Muslimischer Schüler entschuldigt sich: Weitere Berliner Lehrer sollen Morddrohungen erhalten haben
Der elfjährige Schüler, der seiner Lehrerin mit Enthauptung gedroht hatte, hat sich entschuldigt. Derweil gibt es Hinweise auf weitere Fälle, die ähnlich waren.
Am Mittwochmorgen meldete sich die Mutter des elfjährigen muslimischen Schülers, der an der Christian-Morgenstern-Schule in Spandau einer Lehrerin mit Enthauptung gedroht hatte, bei der Schulleitung. Sie wollte ein Gespräch mit Direktorin Karina Jehniche.
In Begleitung der Mutter war der Junge. Er hatte eine handgeschriebene Entschuldigung dabei, die überreichte er jener Lehrerin, der er am Dienstag mit Mord gedroht hatte. Die Pädagogin hatte zuvor im Unterricht auf die Bedeutung von Elterngesprächen hingewiesen und Konsequenzen für Eltern angekündigt, sollten die nicht erscheinen. Daraufhin hatte der Junge mit Enthauptung gedroht und sich dabei auf den Mord an dem französischen Lehrer Samuel Paty bezogen.
Schwerwiegende schulische Konsequenzen für den Jungen gibt es erst mal nicht, er bleibt an der Grundschule. „Die Mutter hatte erklärt, dass zu Hause keinesfalls über Mord oder Rache für Mohammed-Karikaturen gesprochen werde“, sagte Karina Jehniche dem Tagesspiegel. „Es geht natürlich auch nicht darum, einen Elfjährigen zu kriminalisieren.
Die große Frage ist: Wie kommt ein Kind überhaupt dazu, so etwas zu sagen?“ Deshalb müsse man jetzt intensiv prüfen, welche Medien der Junge konsumiere und welche sozialen Kontakte er habe. „Warum denkt er so?“
Eine Psychologin und ein Sozialarbeiter kümmern sich um Schüler und Lehrer, auch die „Operative Gruppe Jugendgewalt“ der Berliner Polizei war an der Schule. Die Mutter habe in einem Telefongespräch am Dienstag und auch zu Beginn des Gesprächs am Mittwoch der Schule die Schuld gegeben, dass ihr Sohn solche Morddrohungen ausgestoßen habe, sagte Karina Jehniche. Im Verlauf des Gesprächs habe man ihr aber klarmachen können, dass die Schule ganz gewiss keine Schuld treffe.
Andere Lehrer berichten auch von Morddrohungen
Derweil haben sich Lehrer aus anderen Schulen bei der Morgenstern-Schule gemeldet, als Reaktion auf den Vorfall mit dem Elfjährigen. Ihre Berichte geben einen Hinweis darauf, dass es weitere ähnliche Fälle gibt.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Martin Malaczek, stellvertretender Leiter der Morgenstern-Schule, sagte dem Tagesspiegel: „Ich habe berlinweit von fünf Kollegen anderer Schulen die Rückmeldungen erhalten, dass an ihrer jeweiligen Schule bei ihnen ebenfalls klare oder kaum verhüllte Morddrohungen, in Zusammenhang mit der Ermordung von Paty, gefallen seien.“ Er zitierte aus der Nachricht einer Kollegin, die schrieb: „Ein Erstklässler hat vergangene Woche auf Arabisch gesagt, ich solle sterben.“
Es habe „niemanden der Kollegen überrascht“, sagte Malaczek, „dass an der Morgenstern-Schule so eine Morddrohung gefallen ist, weil sie das von ihrer eigenen Schule kennen. Und alle haben begrüßt, dass offen über den Vorfall in Spandau gesprochen wurde." Das Thema politischer Islam sei zu lange "tabuisiert" worden. "Wenn man auf die Probleme aufmerksam gemacht hat, ist man ja sofort Gefahr gelaufen, in die rassistische Ecke gestellt zu werden."
[In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns regelmäßig unter anderem mit Polizei- und Sicherheitsthemen. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]
Am Mittwoch erklärte ein Lehrer, der in Schöneberg unterrichtet, an seiner Schule habe ein muslimischer Schüler, 13 Jahre alt, erklärt: "Der Lehrer aus Paris hat den Islam mit Füßen getreten. Er hat bekommen, was er verdient hat, das war doch in Ordnung."
Schulleiterin: "Die Schulen sind mit dem politischen Islam überfordert"
Es ist klar, dass Grundschüler, aber auch etwas ältere Schüler bei solchen Morddrohungen entweder Aussagen anderer nacherzählen oder oft nicht genau erkennen können, was sie da sagen. Für Astrid-Sabine Busse, die Vorsitzende des Interessensverbands Berliner Schulleitungen, ist deshalb die Gedankenwelt von Erwachsenen das Hauptproblem.
„Da hat ja nicht ein Elfjähriger eine reflektierte Meinung vorgetragen, sondern nachgeplappert, was er gehört hat“, sagte sie. Das Hauptproblem sei der „politische Islam, und mit dem sind die Schulen überfordert“. Das Thema habe man lange verschwiegen, jetzt tauche es mit Macht auf.
Das Lehrpersonal müsse auch durch die politische Führung spüren, dass es nicht allein stehe, betonte Busse. „Das erreicht man aber nicht bloß mit Fortbildungen, auch wenn die wichtig sind.“ Das Problem müsse eben auf gesellschaftlicher Ebene gelöst werden. Sie habe mit "Freude gelesen, dass jetzt Imame in Deutschland ausgebildet werden". Sie wünsche sich seit langem islamisch ausgebildete Religionslehrer, die stehen den Kindern ja auch zu."
Senatsverwaltung nimmt Vorfall "sehr ernst"
Ein Sprecher der Senatsschulverwaltung sagte dem Tagesspiegel zu dem Vorfall in Spandau: „Solche Fälle nehmen wir äußerst ernst. Die Senatsbildungsverwaltung weiß seit Jahren um interreligiöse Konflikte, aber auch um religiös geprägte Intoleranz an Berliner Schulen.“ Deshalb sei vor 14 Jahren das Fach Ethik für die 7. bis 10. Klassen eingeführt worden, und man habe später für Lehrkräfte die Handreichung „Islam und Schule“ erarbeitet.
Demokratiebildung sei in den neuen Rahmenlehrplänen zu einem wichtigen Querschnittsthema geworden. Klar sei, „dass auch bestimmte weltpolitische Lagen angesichts der vielfältigen Herkunft der Berliner Schülerinnen und Schüler sich im Schulalltag niederschlagen“. Mit Blick auf religiösen Extremismus gebe es derzeit Gespräche der Bildungsverwaltung mit den Verbänden der Geschichtslehrer und der Lehrkräfte für politische Bildung, „um weitere Akzente zu setzen“.