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2008 war Schulleiterin Sibylle Stottmeyer noch voller Tatendrang. Damals war die Schule von einer Grundschule in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt worden.
© imago stock&people
Update

Brandbrief von Eltern aus Berlin-Hellersdorf: "Die Kinder haben Angst, zur Schule zu gehen"

Vor zwei Jahren fiel die Mozart-Schule bei der Inspektion durch, seither wurde sie intensiv betreut. Doch Eltern klagen weiter über Gewalt und überforderte Lehrer.

Kurz vor den Winterferien hat die Gesamtelternvertretung der Hellersdorfer Wolfgang-Amadeus-Mozart-Gemeinschaftsschule einen Brandbrief über Gewalt und Disziplinlosigkeit in ihrer Schule veröffentlicht. Die Rede ist von aggressiven, tretenden und schlagenden Schülern sowie Lehrern, die selbst mit Neunjährigen überfordert sind. Unterricht sei in einigen Klassen kaum mehr möglich.

Die Zustände verwundern umso mehr, als dass die Schule seit zwei Jahren von den Qualitätsmanagern der Bildungsverwaltung betreut und beraten wurde. Vorangegangen war ein schwacher Schulinspektionsbericht. Erst im Dezember waren die Inspekteure ein zweites Mal da.

Der Brief zitiert in erster Linie Berichte einzelner Eltern. Die Rede ist davon, dass insbesondere in einer dritten Klasse vollkommenes Chaos herrschte und der Lehrer von den Schülern ignoriert wurde. „Dieser Lehrer hat inzwischen gekündigt“, sagte Gesamtelternsprecher Francesco Malo. Eine Mutter berichtete aus einer anderen Klasse, dass „Besen und Ranzen aus den Fenstern flogen“, ein Kind auf dem Schulhof mit einem Messer bedroht und weitere Kinder auf andere Weise von Mitschülern drangsaliert wurden.

Kinder hätten Angst, zur Schule zu gehen, bestätigt Melanie Buch, Mutter zweier Schüler. Sie habe schon versucht, die Schule zu wechseln, jedoch hätten die anderen infrage kommenden Einrichtungen keine freien Plätze. Buch betont, dass es auch guten Unterricht an der Schule gebe, so sei sie sehr zufrieden mit der Situation in der Schulanfängerklasse des jüngeren Sohnes. Umso unhaltbarer seien aber die Zustände in der dritten Klasse. Ein Beschwerdebrief, den sie im Dezember schrieb, habe nicht die erhoffte Resonanz gehabt, berichtet die Mutter.

Ein Achtklässler bedrohte Erzieher

Ein besonders schwerer Zwischenfall ereignete sich laut Elternvertreter Malo in der Mittelstufe. Dabei soll ein Achtklässler mit einer – als solcher nicht erkennbaren - Spielzeugpistole Erzieher bedroht haben. Dies hatte dem Vernehmen nach erhebliche disziplinarische Konsequenzen für den Schüler. Malo hatte sich entschieden, die Beobachtungen und Befürchtungen der Eltern zu sammeln und zu veröffentlichen, nachdem sich auf einer Gesamtelternsitzung die negativen Berichte gehäuft hätten.

Es werden unterschiedliche Gründe für die Zustände genannt. Zum einen liegt die Schule in einem Brennpunkt, der nicht zuletzt von einer hohen Jugendgewalt-Rate betroffen ist. Ein Teil der Kinder soll sozial verwahrlost sein und selbst Lehrer mit gröbsten Schimpfworten titulieren. Zudem waren die drei dritten Klassen mit je 30 Kindern überfüllt; sie würden jetzt aufgeteilt werden.

Zwei Studienräte verlassen die Schule

Zur Vorgeschichte gehört laut Malo aber, dass es ursprünglich vier Klassen gewesen seien. Da es aber massive Probleme in einer der Klassen gegeben habe, sei entschieden worden, diese Klasse aufzuteilen. Dadurch sei es dann aber noch schwieriger geworden. Die Eltern kritisieren auch, dass in den unteren Klassen Lehrer eingesetzt werden würden, die keine Grundschulpädagogen sondern Studienräte seien. Diese hätten besonders große Probleme mit den Kindern, darunter der Lehrer der schwierigen dritten Klasse. Zwei Studienräte hätten sich inzwischen wegbeworben beziehungsweise würden jetzt umgesetzt, teilte die Bildungsverwaltung mit. Konfliktmanagement wird allerdings auch Oberschullehrern beigebracht.

