nachtragshaushalts eingeplant werden. Außerdem soll die Kulturprojekte GmbH als Beitrag zum Reformationsjahr mit dem Projekt „Das Paradies ist überall“ ein stadtweites Dialogprojekt an 73 Orten installieren.
SENATSKANZLEI
Um die „Smart City Berlin“ voranzubringen, soll ein sogenanntes City Lab eröffnet werden. Der bisherigen Steuerungskreis Industriepolitik wird zu einem „Innovationsboard“ weiterentwickelt, außerdem will die Senatskanzlei die Ansiedlung der Europäischen Medizinagentur in Berlin steuern. Die Städtepartnerschaft mit Moskau, die zeitweise auf Eis lag, soll wiederbelebt und vertieft werden. Zu diesem Zweck reist Müller im März nach Moskau.