Neubau am Kreuzberger Blücherplatz: Wie die Bibliothek zum Kieztreffpunkt wird
Der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek am Blücherplatz soll viel mehr werden als eine traditionelle Bücherei: ein echter Treffpunkt für den Kiez und die ganze Stadtgesellschaft.
Den Neubau für die Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) am Blücherplatz einfach nur „Bibliothek“ zu nennen, würde wohl in die Irre führen – jedenfalls gemessen an den Erwartungen der Kreuzberger und der Politiker, die sich zum Abschluss des breit angelegten „Dialogverfahrens für die städtebauliche Machbarkeitsstudie“ versammelt hatten.
Am anschaulichsten fasste Kreuzbergs Kulturstadträtin Clara Herrmann (Grüne) in Worte, was diese „Bibliothek“ alles bieten soll: „Die 15-Jährige wird dort zocken, der Rentner eine Bohrmaschine ausleihen, nachmittags gibt es Leserunden und abends Kulturbetrieb.“
Nicht nur im Gebäude, sondern auch auf den Freiflächen davor solle „ein Ort des Lebens, des Dialogs und des Diskurses“ entstehen. Und ja, natürlich werden die Berliner dort auch „lesen und lernen“ können. Dass Bibliotheksneubauten heute nicht nur Leihstellen für auserlesene Schriften seien, sagte auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) und verwies auf Beispiele in anderen Ländern.
Im mutmaßlich um die 500 Millionen Euro teuren Gebäude sollen die beiden bisherigen Standorte der ZLB zusammengefasst werden: der am Blücherplatz bereits vorhandene Altbau „Amerika-Gedenkbibliothek“ sowie die Berliner Stadtbibliothek an der Breiten Straße in Mitte.
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Aber der Betrieb auf der geplanten nutzbaren Fläche von 38.000 Quadratmetern soll außerdem Menschen aus ganz Berlin anlocken und die ganze Breite von Bildungsangeboten, Veranstaltungen und Medien liefern – also einen neuen Treffpunkt im Kiez schaffen mit Ausstrahlungskraft weit über denselben hinaus.
Grundsteinlegung soll 2026 sein
Angepeilt hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) die Grundsteinlegung für das Jahr 2026. Weil der Architekturwettbewerb schon in dieser Legislaturperiode starten soll, Geld im Haushalt für die weiteren Planungsschritte eingestellt ist, sei das Projekt „unumkehrbar“. Geplant werden soll etwa, wie die Fläche im Haus für welche Zwecke genutzt und aufgeteilt wird.
Ähnliches hatte ihr Vorgänger im Amt Michael Müller (SPD) zwar auch bei der Vorstellung von Plänen für einen ZLB-Neubau am Rande des Tempelhofer Feldes angenommen, bis die Volksinitiative gegen Neubauten auf dem Feld ihn stoppte. Ähnliches drohe hier aber nicht, sagte Bezirksbaustadtrat Florian Schmidt (Grüne): „Die Menschen wünschen sich ein solches Gebäude hier.“ Das hätten jahrelange Bürgerbefragungen und Beteiligungsverfahren ergeben, etwa zur Umgestaltung des gegenüberliegenden Mehringplatzes, das er vor seiner Zeit im Amt mit initiiert hatte.
Erstaunlich ist es nicht, Blücherplatz und Mehringplatz am Ende der südlichen Friedrichstadt gegenüber sind eher unwirtliche Orte. Dazu trägt auch der tosende Verkehr am Tempelhofer Ufer bei, der dazu noch die beiden Quartier voneinander abschneidet. Eine Art Kulturinsel mit Grünflächen und einem wohnlichen Platz wäre ein Gewinn für die Menschen.
Blücherstraße soll Fußgängerzone werden
Dazu scheut der Senat nicht vor einer einschneidenden Maßnahme zurück: Zu den Überraschungen zum Ende des Verfahrens zählt wohl, dass die Blücherstraße nun komplett für den Autoverkehr gesperrt werden soll. Angedacht ist auch, eine Straßenbahn bis an den geplanten Neubau heranzuführen.
Wo sie genau entlangfahren soll, ist noch unklar. Die Verkehrsverwaltung erwäge eine Linie vom Potsdamer Platz aus bis ans Waterloo-Ufer zu führen und von dort über die Zossener Straße bis zur Blücherstraße, heißt es. Eine weitere Trasse könnte vom Norden über die Blücherstraße zum Mehringdamm führen. Konkret sind die Planungen aber noch nicht.
Was das alles kosten wird, darauf will sich zu diesem frühen Zeitpunkt noch niemand festlegen lassen. Noch steht ja nicht mal die bauliche Gestalt des Hauses fest. Drei mögliche Varianten zur Verteilung der für den Betrieb erforderlichen rund 40.000 Quadratmeter sind noch im Spiel: in einem einzelnen gedrungenen Block, auf zwei Bauten verteilt östlich und westlich des AGB-Altbaus. Oder östlich davon als niedriges Ensemble mit Hochhaus nahe dem Waterloo-Ufer.
ZLB-Generaldirektor Volker Heller sagte immerhin, dass als „Testat“ bei der Suche nach dem besten Standort die Kosten hier mit rund 350 Millionen Euro geschätzt wurden. Und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) auf Nachfrage: „500 Millionen Euro wären für eine Maßnahme für die ganze Stadtgesellschaft kein verschwendetes Geld.“ Und ein Nicken bei allen Experten begleitete die Ansage, dass an keinem anderen Ort Berlins die ZLB günstiger gebaut werden könne als am Blücherplatz. Und noch eins gehört zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie als „übergeordnetes Planungsziel“, wie Senatorin Lompscher formulierte: Der Neubau soll „langfristig den wirtschaftlichen Betrieb“ der ZLB gewährleisten.
Ralf Schönball