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U-Bahn-Fahrgäste drängen sich am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin.
© picture alliance / Hauke-Christian Dittrich

Stau, Schäden, Chaos: Wann bekommt Berlin endlich eine funktionierende Verkehrslenkung?

Der öffentliche Nahverkehr kollabiert, Autos stauen sich und nun auch noch Tempo 30: Berlin muss aus den Ansätzen der Verkehrslenkung ein Konzept machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

In Berlin begann das Suchen dieses Jahr schon vor Ostern – die Frage war: Wo ist der Weg zum Ziel? Stadtweit kollabierte die S-Bahn, gleichzeitig startete die BVG unkoordiniert Bauarbeiten und sperrte ganze Streckenabschnitte der U-Bahn. Die Ersatzbusse fuhren ungewohnte Routen, etliche blieben im Stau stecken, andere ließen an den Haltestellen niemanden einsteigen. Im Süden der Stadt wurde wegen eines Wasserrohrbruchs sogar ein Ersatzverkehr für den Ersatzverkehr eingerichtet.

Wegen der Unzulänglichkeiten im ÖPNV und des nasskalten Wetters wichen viele nicht aufs Fahrrad aus, sondern aufs Auto und steckten ebenfalls fest: Auf der Stadtautobahn legte mal wieder ein defekter Gullideckel den Verkehr lahm, lange Staus und Wartezeiten waren die Folge. Die Suche nach einem Umweg führte in verstopfte Nebenstraßen.

Die Verantwortlichen reagieren auf bekannte Art und Weise: Erst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu. Das Fahrrad ist für viele auch kein Ausweg aus der Misere. Noch immer sind viele der schlimmsten Gefahrenstellen nicht entschärft. Staatssekretär Christian Gaebler bittet um Geduld: „Wir arbeiten dran, besser zu werden.“ Und es stimmt ja auch: Vieles, was da nicht läuft, ist eine Folge der Sparpolitik in den Nullerjahren. Die Infrastruktur zu ertüchtigen, braucht Zeit, das gilt für Straßen und Radwege ebenso wie für Züge.

Die einzelnen Teile zusammenfügen

Aber es ist eben nicht nur das Schicksal, das die Mobilität der Menschen erschwert. Seit Jahren leistet sich der Senat eine Behörde, deren Name für viele wie eine Verhöhnung ihrer täglichen Leiden wirkt: die sogenannte Verkehrslenkung. Gerade teilte die VLB dem Bezirksamt Zehlendorf auf einen zehn (!) Jahre alten Beschluss zur Verbesserung einer Verkehrsführung mit, dass Anträge „bis auf Weiteres“ nicht bearbeitet werden, „um notwendige Arbeitsressourcen in andere Bereiche investieren zu können“ – vermutlich in die Suche nach einem Chef, denn der Posten ist schon wieder vakant.

Nur Ansätze eines Konzepts sind bisher zu erkennen. Nach Ostern nimmt einer davon Gestalt an, in Form eines Verkehrsschilds mit einer „30“. Auf der stark mit Schadstoffen belasteten Leipziger Straße beginnt ein Modellversuch zur Temporeduzierung, der noch im Laufe des Jahres über den Potsdamer Platz hinaus bis tief nach Schöneberg verlängert wird; auch die Kantstraße und der Tempelhofer Damm werden gedrosselt. Das Ziel ist ein besserer Verkehrsfluss und eine deutliche Schadstoffreduzierung. Doch Tempo 30 alleine ist noch keine Politik. Für fließenden Verkehr braucht es mehr, zum Beispiel eine funktionierende Verkehrslenkung; und damit die Schadstoffe nicht nur anders verteilt werden, müssten mehr Menschen ganz aufs Auto verzichten. Doch wo sollen sie hin? In die anfälligen und ohnehin schon übervollen Busse und Bahnen? Auf die Fahrräder, auch im Wintermatsch, mit Gepäck, auf längeren Wegen und trotz der lebensgefährlichen Strecken?

Die Kunst der Verkehrspolitik besteht darin, die einzelnen Teile zusammenzufügen und attraktive Alternativen anzubieten. Anstatt in Restriktionen zu denken, muss deshalb mehr Energie in Ideen fließen, die den Verkehr intelligent vernetzen und so insgesamt ökonomischer und ökologischer machen. Anderswo werden solche Smart-City-Konzepte längst ausprobiert. Aber Berlin steht weiter im Stau – und manchmal auch auf der Leitung.

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