Bezirksamt erteilt Genehmigung: Weihnachtsmarkt am Schloss Charlottenburg ist gerettet
Der Konflikt ums Sicherheitskonzept für den Weihnachtsmarkt vor dem Charlottenburger Schloss wurde kurz vor der drohenden Absage gelöst.
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hat quasi in letzter Minute die Genehmigung für den diesjährigen 13. Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg angekündigt. Zuvor hatte der Veranstalter Tommy Erbe betont, er brauche bis Dienstag eine positive Entscheidung, sonst müsse er die beliebte Veranstaltung an dem Berliner Wahrzeichen absagen.
Der Veranstalter werde „die vom Bezirk und den Sicherheitsbehörden geforderten Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nunmehr umsetzen", teilte das Bezirksamt mit. Im Gegenzug verpflichte sich der Bezirk „auf eine nachträgliche Kostenerstattung für die Jahre 2019 und folgende", falls das letztinstanzliche Urteil im laufenden Gerichtsverfahren „wider Erwarten zugunsten des Betreibers ausgeht". Diese Lösung verhindere zusätzliche rechtliche Auseinandersetzungen.
Streit ums Sicherheitskonzept
Vorangegangen war ein Konflikt um das Sicherheitskonzept. Ursprünglich ging es um etwa 15.000 Euro für 75 Poller zur Vorbeugung von Attentaten mit Fahrzeugen. Diese Schutzmaßnahme hatten die Behörden in der Folge des Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz im Dezember 2016 verlangt. Die Kosten sollte Tommy Erbe tragen. Bereits im vorigen Jahr erhielt er die Genehmigung nur, nachdem er sich „ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht" widerwillig zur Kostenübernahme bereit erklärt hatte. Später klagte er gegen das Bezirksamt und bekam Recht: Terrorabwehr sei eine „Aufgabe des Staates", entschied das Berliner Verwaltungsgericht in einem Urteil, dessen schriftliche Begründung erst vor wenigen Tagen bei Erbe einging.
Doch das half ihm nicht im Bemühen um die jetzige Genehmigung. Überraschend verweigerte der Bezirk diese vor allem wegen anderer Sicherheitsmängel. Feuerwehr und Polizei hätten den Schutz vor „inneren Gefahren" wie Bränden bemängelt, hieß es. Dabei ging es beispielsweise um die Feuergassen und Fluchtwege.
Am vorigen Freitag scheiterte Tommy Erbe mit seinem Versuch, die Genehmigung per Eilantrag einzuklagen. Um den Markt zu retten, erklärte er sich anschließend dazu bereit, das Sicherheitskonzept anzupassen und die Kosten zumindest vorläufig selbst zu finanzieren.
Kunsthandwerker waren der Verzweiflung nahe
Besonders die Kunsthandwerker unter den rund 120 Markthändlern hatten hohe Einbußen für den Fall befürchtet, dass der Markt abgesagt werden müsse. „Wir haben viel vorgearbeitet, Mitarbeiter beschäftigt und in Material investiert", sagte Heidi Kroencke von der Berliner Firma „Kunst und Design". Die Bewerbung für einen Platz auf einem Berliner Weihnachtsmarkt sei in der Regel schon im Januar nötig, im März bis April würden die Flächen vergeben. Daher wäre es „utopisch" gewesen, jetzt noch auf einen anderen Weihnachtsmarkt auszuweichen. Soweit es nur um die 15.000 Euro für Poller ginge, seien die Händler sogar bereit gewesen, diese Summe notfalls selbst aufzubringen. Rund 30 Anbieter stimmten sich zuletzt miteinander ab und hielten per E-Mail Kontakt.
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Der Handelsverband Berlin-Brandenburg hatte sich eine „praktikable Lösung für alle Beteiligten" gewünscht, damit „der traditionsreiche Weihnachtsmarkt Berlin erhalten bleibt". Weihnachtsmärkte seien „natürlich bedeutend für den Berliner Einzelhandel", sagte Sprecher Philip Haverkamp auf Nachfrage. Die Adventszeit sei für den Einzelhandel ein sehr wichtiges „Kerngeschäft des Jahres" und „lebt unter anderem besonders von Stimmung und Ambiente".
Nach Ansicht des Chefs der Tourismusgesellschaft Visit Berlin, Burkhard Kieker, gehört der Weihnachtsmarkt vor dem Schloss zu den „beliebtesten und erfolgreichsten" in der Stadt. Das angebotene Handwerk, die Gastronomie und die Unterhaltung seien stets „hochwertig". Außerdem führe der Standort dazu, dass Reisende nicht nur die Weihnachtsmärkte in Berlin-Mitte oder am Breitscheidplatz besuchen. Dies helfe bei der angestrebten „Entzerrung des Tourismusströme".
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin hatte sich direkt beim Bezirksamt für den Markt eingesetzt, auch weil dessen Absage laut Sprecherin Claudia Engfeld „für manche unserer Mitglieder existenzgefährdend gewesen wäre".
Der Fall hat bundesweite Bedeutung
Über Berlin hinaus wird die Frage, wer für den Schutz vor Terrorangriffen zahlen muss, aufmerksam verfolgt – besonders beim Deutschen Schaustellerbund. Dessen Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg hatte den vorletzten Prozess, in dem es um die Sicherheitskosten im Vorjahr ging, persönlich als Gast im Gerichtssaal verfolgt. Für den Schaustellerbund ist klar, dass „Kosten für zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auf Volksfesten und Weihnachtsmärkten nicht auf Schausteller abgewälzt werden dürfen". Der Verband beruft sich auf ein Gutachten, das er beim Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler Johann-Christian Pielow von der Ruhr-Universität in Bochum in Auftrag gegeben hatte.