Friedrichshain und Treptow: Was der Abriss der Elsenbrücke für Berlins Verkehr bedeutet
Dem Osten der Stadt steht der Neubau der Elsenbrücke bevor – und damit Großchaos. Mit der geplanten BER-Eröffnung 2020 kommt zusätzlicher Verkehr in die Stadt.
So langsam wird auch dem Letzten in der Stadt klar: Der Neubau der Elsenbrücke wird ein jahrelanges Ärgernis für Hunderttausende. Die Spree-Querung – Baujahr: 1968, Schrott seit 2018 – muss abgerissen werden. Das hat die Senatsverkehrsverwaltung um Regine Günther (parteilos, für Grüne) mitgeteilt. Die Folgen sind enorm. Eine Übersicht.
KURZ DIE VORGESCHICHTE
Neue, alte & vorübergehende Brücken
Mit einem 25 Meter langen Riss, zarte 1,8 Millimeter breit, fing’s an: Seit dem Sommer ist die zweigeteilte Brücke ein Sanierungsfall – und jetzt nicht mal mehr das, sondern: Schrott. Hier der grobe Senatsplan bis 2028: Nach der Planungsphase (2019) wird erst die kaputte, östliche Brücke mit dem Riss abgeknabbert (2020). Dort entsteht eine Behelfsbrücke für beide Fahrtrichtungen (2021).
Anschließend wird die westliche Brücke abgerissen und eine neue aufgebaut (2023-2025). Ist diese fertig, wird die östliche Behelfsbrücke abgerissen – und die neue gebaut (2028). Alles verstanden? Nicht schlimm, den Überblick müssen die Brückenbauingenieure behalten – der Haken: „Es ist ein Problem, dass Brückenbauingenieure auf dem Arbeitsmarkt so gut wie nicht zu finden sind.“
ja, noch ein ganz klares Argument dafür, dass die A100 dringend weitergebaut werden muss!
schreibt NutzerIn cvlist
Darüber klagt der Senat seit Jahren. „Und daran hat sich auch 2018 nichts verändert: Brückeningenieure gibt’s nie genug“, sagte ein Sprecher der Verkehrssenatorin. Die Arbeit wird nicht weniger: Viele der 1085 Berliner Brücken sind marode. Das Projekt Elsenbrücke kommt allerdings weit oben auf den Stapel. Geht’s nicht schneller? „Wir bauen in Etappen, nacheinander“, sagte ein Sprecher. „Die Alternative wäre eine Totalsperrung für drei, vier Jahre – die wollten wir vermeiden.“
DIE BEDEUTUNG FÜR DEN BER
Alle müssen über die Flughafenbrücke
Die Elsenbrücke ist nicht irgendein putziges Kiezbauwerk, sondern ein wichtiger Teil im Stadtpuzzle zur Frage, wie der Flughafen BER angebunden werden soll. Ob Lichtenberg und Friedrichshain, ob Weißensee oder Hohenschönhausen – wer den Weg durch die Stadt zum neuen Flughafen nimmt (ja, der soll im Herbst 2020 eröffnen), muss nur mal auf den Stadtplan gucken, um die Bedeutung zu erkennen: Die Elsenbrücke dient als letzte große Spree-Überquerung der östlichen Innenstadt.
Nur wenige Hundert Meter später kommen die Auffahrtrampen zur neuen A100, die ab ihrer Eröffnung 2022/2023 die größte Last des Flughafenzubringerverkehrs tragen wird. Über die Elsenbrücke rollen heute 55.000 Autos pro Tag, nach Autobahn-Inbetriebnahme werden es täglich 80.000 sein.
Der neue Airport an der Stadtgrenze wird die Verkehrsströme innerhalb Berlins massiv verändern. Schon heute fahren die Autos auf der Stadtautobahn oft Stoßstange an Stoßstange, und das längst nicht mehr nur in den Spitzenzeiten am Morgen. Wenn der BER nun eröffnet sein wird (ob 2020 oder 2021), werden in Schönefeld im Vergleich zu heute viermal (!) so viele Passagiere ankommen und abfliegen. Und zwei Drittel der Passagiere zieht es rein nach Berlin.