Die Schulleiterin wollte sich zu den Beschwerden nicht äußern und verwies auf die Bildungsverwaltung. Im Schulinspektionsbericht von 2013 stand, dass die Schulleitung "offensiver" mit auftretenden Problemsituationen umgehen müsse. Zudem müsse an der "Sozialkompetenz" der Schüler gearbeitet werden.

Die Bildungsverwaltung ist nicht überrascht

Die Bildungsverwaltung ist über die geschilderten Zustände nicht überrascht, da sie dem entsprechen, was die Schulinspekteure an der Schule vorgefunden hatten. Den Vorwurf, die Zustände ignoriert zu haben, lässt Sprecherin Beate Stoffers nicht gelten. „Die Schule wurde nicht allein gelassen“, sagt Stoffers. Es gebe auch bereits eine entwicklungtherapeutische Förderung in den dritten Klassen. Überdies machten einzelne Lehrer einen „brillanten“ Unterricht. Warum die zweijährige Arbeit der Qualitätsmanager von "Pro Schul" so wenig Effekte erzielte, kann Stoffers nicht erklären. Sie weiß auch nicht, warum offenbar einige Lehrer nicht von der Schulstation Gebrauch machten, die sich ja gerade um die schwierigsten Schüler und Unterrichtsstörer kümmern soll.

Das Jugendamt wird fester eingebunden

"Die Schule erarbeitet derzeit mit dem Schulpsychologen ein Sicherheitskonzept. Der Präventionsbeauftragte der Polizei ist Ansprechpartner der Schule. Das Jugendamt will einen festen Mitarbeiter für die Schule benennen, um schneller gemeinsam in Krisensituationen agieren zu können", zählt Stoffers die weiteren Schritte auf. Überdies werden zwei Lehrer zu Trainern ausgebildet werden, die das Kollegium schulen sollen, „um professionell in Gewaltsituationen handeln zu können“.  Außerdem werden Lehrkräfte anders eingesetzt als bisher, und ein runder Tisch soll gebildet werden, an dem alle Beteiligten zusammenkommen.

Schließlich ist geplant, dass es innerhalb der Schulleitung die Kompetenzen anders verteilt und die Grundstufenleitung „gecoacht“ werden soll. Nach den Winterferien ist ein Elterninformationsabend für die 3. Klassen zur Gewaltprävention angesetzt und eine Gesamtelternsitzung ist auf der Tagesordnung.

Die Fehlquote lag im vergangenen Schuljahr bei 12,5 Prozent

Wie schlecht es um die Schule bestellt ist, lässt sich bereits an der Fehlquote der Schüler ablesen: Sie lag im vergangenen Schuljahr bei 12,5 Prozent. Berlinweit ist es die Hälfte. Beim unentschuldigten Fehlen beträgt die Prozentzahl 3,2 und ist somit fast dreimal so hoch wie im Berlinvergleich (1,3 %).

Die Mozart-Schule war ursprünglich eine Grundschule, die sich 2008 entschieden hatte, Gemeinschaftsschule zu werden. Die Schulleiterin, Sibylle Stottmeyer, wird als sehr engagiert beschrieben. Schon im vergangenen Jahr hatten sich allerdings nur sehr wenige Schüler entschieden, nach der sechsten Klasse auf der Schule zu bleiben, berichtet Malo, sodass die Schule mit Kindern anderer Schulen habe aufgefüllt werden müssen.

Nach den Winterferien beginnen die Anmeldefristen für das kommende Schuljahr. Angesichts der zugespitzten Lage der Schule wird damit gerechnet, dass die Nachfrage noch schwächer ausfallen wird als in den Vorjahren.

Gewerkschaft fordert gleiche Bezahlung für Grundschullehrer

Angesichts des großen Mangels an ausgebildeten Grundschullehrern und angesichts der minimalen Zahl von Studenten, die das Grundschullehramt überhaupt noch anstreben, fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dass die Bezahlung der Grundschullehrer angeglichen wird. „Zudem muss die Wissenschaftsverwaltung dafür sorgen, dass die Universitäten mehr Plätze für die Grundschullehrerausbildung einrichten“, fordert Dieter Haase vom Gesamtpersonalrat.

Da Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auch für die Hochschulen zuständig sei, sei es ihre Aufgabe, dieses Problem zu lösen und vom Finanzsenator entsprechend mehr Geld für die Hochschulen zu verlangen. Dazu sagte Scheeres‘ Sprecherin Stoffers, dass nicht einmal die wenigen vorhandenen Plätze genutzt werden würden. Die Bereitstellung von mehr Kapazitäten ergebe daher keinen Sinn.

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