Sicherheit in Berliner Bahnhöfen: Wie die Bundespolizei am Südkreuz neue Videotechnik testet
Das Pilotprojekt zur automatischen Gesichtserkennung zieht Dutzende Freiwillige an. Rot-Rot-Grün hat sich klar gegen mehr Kameras ausgesprochen - und warnt vor der "totalen Überwachung".
Marko R. hat’s gemacht. Er ist jetzt einer der gesuchten bis zu 275 Tester für die automatische Gesichtserkennung, die am 1. August im Bahnhof Südkreuz starten soll. Und das Interesse ist groß: Bereits am Montag, dem ersten Tag der Anmeldung, habe es 90 Registrierungen gegeben, sagte der Sprecher der Bundespolizei in Berlin, Thorsten Peters, am Dienstag am Informationsstand im Bahnhof. Und auch gestern seien weitere Anmeldungen dazugekommen, wie die von Marko R.
Der Stand in der Westhalle auf der Schöneberger Seite des Bahnhofs ist bis Freitag von 6 Uhr bis 10 Uhr und von 15 Uhr bis 19 Uhr aufgebaut. Und auch wenn kein Bundespolizist dort steht, greifen Vorübergehende immer wieder zu den auf zwei Tischen liegenden Flyern mit Informationen zum Test oder lesen die Hinweise auf dem großen Plakat.
Als Bundespolizei-Sprecher Peters kurz vor 15 Uhr zum Stand kommt, wartet R. schon gut zehn Minuten. Sofort nimmt ihn Peters mit auf die Dienststelle im Bahnhof. Neben dem Aufnehmen der Personalien und der Einwilligungserklärung zur freiwilligen Teilnahme fertigt die Bundespolizei ein Lichtbild an. Diese Aufnahmen werden in einer Datenbank hinterlegt, deren Software es möglich macht, diese Bilder mit den Aufnahmen der Kameras im Bahnhof zu vergleichen.
Dies wäre mit allen der rund 80 Kameras im Bahnhof möglich, sagte Peters. In die Datenbank wandern jetzt aber nur die Aufnahmen aus gekennzeichneten Bereichen: Erfasst werden drei Eingangstüren am Hildegard-Knef-Platz sowie ein Bereich an der in die Westhalle nach unten führenden Rolltreppe. Wer nicht aufgenommen werden will, könne diese Bereiche umgehen, sagt die Bundespolizei.
Zusätzlich müssen die Tester, die bei häufigem Erscheinen einen Einkaufsgutschein im Wert von 25 Euro erhalten und drei weitere Preise gewinnen können, einen kleinen Transponder tragen, der beweist, dass sie tatsächlich im Bahnhof waren. Damit solle die Zuverlässigkeit beim automatischen Auswerten der Bilder geprüft werden, sagte Peters.
Mit der neuen Technik will man gesuchte Personen erkennen. In einem zweiten Schritt soll die Software auch Auffälligkeiten auswerten – längere Zeit herumstehendes Gepäck etwa oder mehrfach hin- und hergehende Personen, was auf suchende Taschendiebe schließen lässt.
R., selbst ein Bundesbeamter, befürwortet die neue Technik. Außerdem sehe er es fast als Pflicht an, am Test mitzumachen. Wenn eine Fahndung dadurch erfolgreich werde, sei dies doch gut. Der Versuch läuft ein halbes Jahr. Die Daten werden nach einem Jahr gelöscht. Auch kritische Fragen habe es am Stand gegeben, sagte Peters. Das sei doch normal.
Linken-Sprecher: "Die Gewalttaten steigen trotzdem"
Rot-Rot-Grün hat sich klar gegen einen Ausbau der Videoüberwachung ausgesprochen. „Ich würde andere Schwerpunkte setzen. Mehr Polizeipräsenz und akribischere Fahndungsarbeit“, sagt Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. „Wenn man das Modellprojekt zu Ende denkt, landet man bei der totalen Überwachung.“ Auch Hakan Tas, bei den Linken für Polizei zuständig, findet mehr Videoüberwachung generell falsch. Polizeibeamte könnten Gewalttaten verhindern, Kameras nicht. „Die Gewaltzahlen steigen trotzdem.“
Genau das Gegenteil behauptet Burkard Dregger, Innenexperte der CDU. Seit Einführung der Videoüberwachung bei der BVG seien Vandalismusschäden um 70 Prozent und Gewalttaten um 30 Prozent zurückgegangen. Zudem sei die Aufklärungsquote gestiegen. Die Gesichtserkennung sei „Stand der Technik“ und „außerordentlich effektiv.“ Weil die Kameras nur aktiviert würden, wenn Gesuchte erkannt oder merkwürdige Bewegungsabläufe festgestellt werden, sei das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weniger eingeschränkt als bei herkömmlicher Technik.
Karsten Woldeit von der Berliner AfD ist da skeptischer. Er befürworte den Modellversuch, allerdings müsse er kritisch mit Blick auf die Datenschutzgesetze ausgewertet werden. Christopher Lauer von der SPD hält den Testlauf für eine „große Katastrophe“. Die neue Technik sei „genauso nutzlos wie die herkömmliche, nur um ein Vielfaches missbrauchsanfälliger“.
Der Berlin-Monitor zeigt Ihre Meinung zu den großen Themen der Hauptstadt. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.