Einmarsch der Roten Armee in Berlin: Wettlauf zum Reichstag
Nach dem Erreichen des Berliner Stadtgebiets im Nordosten Ende April 1945 kreiste die Rote Armee die Reichshauptstadt ein – es begannen die längsten Tage des Krieges.
Vom Einzug in Berlin berichtete Leonard Buchow, ehemaliger Panzersoldat der Roten Armee, so: „Nach Berlin sind wir aus dem Nordosten am 22. April einmarschiert (in unserem Regiment wurde behauptet, wir waren die Ersten, das habe ich aber öfters auch von den anderen gehört).“ Mit den Erinnerungen von Zeitzeugen, zumal nach so vielen Jahrzehnten, ist es eben so eine Sache. Sie sind wichtig, als Zeugnisse der Oral History unverzichtbar, im Detail aber oft nicht zuverlässig. Nordosten? Stimmt. 22. April? Stimmt nicht, und wenn es doch stimmt, waren Buchow und seine Kameraden auf keinen Fall die ersten sowjetischen Soldaten auf Berliner Territorium. Die waren definitiv schon einen Tag vorher da.
Aber wo? „Na Berlin – Pobeda“ steht in kyrillischer Schrift an der Fassade des Hauses Landsberger Allee 563 in Marzahn: „Nach Berlin – Sieg“. Dazu das Datum 21. April 1945 und darunter die erklärende Inschrift: „Auf dem Weg der Befreiung Berlins vom Hitlerfaschismus hissten Sowjetsoldaten in Berlin die Rote Fahne des Sieges.“
Symbolischer, nicht historischer Ort
Das Gebäude gilt seit DDR-Zeiten als das Haus, das in Berlin als erstes von den Rotarmisten befreit wurde, eine Einschätzung, der man sich im Bezirksmuseum Marzahn-Hellersdorf nicht anschließen möchte. Schließlich gebe es an der Straße Richtung Osten weitere historische Häuser, andere seien zudem seit 1945 abgerissen worden. Ein berechtigter Einwand: Warum sollten sich die Russen gerade dieses Haus ausgesucht haben und zuvor an anderen achtlos vorübergezogen sein? So ist die Landsberger Allee 563 also eher als symbolischer, nicht als historischer Ort anzusehen.
Aber waren die Russen nicht ohnehin zuerst in Malchow? So meint sich, wie gestern berichtet, eine Zeitzeugin zu erinnern. Und was ist mit Weißensee, Hohenschönhausen, Lichtenberg, Mahlsdorf, die Tony Le Tissier, Militärhistoriker und letzter britischer Gouverneur des Spandauer Kriegsverbrechergefängnisses, in seiner „Chronik der Schlacht um Berlin“ als die im Laufe des 21. April eingenommenen Stadtteile nennt? Immerhin neben Marzahn, von wo aus sowjetische Artillerie schon die Innenstadt beschoss.
Wettlauf der Marschälle
Wie es nach dem 21. April weiterging, ist schon einfacher zu klären. Die sowjetische Armeeführung hatte sich für einen Zangenangriff entschieden, um die Stadt einzukreisen und von jeder Versorgung abzuschneiden. Dabei gab es einen Wettlauf der Marschälle Georgi Schukow mit seiner 1. Weißrussischen Front im Norden und Iwan Konew mit der 1. Ukrainischen Front im Süden, wer denn mit seinen Truppen zuerst den Reichstag erreiche.
Aufseiten der deutschen Verteidiger wurde die Lage von Tag zu Tag aussichtsloser und chaotischer, die Rote Armee aber rollte unaufhaltsam voran. Schon am 22. April erreichten ihre Spitzen im Osten Friedrichshagen und den Köpenicker Ortsteil Wendenschloss. Im Norden überquerten Rotarmisten die Havel bei Henningsdorf, drangen auf Spandau und Nauen vor, während sie im Süden Beelitz und den Potsdamer Stadtrand sowie den Teltowkanal bei Stahnsdorf und Teltow erreichten und gegen Abend in Lichtenrade, Marienfelde und Lankwitz einzogen.
25. April nimmt eine besondere Stellung ein
Stadtteil für Stadtteil wurde nun eingenommen, wobei der 25. April unter den letzten Tagen des Krieges eine besondere Stellung einnimmt. An diesem Tag kam es zum ersten Zusammentreffen der Amerikaner und der Sowjets bei Torgau, während sich die beiden Berlin umschließenden Arme der Roten Armee bei Ketzin, westlich von Potsdam, trafen und Berlin damit endgültig eingekreist war. Nun dauerte es nur noch fünf Tage, bis über dem Reichstag die rote Fahne wehte, und zwei weitere, bis der Kampf vorüber war. Für die Berliner wurden es die längsten Tage des Krieges.
Linke für Rückkehr zur Straße der Befreiung
Die Erinnerung
An die Einnahme Berlins durch die Rote Armee erinnerte von 1975 bis 1992 die Straße der Befreiung in Friedrichsfelde und Biesdorf. Sie trägt heute den Namen, den sie schon zuvor innehatte: Alt-Friedrichsfelde. Es war eine der Straßen, über die die Rote Arme in Berlin einrückte. Zudem befand sich an der Ecke Rosenfelder Straße die erste sowjetische Stadtkommandantur, mit Nikolaj Bersarin als erstem Stadtkommandanten.
Die Initiative
Die Lichtenberger Linken starteten eine Initiative, um aus Alt-Friedrichsfelde wieder die Straße der Befreiung zu machen. Anlass sei der 70. Jahretag des Kriegsendes, sagte Bezirksvorsitzender Michael Grunst, der zugleich auf Richard von Weizsäckers Rede von 1985 verwies, in der dieser den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ gewürdigt habe. Der Vorschlag werde jetzt im Kulturausschuss der BVV debattiert, sagte Grunst. Auch solle er mit den Anwohnern diskutiert werden. Denkbar sei statt einer Rückbenennung auch ein zusätzliches Schild mit Erklärungen. ac
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