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Hinterhalt. Der Täter muss sich nun vor Gericht verantworten.
© dpa
Update

Befangenheitsantrag gegen Schöffin: Prozess gegen Neuköllner U-Bahn-Treter unterbrochen

Im Prozess um einen Angriff im U-Bahnhof Hermannstraße gibt es zu Beginn Aufregung: Ist eine Schöffin befangen? Hintergrund sind Leserbriefe, die sie an den Tagesspiegel geschrieben hatte.

Kameras sind auf den Mann hinter Panzerglas gerichtet. Svetoslav S. wirkt ruhig. Er wird mit einem großen Medienandrang gerechnet haben. Die Attacke gegen eine wildfremde Passantin auf einer Treppe im U-Bahnhof Hermannstraße, um die es nun vor dem Landgericht geht, hat bundesweit für Entsetzen gesorgt – und das Gefühl bestärkt, dass es jeden treffen kann. Interesse und Erwartungen an den Prozess sind hoch. Doch der erste Tag kommt nicht über die erste Hürde: Nach einem Befangenheitsantrag gegen eine Schöffin wurde die Verhandlung auf Dienstag vertagt.

Svetoslav S., ein 28 Jahre alter Mann aus Bulgarien, scheint unberührt von dem Trubel. Er nickt Bekannten zu, die unter den vielen Zuschauern sind – der Mann im schwarzen T-Shirt lächelt dabei. Seit Mitte Dezember befindet sich S. in Untersuchungshaft. Es waren – wie bereits in anderen Fällen von Gewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln – Bilder aus Überwachungskameras, die zur richtigen Spur geführt hatten.

Angriff aus dem Nichts

Ein Angriff wie aus dem Nichts. Es ist kurz nach Mitternacht, als am 27. Oktober 2016 mehrere junge Männer die Mittelebene des Bahnhofs in Neukölln betreten. Einige von ihnen haben Flaschen dabei, die Stimmung ist locker. Eine junge Passantin, die nichts mit der Gruppe zu tun hat, geht die ersten Stufen zum Bahnsteig hinab. Plötzlich schlägt die alltägliche Szene in Gewalt um. Einer der Männer – Bierflasche in der einen Hand, Zigarette in der anderen – dreht sich um, folgt der ihm fremden Frau, tritt mit Wucht zu. Sie stürzt kopfüber auf den Bahnsteig.

Während der Täter noch einmal an der Zigarette zieht, genüsslich den Rauch auspustet und geht, kümmern sich andere Fahrgäste um die damals 26-jährige Frau. Im Prozess ist sie Nebenklägerin. Zum Auftakt ist sie nicht gekommen, am Dienstag aber soll sie befragt werden.

Befangenheit der Schöffin

Zwei Verteidiger hat Svetoslav S., ein dreifacher Vater aus der bulgarischen Hafenstadt Warna, an seiner Seite. Drei Berufsrichter und zwei Schöffen sitzen auf der Richterbank. Doch die Anwälte lehnen eine Schöffin ab, wegen Besorgnis der Befangenheit. Sie hat sich in Leserbriefen an den Tagesspiegel unter anderem abfällig über kriminelle Jugendliche mit Migrationshintergrund geäußert – von ihnen gehe eine Bedrohung aus. Das Gericht schlägt vor, später über diesen Antrag zu entscheiden und erst die Personalien des Angeklagten aufzunehmen und die Anklage zu verlesen. Die Verteidiger lehnen das ab.

Die damals 26 Jahre alte Frau hatte einen Armbruch und eine Kopfplatzwunde erlitten. Auf den Fahndungserfolg musste sie bis Dezember warten. Sechs Wochen nach der Attacke veröffentlichte zunächst eine Zeitung die schockierenden Bilder. Kurz darauf leitete die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung mit dem Video ein – genehmigt durch einen richterlichen Beschluss. Die Identität des Tatverdächtigen wurde nach Hinweisen ermittelt. Svetoslav S. aber war zunächst untergetaucht.

Der 28-Jährige wurde festgenommen, als er am 17. Dezember am Zentralen Omnibusbahnhof mit einem Bus aus Südfrankreich ankam. Der Mann – den Angaben zufolge ein dreifacher Vater mit Vorstrafen wegen Diebstahls und Fahrens ohne Führerschein in Bulgarien – soll den Tritt bei der Polizei gestanden haben.

Allerdings ist abzuwarten, was sich aus dem Gutachten eines Psychiaters zur Frage der Schuldfähigkeit ergibt. Der Hauptvorwurf gegen S. lautet auf gefährliche Körperverletzung. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Außerdem werden ihm exhibitionistische Handlungen vorgeworfen. In zwei Fällen soll er sich vor Frauen entblößt haben.

Ob der Prozess ungehindert fortgesetzt werden kann, ist offen. Sollte das Gericht dem Antrag stattgeben, müsste das Verfahren zunächst ausgesetzt werden. Eine Fortsetzung gäbe es dann erst in einigen Wochen.

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