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Noch rollt die Bahn. Doch das Ansteckungsrisiko im öffentlichen Nahverkehr ist hoch.
© Fernando Gutierrez-Juarez/dpa

„Corona-Express“ in Berlin: Wie lässt sich verhindern, dass der Nahverkehr zur Virenschleuder wird?

Die Berliner U-Bahn hat einen neuen Spitznamen: Corona-Express. Fahrgäste beschweren sich über volle Züge. Das liegt am Takt – und dem Verhalten der Passagiere.

Berlinerinnen und Berliner sollen Abstand voneinander halten. Doch in der U-Bahn fällt das nicht so leicht. Zahlreiche Leser schickten dem Tagesspiegel Fotos, die Gedränge in den Zügen zeigen. Ein Leser gab der Bahn gleich einen neuen Spitznamen: "Corona-Express". Auch in sozialen Netzwerken kursieren solche Bilder. Jens Wieseke, Sprecher des Fahrgastverbands Igeb, twitterte ein Bild aus der U8, auf dem Fahrgäste dicht an dicht nebeneinander saßen.

Seit Montag vergangener Woche fährt die U-Bahn nur noch alle 10 Minuten – ein Proteststurm brach danach los, weil viele keine Möglichkeit sahen, genug Abstand zu wahren, auch wenn das Passagieraufkommen abgenommen hatte. Die BVG reagierte: Seit Mittwoch vergangener Woche setzt sie wieder mehr Züge ein.

Nach Angaben von BVG-Sprecherin Petra Nelken gab es Dienstag früh zwischen 6 und 9 Uhr 200 zusätzliche Züge. Auf den Linien U2, U5, U6, U7, U8 und U9 konnte dadurch der Takt auf alle 5 bis 7 Minuten verdichtet werden. Auch nachmittags zwischen 14.30 und 19 Uhr gibt es mehr Fahrten als ursprünglich vorgesehen.

Aus Sicht der BVG reicht das. Die Zahl der Fahrgäste ist mittlerweile um 70 Prozent zurückgegangen. Am Montag transportierte die BVG geschätzt 800.000 Menschen. Bilder vom Gedränge gibt es trotzdem immer wieder - und Igeb-Sprecher Wieseke twitterte auch Fotos von Anzeigetafeln, die auf einen 10-Minuten-Takt auf der U8 am Montagmorgen schließen lassen, wo die U-Bahn eigentlich in kürzeren Abständen kommen sollte.

Fahrgäste sollen sich bitte besser verteilen

Wie voll ist es wirklich? Am Dienstag postierte die BVG auf einigen größeren Stationen Mitarbeiter, um die Lage zu beobachten. Erstes Ergebnis: Es gibt genügend Platz in den Zügen – wenn die Fahrgäste sich besser verteilen würden. Viele steigen aus Gewohnheit in den ersten oder letzten Wagen, hieß es, und setzen sich dann nebeneinander auf die Bank. Türbereiche und Stehplätze seien dagegen leer.

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Busse und Bahnen sind ist von dem geltenden Kontaktverbot ausgeschlossen, damit vor allem Menschen in systemrelevanten Berufen mobil bleiben. Die BVG betont, dass man den gewünschten Abstand von 1,5 Metern nicht gewährleisten müsse, „uns kann deshalb keiner verklagen“, heißt es. Jeder Fahrgast könne und müsse selbst entscheiden, ob er noch mit der Bahn fahren wolle.

Der Krankenstand bei Berlins Verkehrsunternehmen ist in den vergangenen beiden Wochen deutlich gestiegen. Derzeit haben sich 20 bis 25 Prozent der 15.000 Beschäftigten abgemeldet. Das ist doppelt so viel wie in normalen Zeiten und noch fünf Prozent mehr als bei starken Grippewellen der Vergangenheit. Die Einschränkung des Angebots soll vor allem das eigene Personal schonen.

BVG kann keine Masken anordnen

Viele Fahrgäste sind deshalb mittlerweile mit einer Maske unterwegs. Allerdings kann die BVG Leuten ohne Mundschutz nicht einfach den Zutritt verwehren. „Wir sind kein Privatunternehmen wie ein Supermarkt“, sagte eine Sprecherin. Nur der Senat könne mit seinem Krisenstab eine Maskenpflicht anordnen – so hat es Jena in Thüringen am Dienstag als erste deutsche Stadt für Supermärkte und den Nahverkehr angekündigt.

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Der Sprecher des für Katastrophenschutz zuständigen Innensenators Andreas Geisel (SPD) verwies auf  Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Von dort  war bis zum frühen Abend  keine Stellungnahme zu erhalten. Auch eine Bitte, Masken zu tragen, will die BVG nicht aussprechen, dies sei ebenfalls Sache der Politik.

Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat am Dienstag an alle Verkehrsunternehmen appelliert, den Fahrplan nicht zu stark auszudünnen. „Volle Busse und Bahnen sind in der Coronakrise ein großes Sicherheitsrisiko“, teilte VCD-Sprecher Philipp Kosok mit: „Lieber auch mal warme Luft durch die Gegend fahren, bevor sich Menschen in volle Fahrzeuge drängen müssen.“

Zentrale Informationen zur Coronakrise in Berlin:

Nach Einschätzung des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sind derzeit „volle Busse und Bahnen eher Einzelfälle“. Vor elf Jahren hatte der VDV einen Leitfaden veröffentlicht, „Influenza – Pandemieplanung in Verkehrsunternehmen“.  Eine Maskenpflicht siegt der Leitfaden nicht vor.

Die BVG teilte am Dienstag erneut mit, dass die Fahrzeuge innen zwar gereinigt, aber nicht desinfiziert werden.

Leser klagen über Bettler in Zügen

Fahrgäste beschwerten sich beim Tagesspiegel nicht nur über das Gedränge: „Ich bin ein wenig verzweifelt. Gestern fuhr ich fünf Stationen mit der Ringbahn, und die Bettler gaben sich die Klinke in die Hand, um die Waggons auf und ab zu gehen und dabei laut und deutlich, nur wenige Zentimeter von den Fahrgästen entfernt, ihre Wünsche zu äußern“, schrieb ein Leser.

Und eine Leserin: „Es ist lächerlich, dass ich mich im Park nicht sonnen kann, aber dicht gedrängt U-Bahn fahren muss, weil die BVG seltener fährt!“ Ein weiterer Leser monierte: „Es ist ein krasser Widerspruch, dass jeder in Berlin genau weiß, wie voll der Nahverkehr ist, und trotzdem dieses Problem nicht behoben wird.“

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