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Schwer zu erklären: Schulsenatorin Scheeres (SPD) musste ihre Position zum Präsenzunterricht aufgeben.
© imago images/Christian Ditsch

Corona-Chaos im Berliner Senat: War’s das jetzt für Schulsenatorin Scheeres?

In der Pandemie werden Fehler gemacht, aber wie viele dürfen es sein? Giffeys Eingreifen in die Senatspolitik ist eine Zäsur - auch für den Regierenden Müller.

Unter normalen Umständen wär’s das jetzt gewesen – für die Bildungssenatorin, aber auch für den Regierenden Bürgermeister. Denn diese Woche markiert einen neuen Tiefpunkt in der desolaten Schulpolitik, und sie endet mit einer Zäsur: Die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey übernimmt die Richtlinienkompetenz.

Giffey setzte durch, wozu Sandra Scheeres und Michael Müller nach Tagen des politischen und kommunikativen Durcheinanders allein nicht mehr fähig oder willens waren: die Schulen in der kommenden Woche geschlossen zu halten – angesichts der Corona-Lage die einzig verantwortbare Entscheidung.

Aber die Umstände sind nicht normal, und sie sind, was politische Konsequenzen betrifft, mildernd. Das wissen auch jene, die dem Schlingerkurs den Weg bereitet haben, jetzt damit aber nichts mehr zu tun haben wollen. In dieser Pandemie werden Fehler gemacht, und die Folgen jedes Handelns und jedes Unterlassens können fatal sein. Auch Giffey drängte noch am vergangenen Mittwoch darauf, Kitas und Schulen so schnell wie möglich zu öffnen. Dafür gibt es grundsätzlich gute Gründe: pädagogische und soziale.

Eine absurde Idee - und zunehmender Protest

Aber Giffey erkannte, anders als Scheeres und Müller, dass jetzt der falsche Moment dafür ist, aus pandemischen und politischen Gründen. Die Zahl der Erkrankten steigt, es grassiert eine hoch ansteckende Virusmutation, die Intensivstationen sind am Limit – aber der Senat will zurück zur Präsenzpflicht? Eine absurde Idee, gegen die immer mehr Eltern und Schulen zu Recht revoltierten.

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Eine Woche Hin und Her

Hunderttausende sind in Berlin von der Schulpolitik direkt betroffen, sie sind angewiesen auf klare Informationen. Was sie vom Senat in dieser Woche bekamen, ist eine Verheerung: Am Montag stimmte Scheeres mit der Kultusministerkonferenz für die schnelle Öffnung der Schulen.

Am Dienstag nannte Müller Schulöffnungen vom 11. Januar an „ein Abenteuer“, das alle Erfolge der vergangenen Wochen infrage stellen und deshalb auch „kein Ministerpräsident eingehen“ würde. Am Mittwoch beschloss der Senat die Rückkehr zum Präsenzunterricht von Montag an.

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Nach der Senatssitzung erklärte der Regierende Bürgermeister dennoch für Berlin die Übernahme der Beschlüsse aus der Merkel-Runde: „Die geltenden Maßnahmen werden vorerst bis 31. Januar verlängert“ – in Bezug auf die Schulregeln eine glatte Fehlinformation. Am Donnerstag verteidigte Müller die Schulöffnungen im Abgeordnetenhaus als „mustergültig“ und „beispielhaft“. Am Freitagabend teilt der Senat den Schulen mit, dass der Präsenzunterricht wieder abgesagt ist.

Statt des formal regierenden Bürgermeisters erklärt Giffey den vorläufigen Schlusspunkt der Geschichte: „Bei allem richtigen Bemühen um Bildungsgerechtigkeit darf die Rückkehr zum Präsenzunterricht nicht vorschnell erfolgen. Wir müssen jetzt konsequent und verantwortungsvoll handeln und den Gesundheitsschutz an oberste Stelle setzen.“

Müller, der über Monate leidenschaftlich an die Berlinerinnen und Berliner appelliert hatte, eigenverantwortlich zu handeln, und dessen Worte das jetzt hätten sein müssen, schweigt. Scheeres, die wie der Regierende Bürgermeister bereits vor längerer Zeit ihren Abschied aus dem Senat für diesen Herbst angekündigt hatte, beharrt: „Es ist kein Chaos.“

Ob Rücktritt oder nicht: Am Ende dieser Woche endete auch eine Ära. Der Rest ist politische Agonie.

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