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Dem wartenden Volke. Der Reichstag wird bei Touristen immer beliebter. Nun sollen Touristen Zugang bekommen – über ein Besucherzentrum und einen Tunnel.
© Kai-Uwe Heinrich

Durch einen Tunnel zur Kuppel: Das Besucherzentrum am Bundestag kommt

Lange wurde gestritten um Größe, Lage, Kosten. Nun kommt das Besucherzentrum für den Bundestag. Durch einen Tunnel soll es dann zur Kuppel gehen.

Das Ende der grauen Container und langen Schlangen an der Scheidemannstraße rückt näher: „Wir werden den Architekturwettbewerb so zeitig abschließen, dass der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode die abschließenden Entscheidungen zur konkreten Ausgestaltung des Besucherzentrums treffen kann“, sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) dem Tagesspiegel. Übersetzt heißt das: Das Besucherzentrum am Reichstag kommt.

Alles muss nun zügig vorangehen, denn zwei Jahre sind keine lange Zeit, um einen internationalen Wettbewerb auszuschreiben und zu entscheiden. Denn im Bundesbauministerium war stets von einem „politisch und architektonisch hoch bedeutsamen“ Projekt die Rede. Das Empfangsgebäude ist gleichsam die Visitenkarte des Parlaments und muss sich als Solitär am Rande des Tiergartens und gegenüber vom Reichstag durch eine herausragende Gestaltung behaupten.

Das Besucherzentrum ist die erste Anlaufstelle von Berlin-Besuchern, die dem Reichstag auf die Kuppel steigen oder sich über den Parlamentsbetrieb informieren wollen. Wer diesen Programmpunkt auf der Agenda hat, muss sich gegenwärtig am Ende der Schlange vor den Containern auf der Tiergartenseite der Scheidemannstraße anstellen, um dort ein Besucherticket zu lösen. Dann quert er die Straße und unterzieht sich den Sicherheitskontrollen im Containerdorf des Sicherheitspersonal der Bundestagsverwaltung. Das alles würde mit dem Neubau entfallen, der an die Stelle des Restaurants und Souvenirshop „Berlin-Pavillon“ treten soll.

Lösungen beim Architektur-Wettbewerb

Von dort werden die Besucher künftig durch einen Tunnel unter der Erde auf die andere Straßenseite gelotst. Denn diese ursprüngliche Erschließungsvariante soll nun tatsächlich Realität werden – trotz der damit verbundenen Risiken höherer Kosten, die zwischenzeitlich zu einem Baustopp geführt hatten.

Auf der Suche nach der besten Verbindung des Neubaus mit dem Reichstag ist Hendricks zufolge auch „über die Art der Verbindung zwischen dem Besucherzentrum und dem Reichstagsgebäude gesprochen worden.“ Hendricks weiter:. „Hierzu erhoffe ich mir vom anstehenden Architekten-Wettbewerb gute Lösungen."

Im Spiel war vorübergehend auch die Überlegung, das Besucherzentrum zwischen Kanzleramt und Paul-Löbe-Haus zu bauen, wie es die Pläne für das Band des Bundes von Axel Schultes mal vorsahen. Doch dann wäre der Tunnel noch länger geworden und damit auch das Risiko für die Bauzeit: Unter dem Rasen vor dem Reichstag verläuft eine U-Bahn-Röhre und ein weit vernetztes Rohrnetz zur Versorgung des Regierungsviertels mit Wasser und Strom und sogar „unterirdische Geothermieanlagen“ – von „sehr anspruchsvollen Rahmenbedingungen“ hatte deshalb bereits Peter Ramsauer (CSU) gesprochen, der Vorgänger von Ministerin Hendricks.

150 Millionen Euro sind festgelegt worden

Warum geht nun doch alles so schnell, was zuvor aufgrund der gewaltigen Kosten von Ramsauer gestoppt wurde? „Die Kosten liegen deutlich unter den vom ehemaligen Bauminister Ramsauer genannten bis zu 500 Millionen Euro“, sagte Hendricks mit Hinweis auf Kostenschätzungen vor Beginn ihrer Amtszeit. Warum ihr Vorgänger diese Schwindel erregende Summe ins Spiel gebracht hatte, sei für sie nicht nachvollziehbar.

Dass überhaupt wieder Bewegung in den Plan für den Neubau kam, lag wohl auch daran, dass eine Höchstgrenze bei den Baukosten festgelegt wurde: 150 Millionen Euro waren zuletzt im Herbst genannt worden, zwei Drittel davon für das oberirdische Zentrum, ein Drittel für den Tunnel von dort zum Reichstagsgebäude. Der Ältestenrat des Bundestages hatte sich im Oktober erneut für den Neubau mit 6600 Quadratmetern ausgesprochen. Bei der Verwaltung des Bundestages bestätigte Sprecher Ernst Hebeker: „Der Ältestenrat hatte das Bundesbauministerium mit der Vorbereitung eines Architekturwettbewerbes beauftragt.“ Rund drei Millionen Besucher kämen jährlich.

In einem ersten Entwurf sollte das Besucherzentrum sich über ein Fläche von 1. 000 Quadratmetern erstrecken. Ein Restaurant für mehrere hundert Menschen, ein Bundestagsshop sowie zwei Filmvorführräume für jeweils 250 Besucher waren geplant. Außerdem waren Flächen für die Bespaßung von Kindern reserviert sowie ein Kommunikationsforum für Vorträge und Podiumsdiskussionen. Ein Teil der Räume waren unter der Erde geplant nach dem Vorbild des 2008 eröffneten Besucherzentrum unter dem Capitol in Washington. Das hatte knapp 500 Millionen Euro gekostet.

Studenten machen sich Sorgen um Aushilfsjobs

Später sahen abgespeckte Pläne an der Scheidemannstraße nur noch die Hälfte der Flächen vor – und ein Budget von 215 Millionen Euro. Auf einen Tunnel wollten die Planer auch mal verzichten und die Verbindung zwischen Reichstag und Zentrumsneubau oberirdisch bauen.

Die aufeinander gestapelten Container haben sich aus Sicht der Beschäftigten vor Ort als Dauerprovisorien bewährt. Jedenfalls die Studenten, die als Touristenlotsen im Einsatz sind, machen sich eher Sorge um ihren Aushilfsjob als um den Baustart des neuen Zentrums. Dagegen beklagten Verantwortliche im Bezirk Mitte und der stellvertretende CDU-Fraktionschef Stefan Evers jüngst die Einöde des gesamten Regierungsviertels, das abseits von Großveranstaltungen oft leergefegt und leblos daliege. In der Regierung sieht man das anders: Touristisch werde das Gebiet hervorragend angenommen.

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