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In Berlin gibt es immer mehr Schüler.
© Andreas Arnold/dpa
Update

100 Kinder betroffen: Weiter nicht genügend Plätze für Berlins Siebtklässler

Bei 100 Schülern ist noch nicht klar, in welcher Berliner Schule sie Platz finden. Auch eine Krisensitzung am Montag brachte keine Lösung.

Trotz Schulbauoffensive, Notsitzungen und unzähligen aufgeregten Mails ist es bisher nicht gelungen, für alle 26.000 Siebtklässler einen Schulplatz zu organisieren: Rund 100 Kinder galten am Montag noch als unversorgt, obwohl bereits am Freitag Tag die Bescheide an die Familien verschickt werden sollten. Treptow-Köpenicks Bildungsstadträtin Cornelia Flader (CDU) sprach von einer „Bankrotterklärung“, die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) zu verantworten habe.

Flader meldete sich zu Wort, weil von den unversorgten Kindern, die im Sommer ihre Grundschulen verlassen, allein 75 aus ihrem Bezirk kommen: die Stadträtin hatte seit einem Jahr davor gewarnt, „dass ein Defizit droht“. Nachdem dieses Defizit nicht behoben werden konnte, richteten sich die Hoffnungen Treptow- Köpenicks und Lichtenbergs, dem ebenfalls Plätze fehlen, auf eine „Ausgleichkonferenz“ der Bezirke Anfang Mai.

An deren Ende forderte die Bildungsverwaltung nach Tagesspiegel-Informationen, dass Marzahn-Hellersdorf einspringen müsse, da hier gerade eine große neue Schule fertiggestellt worden sei. Allerdings will Bildungsstadtrat Gordon Lemm (SPD) dort Schüler der Wolfgang-Amadeus-Mozart-Schule unterbringen, deren Gebäude saniert werden muss.

Eine Krisensitzung am Freitag brachte keine Lösung....

Die Bildungsverwaltung belehrte Lemm aber dahingehend, dass die neue Schule nicht als Auslagerungsstandort gedacht sei: Er müsse kooperieren. Das lehnte Lemm ab. Daher lud Bildungs-Staatssekretärin Beate Stoffers (SPD) die involvierten Bezirke am Freitag zu einer Notsitzung. Dort verständigte man sich dem Vernehmen nach auf die Prüfung verschiedener Optionen: Eine weitere Klasse an einer noch nicht genannten Marzahn-Hellersdorfer Schule; ein Schüler mehr pro Klasse an einigen Schulen in Treptow-Köpenick sowie die Verlagerung einzelner Willkommensklassen an Oberstufenzentren oder andere zentral verwaltete Schulen.

...und am Montag auch nicht

Am Montag sollte ein weiteres Gespräch bei Stoffers folgen - allerdings wurde die erhoffte Lösung nicht gefunden: "Man ist heute einen großen Schritt weitergekommen, aber es laufen noch Prüfaufträge", teilte die Bildungsverwaltung am Abend auf Anfrage mit und verwies auf weitere Informationen, die für Dienstag zu erwarten seien. Um die Unsicherheit der betroffenen Familien zu mildern, sollten sie einen Zwischenbescheid erhalten, war bereits am Freitag entschieden worden.

Harsche Kritik von CDU-Stadträtin

"Die Bezirke haben ihre Arbeitsaufträge erfüllt, der Senat nur teilweise", kritisierte nach der Sitzung die Bildungsstadträtin von Treptow-Köpenick, Cornelia Flader (CDU) gegenüber dem Tagesspiegel. Der Senat müsse nun in der Frage, ob es an der Flatow-Schule und am Lichtenberger Sportleistungszentrum freie Kapazitäten gebe, "nacharbeiten". Das gesamte Zuteilungssystem erweise sich als "Schönwettersystem, das nur funktioniert, solange überzählige Schulplätze vorhanden sind", meint Flader. Das Ausgleichssystem zwischen den Bezirken sei "unzureichend geregelt und funktioniert teilweise lediglich auf Zuruf".

