Postengeschiebe mit Berlins Rechnungshof: Wenn eine Spitzenbeamtin vor einem Staatssekretär gerettet werden muss
Der Wechsel von Petra Michaelis aus der Innenverwaltung ist ein Fall für Parlamentspräsident Ralf Wieland. Er verlangt Auskunft von der Rechnungshofschefin.
In der Affäre um eine von Berlins Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) zum Rechnungshof abgeschobene Spitzenbeamtin hat sich der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), eingeschaltet. Er fordert von der Präsidentin des Rechnungshofes, Karin Klingen, Aufklärung.
Denn die von Akmann vergraulte Abteilungsleiterin und Landeswahlleiterin Petra Michaelis ist nun Chefin der Präsidialabteilung des Rechnungshofes. Dabei heißt es im Rechnungshofgesetz: „Die Präsidentin oder der Präsident leitet die Präsidialabteilung.“
Der Rechnungshof selbst wollte eine Tagesspiegel-Anfrage, wie er den Widerspruch zur Gesetzesvorschrift erklärt, nicht beantworten. Parlamentspräsident Wieland, der die Dienstaufsicht über die Präsidentin des Rechnungshofes hat, schaut sich den Fall nun genauer an.
Ein Sprecher des Abgeordnetenhauses sagte: „Eine Bewertung nimmt der Präsident des Abgeordnetenhauses zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Er wird aber einen Bericht zur Sachlage der Entscheidung, die Leitung der Präsidialabteilung des Landesrechnungshofes an Frau Michaelis abzugeben, von Frau Klingen abfordern.“ Wielands Schreiben an Klingen werde am Mittwoch abgeschickt.
Der Fall Michaelis offenbart, wie auf Senatsebene mit Spitzenpersonal umgangen wird. Es ist ein Sittengemälde, in dem Innenstaatssekretär Akmann eine besondere Rolle spielt, aber eben auch der kurze Draht zwischen SPD-Genossen in den Verwaltungen.
Los ging es in der Innenverwaltung. Akmann hat inzwischen den Ruf, der eigentliche Innensenator zu sein. Ihm wird nachgesagt, hart durchzugreifen und ein fast präsidiales System errichtet zu haben. Beamte, die sich kritisch und ihre Meinung äußern, müssen mit Problemen rechnen.
Bernd Palenda warf als Chef des Verfassungsschutzes hin
So war es auch bei Bernd Palenda. Der Leiter der Verfassungsschutzabteilung bat 2018 um Versetzung, es war zum Bruch mit Akmann gekommen. Selbst Chefs anderer Verfassungsschutzämter waren irritiert. Akmann wurde vorgeworfen, Palenda „kaltblütig aus dem Weg zu schaffen“, von Intrigen war die Rede.
SPD-Politiker vermissten bei Akmann „menschlichen Anstand“. Wie bei der Entlassung von Klaus Kandt als Polizeipräsident. Intern heißt es, auch der Chef der Polizeiabteilung sei inzwischen so gut wie kaltgestellt: Akmann regiere direkt in die Polizei hinein – über deren Präsidentin Barbara Slowik. Mitarbeiter der Hausleitung erkundigen sich schon mal in einem Verfahren direkt bei ermittelnden Beamten des Landeskriminalamtes.
Petra Michaelis ist bei Akmann in Ungnade gefallen
Auch Petra Michaelis, bis zu ihrem Wechsel Leiterin der Abteilung für Staats- und Verwaltungsrecht, soll dem Vernehmen nach bei Akmann in Ungnade gefallen sein. Sie sei eine der wenigen Spitzenbeamten gewesen, die noch offen ihre Meinung geäußert hätten. Doch der Druck wurde offenbar zu groß.
Michaelis soll sich auf die frei gewordene Stelle als Leiterin der Abteilung 1 in der Senatskanzlei beworben haben. Denn als Beamtin in der Besoldungsstufe B5 – 9229 Euro brutto pro Monat – hat sie Anspruch auf einen vergleichbaren Posten.
Die Bewerbung soll sie dann zurückgezogen haben, es ergab sich eine andere Chance, nämlich beim Rechnungshof. Dort aber war nur eine Stelle mit Soldstufe A16 – das sind zwischen 5834 und 7415 Euro brutto im Monat – frei.
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Die Innenverwaltung hat Michaelis für zwei Jahre zum Rechnungshof abgeordnet. Dort sorgt die Personalie für Unruhe, auch wegen dieser Konstruktion: Die Innenverwaltung bezahlt Michaelis, der Rechnungshof überweist die Kosten für seine A16-Stelle. Denn eine B5-Stelle für Michaelis ist im Haushalt nicht vorgesehen. Der Rechnungshof hält das Konstrukt für rechtlich sauber. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus beklagt, dass die Unabhängigkeit des Rechnungshofes auf dem Spiel stehe.
Zumindest waren mehrere Stellen daran beteiligt, Michaelis den Wechsel und Akmann eine politisch genehme Personalie möglich zu machen. Einige sprechen von kurzen Drähten zwischen SPD-Genossen in der Senatskanzlei zur Rechnungshofspräsidentin Klingen.
So war nach Tagesspiegel-Informationen Senatskanzleichef Christian Gaebler (SPD) involviert. Andere sprechen von einer nötigen Rettungsaktion für Petra Michaelis. Die Frage, ob nicht Innenstaatssekretär Akmann in die Schranken gewiesen werden müsse, ergab sich ein Jahr vor der Abgeordnetenhauswahl nicht.
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Die Personalaffäre hat am Mittwoch auch den Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses erreicht. Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung ging es etwa eine Stunde nur darum, es wurde die Frage aufgeworfen, ob Michaelis trotz ihrer Abordnung zum Rechnungshof als Leiterin der Präsidialabteilung nun weiter Landeswahlleiterin bleiben kann.
Senatskanzleichef Gaebler, der an der Anbahnung der Personalverschiebung beteiligt war, wollte dazu keine Aussage treffen und erklärte sich für unzuständig. Finanzstaatssekretär Fréderic Verrycken stellte fest, dass die verwaiste Wahlleiterstelle in der Innenverwaltung nicht nachbesetzt werden kann.
Der Rechnungshof antwortete am Mittwochabend auf mehrere Fragen dazu mit diesem Satz: „Die Landeswahlleiterin übt ihr Amt seit 2010 aus und hat mehrere Wahlen neben ihrer Aufgabe als Abteilungsleiterin durchgeführt.“
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Jetzt leitet Christian Oestmann die Abteilung 1 im Innenressort. Er ist Landesvorsitzender des Arbeitskreises sozialdemokratischer Juristen. Michaelis kennt ihren Nachfolger. Oestmann hatte seine Aufstiegserprobung bei ihr absolviert, bevor er Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht wurde.
Zur Abgeordnetenhauswahl 2016 war Oestmann bei der SPD als Justizstaatssekretär gesetzt, das Ressort ging aber an die Grünen. Nun ist er bis Ende Februar 2021 zur Innenverwaltung abgeordnet, behält zunächst seinen Richtersold.
Danach wird er offiziell versetzt, sein Sold wird schrittweise angehoben. Kurz vor der Abgeordnetenhauswahl könnte er die für den Posten vorgesehene B5-Besoldung bekommen – eine Absicherung über die Wahl hinaus.
Inzwischen kursieren in der Landespolitik bereits Szenarien, wie die verfahrene Situation gerettet werden kann, nämlich über eine Rochade mit einer anderen Spitzenbeamtin aus der Justizverwaltung. Welche Rolle Oestmann dann dabei noch spielen wird, ist unklar.
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