Der Autobahnverkehr wird massiv zunehmen. Studien warnen vor dem Verkehrsinfarkt auf der A100. Ab dem Dreieck Neukölln schiebt sich die Autokarawane über die neue A100 gen Norden – und weiter über die Elsenbrücke. Einzige Alternative aus dem Nordosten: mit Kind und Koffern in die S- und Regionalbahn.
Vom Ostkreuz rollen ab BER-Inbetriebnahme drei schnelle Regionalbahnlinien zum Airport, darunter der neue FEX. Gemeint ist damit der Flughafenexpress, der im 30-Minuten-Takt zum neuen BER-Terminal fahren soll – übrigens direkt neben der Elsenbrücke. Das Bauwerk, über das die Züge fahren, stammt aus den 90er Jahren. Hält also.
10 JAHRE BAUSTELLE
Ein Blick ans andere Ende der Stadt
Schrottbrücke, Ersatzbau, Nadelöhr für zehntausende Pendler? Na, klingelt’s? Alles schon mal da gewesen – die Rede ist nicht von der Elsenbrücke (185 Meter), sondern von der Freybrücke in Spandau (160 Meter, fünf Fahrspuren, 50.000 Autos täglich, wichtigste Ost-West-Brücke über die Havel). Auch sie war Murks und musste komplett abgerissen werden – und Zehntausende erinnern sich noch heute mit Grauen an die täglichen Staus am Morgen und das tägliche Geschiebe am Abend. Hier der Zeitplan zur Erinnerung: Planung (2012), Aufbau einer komplett neuen Behelfsbrücke mit neuen Zufahrtsrampen (2013), Abriss der alten Brücke (2014/2015), Neubau über dem Wasser (2015/2016), Freigabe und Abbau der alten Brücke (2017). Insgesamt also sechs Jahre. Auch bei der Freybrücke wurden – wie jetzt bei der Elsenbrücke – aus drei Fahrspuren zwei ziemlich enge; auch dort war nur auf einer Seite Platz für den Fuß- und Fahrradverkehr. Die Bauarbeiten dauerten länger als erhofft, aber am Ende lässt sich festhalten: Spandau hat’s überlebt – falls da jemand Hoffnung benötigt am anderen Ende der Stadt in Friedrichshain.
KILOMETERWEITE UMFAHRUNG
Wo sind denn die nächsten Brücken?
Alternativen für den Autoverkehr? Gibt es nicht wirklich. Die westliche Oberbaumbrücke mit ihren je zwei Fahrspuren ist heute schon gut ausgelastet – und im Osten kommt erst mal lange Zeit nichts. Erst hinter Spreepark und Plänterwald kommt eine neue Querung: die Minna-Todenhagen-Brücke (420 Meter, vier Fahrspuren). Die hat noch nicht jeder auf dem inneren Schirm, weil sie erst vor einem Jahr eröffnet worden ist. Sie könnte einen Teil des Verkehrs aufnehmen, aber als vergleichbarer A-100-Zubringer taugt sie nicht. Entfernung zur Elsenbrücke: sechs Kilometer.
KLEINE HISTORIE
Und wer war noch mal dieser Elsen?
Frau Elsen? Herr Elsen? Kleines Berlin-Wissen für Langeweile im Stau: Namensgeber ist – ein Birkengewächs. Das steht im Berliner Straßenlexikon Kauperts: „Ellern, Elsen, andere Bezeichnung für Erlen, Birkengewächse.“ Und jener kleine Wald, der sogenannte Elsenbusch, befand sich nahe dem viel bekannteren Schlesischen Busch, wo heute noch der markante DDR-Grenzturm zwischen Treptow und Kreuzberg steht.
Der Berlin-Monitor zeigt Ihre Meinung zu den großen Themen der Hauptstadt. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.
+++
Kostenlos und komplett unsere Bezirksnewsletter lesen
Von Treptow-Köpenick über Friedrichshain-Kreuzberg bis raus nach Spandau: Einmal pro Woche bieten wir Ihnen gebündelt den Tagesspiegel-Bezirksnewsletter "Leute", Bezirk für Bezirk. Kostenlos und einfach bestellen unter www.tagesspiegel.de/leute