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Vor Gericht (Symbolbild).
© dpa

Prozess am Landgericht Berlin: War es eine strafbare Sterbehilfe?

Eine unheilbar kranke Frau nahm sich vor fünf Jahren das Leben. Ihr Hausarzt soll sie dabei unterstützt haben. Nun steht er wegen „Tötung auf Verlangen durch Unterlassen“ vor Gericht.

Der Arzt hatte aus der Überdosis an Schlaftabletten, mit der sich eine Patientin umgebracht hatte, keinen Hehl gemacht. Er vermerkte auf dem Leichenschauschein zwar „natürliche Todesursache“, setzte aber den Angaben zufolge den Hinweis „Tablettenintoxikation“ hinzu. Er hatte der 44-Jährigen, die unheilbar erkrankt war und unter Schmerzen litt, kurz zuvor ein Privatrezept ausgestellt und ihr starke Schlaftabletten verschrieben – in Kenntnis ihrer Absichten. Fünf Jahre später hat nun gegen den Arzt ein Prozess vor dem Berliner Landgericht begonnen.

War es eine strafbare Sterbehilfe? Die Anklage lautet auf „Tötung auf Verlangen durch Unterlassen.“ Der damalige Hausarzt sei von der Patientin über die Einnahme der Überdosis per SMS informiert worden. Er habe sie daraufhin in ihrer Wohnung aufgesucht und „tief komatös“ vorgefunden. Er habe „keinerlei ihm mögliche Rettungsbemühungen unternommen", so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Sterbehilfe - ein umstrittenes Thema

Großer Medienandrang herrschte zu Prozessbeginn am Donnerstag. Schließlich geht es um das umstrittene Thema der Sterbehilfe. Für den Angeklagten Christoph T. erklärte einer seiner Anwälte, das Verfahren könnte richtungsweisend ausfallen. Er erwarte einen Freispruch. „Wir würden bis zum Bundesgerichtshof gehen.“

Der Mann auf der Anklagebank wirkte ruhig und sehr konzentriert. Vor den Richtern erklärte Christoph T.: „Als Arzt bin ich nicht berechtigt, eine Zwangsbehandlung gegen den Willen eines Patienten durchzuführen.“ Die 44-jährige Frau, eine Arzthelferin, sei schwer und unheilbar krank gewesen. „Sie wollte sterben.“ Für ihn, bei dem die Frau jahrelang in Behandlung war, habe es keine Zweifel gegeben. Es sei ein „ernsthafter Entschluss eines voll entscheidungsfähigen Menschen“ gewesen. Er habe sich „in ethischer und moralischer Hinsicht richtig verhalten“.

Indirekte Sterbehilfe

Das Verfahren gegen den Arzt ist so umstritten wie das Thema insgesamt. Eine andere Strafkammer des Berliner Landgerichts hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Kammergericht diesen Beschluss auf und ordnete einen Prozess vor einer anderen Strafkammer an.

Vor der Saaltür sagte der Arzt, er finde den Vorwurf absurd. Die Patientin sei in allergrößter Not gewesen. Sie habe zuvor fünf Mal versucht, sich das Leben zu nehmen und zuletzt auch gedroht, sich vor eine S-Bahn zu werfen. Er habe die Patientin in dieser Situation nicht allein gelassen. Zuvor habe er ausführliche Gespräche mit ihr geführt. „Eine Suizidabsicht muss gründlich hinterfragt werden.“ Es sei eine große Bürde. Der Vorwurf gegen ihn sei „in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unbegründet“.

Indirekte Sterbehilfe ist zulässig und liegt vor, wenn etwa ein Arzt einem Todkranken mit dessen Zustimmung schmerzlindernde Medikamente gibt, die als Nebenwirkungen das Sterben beschleunigen. Als passive Sterbehilfe gilt der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen – etwa durch das Abschalten eines Beatmungsgerätes bei einer tödlich verlaufenden Erkrankung – wenn eine entsprechende Willenserklärung des Patienten vorliegt oder von Angehörigen glaubhaft nachgewiesen werden kann. Aktive Sterbehilfe ist jedoch strafbar.

Die Patientin sei nicht unmittelbar nach der Einnahme der tödlichen Dosis gestorben, sagte die Staatsanwältin am Rande der Verhandlung. Drei Tage habe es gedauert. Der Angeklagte, der Schlüssel zur Wohnung der 44-Jährigen hatte, habe mehrfach nach der komatösen Frau gesehen. Weil die Patientin bewusstlos war, hätte er Maßnahmen einleiten müssen, so die Staatsanwältin. Es sei im Prozess auch zu klären, „ob es Unterlassen oder aktives Tun war“. Die Verhandlung wird am 15. Januar fortgesetzt.

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