Flader betonte, sie habe sich "geweigert, die Schulqualität abzusenken, indem ich die Klassefrequenzen einseitig erhöhe". Geprüft werde nun unter anderem, ob der Senat in den Schulen in Landesträgerschaft zusätzliche Klassen aufnehmen kann, die dann aber als bezirkliche Klassen gelten würden, nannte die Bildungsstadträtin eine der Optionen.

Bildungsbehörde kontert

"Gordon Lemm und wir arbeiten jetzt an einer vernünftigen Lösung. Frau Flader verkennt aber offenbar, dass sie schlussendlich die Verantwortung  trägt, ihre Schülerinnen und Schüler unterzubringen. Anstatt um sich zu schlagen, sollte sie sich als Bezirksstadträtin ihrer Verantwortung stellen", konterte Thorsten Metter, der Sprecher der Bildungsverwaltung. Offenbar habe Flader "Angst, dass die Eltern sie fragen, warum sie nicht frühzeitig Vorsorge getroffen hat".

Im übrigen habe Treptow-Köpenick die Klassen "durchgehend" nur mit 25 Schülern eingerichtet, berichtet Metter. Andere würden "auch mit 26 einrichten". Was er nicht sagte: Um Rückläufer nach dem Probejahr der Gymnasien in der achten Klasse aufnehmen zu können, sind die Bezirke eigentlich gehalten, die siebten Klassen der Sekundarschulen nicht zu überfüllen. Andernfalls müssen nämlich "Rückläuferklassen" eingerichtet werden.

Zunächst fehlten sogar über 540 Schulplätze

„Die Bezirke stehen alle mit dem Rücken zur Wand“, beschreibt der Marzahn-Hellersdorfer Abgeordnete Mario Czaja die Lage bei der Schulplatzversorgung. Erst habe sich das Problem auf die Grundschulen fokussiert, jetzt werde es auch bei den Oberschulen massiver. Von den Versprechungen des Senats, für ausreichend Schulplatz zu sorgen, sei „wenig übrig geblieben“.

Nach Tagesspiegel-Informationen fehlten zunächst sogar über 540 Schulplätze. Für die meisten Fälle fanden sich aber Ausweichmöglichkeiten in anderen Bezirken. Am Ende blieben – trotz aller Bemühungen – besagte 100 Kinder übrig, was zeigt, wie knapp inzwischen berlinweit die Kapazitäten sind: Während es in früheren Jahren mitunter eine vierstellige Zahl freier Plätze gab, sind die Reserven inzwischen fast komplett verbraucht.

Zwar sind im Rahmen der Schulbauoffensive rund 60 neue Schulen und etliche Erweiterungsbauten geplant. Die Realisierung hält aber nicht Schritt mit den steigenden Schülerzahlen, zumal es immer wieder Rückschläge gibt: Mal finden sich keine Bauunternehmen, mal bestreitet die Bildungsverwaltung Bedarf in konkreten Regionen oder blockiert Genehmigungen – wie jüngst wegen angeblicher Geruchsbelästigung durch einen Abfallentsorger in Mahlsdorf.

Der Senat müsse die Prozesse beschleunigen

Landeselternsprecher Norman Heise warnt davor, dass Oberschulen bald gezwungen sein könnten, ihre Fachräume aufzugeben und zu reinen Unterrichtsräumen umzufunktionieren, so wie dies bereits in den vergangenen Jahren in den Grundschulen passierte. Er appelliert an den Senat, „die Prozesse zu beschleunigen“: Es könne nicht sein, dass die Baugenehmigung für einen einfachen Unterrichtscontainers 15 Monaten beanspruche.

Aber auch die Bezirke seien gefragt: Angesichts der knappen öffentlichen Immobilien müsse die Unterbringung der Schüler „höchste Priorität“ haben. Wie berichtet, kämpfen zurzeit mehrere Bildungsstadträte um Gebäude, die auch von Jugend- oder Kulturstadträten beansprucht werden: Etliche ehemalige Gebäude waren als Schulen entwidmet worden, als die Schülerzahlen zurückgingen.

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