Berliner Untersuchungsausschuss: War die Rigaer Straße wichtiger als Amri?
Bei der Vernehmung eines LKA-Mitarbeiters steht ein Vorwurf im Raum: Beamte sollten die Autonomenkneipe räumen statt den späteren Attentäter zu observieren.
Noch ist es ein Verdacht: Sind Beamte des Landeskriminalamtes im Sommer 2016 von der Observierung des späteren Attentäters Anis Amris abgezogen worden, weil die Autonomenkneipe „Kadterschmiede“ in der Rigaer Straße geräumt wurde? Zumindest liegt das aus Sicht der Grünen und Linken im Amri-Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses nahe.
Laut Benedikt Lux (Grüne) hat der frühere Vize-Chef der Mobilen Einsatzkommandos, als Zeuge erklärt, dass Amri ab 15. Juni 2016 nicht mehr beobachtet worden sei, weil die Rigaer Straße 94 dann Priorität gehabt habe. Dort war die Kadterschmiede am 22. Juni 2016 geräumt worden, was rechtswidrig war, wie gerichtlich festgestellt wurde. Ex-Innensenator, Frank Henkel (CDU), wollte mit dem Vorgehen ein klares Zeichen setzten – drei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl.
Nicht alle teilen den Eindruck
Bislang war unklar, warum die Observationsteams, die unter Personalmangel leiden, von dem Tunesier abgezogen wurden. Die Staatsanwaltschaft hatte angeordnet, Amri, der im Februar 2016 in Berlin angekommen war, bis Mitte Oktober zu beobachten. Doch über den Stopp der Observierung informierte das LKA die Staatsanwaltschaft nicht, die fragte auch nicht nach.
Obwohl Amri regelmäßig die Fussilet-Moschee, ein Salafisten-Treffpunkt, besuchte, wurde sein Gefährderstatus im August 2016 herabgestuft. Er sollte wegen Drogenhandels im Blick behalten werden. Ohne Observierung konnte er nicht auf frischer Tat gestellt werden. Am 19. Dezember 2016 tötete er zwölf Menschen.
Nicht alle Abgeordneten des Untersuchungsausschusses teilen den Eindruck, den Lux von der Vernehmung des MEK-Beamten hatte. Frank Zimmermann (SPD) sagte, er halte es für „sehr weit hergeholt“, dass Observierungsteams für die Rigaer Straße von Amri abgezogen wurden. Dafür gebe es nach der Aussage eines Beamten keine belastbaren Anhaltspunkte.
Politischer Druck "von oben"
Stephan Lenz (CDU) sagte, er sei nicht mit Eindruck wie Lux aus der Sitzung gekommen. Er wolle zwar nichts ausschließen, man müsse jedoch vorsichtig sein. Marcel Luthe (FDP) hält nichts von Lux’ Verdacht: Es gebe mehrere MEK-Trupps und auch Reserveeinheiten.
Die Polizei wollte sich nicht offiziell äußern. Aus Polizeikreisen heißt es, der von Lux vorgebrachte Verdacht sei realistisch. Es habe politischen Druck „von oben“ gegeben. Hakan Tas (Linke) erklärte, es sei bekannt, dass bei dem Einsatz in der Rigaer Straße MEK-Beamte dabei waren. Der Ausschuss werde nochmals Henkel befragen. Lux sagte außerdem, es gehe um die Frage, ob der Anschlag eine nicht absehbare Folge falscher politischer Schwerpunktsetzung gewesen sei.
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