Panda-Nachwuchs im Berliner Zoo: Von haarlosen Hamstern zur Besucherattraktion
Die Kleinen wiegen um die 100 Gramm und sind blind - noch. Vielleicht kann man sie schon ab November in Berlin bestaunen. Eigentlich gehören sie aber China.
Bis jetzt kann man die Pandas in den Bären noch nicht erkennen. Die Bilder erinnerten selbst Zoodirektor Andreas Knieriem eher an haarlose Hamster: rosa und noch ziemlich zerknautscht. In ein paar Wochen soll aber die typische Färbung und auch das Knuddelgesicht kommen, verspricht er.
Denn Muttertier Meng Meng hat Samstagnacht Nachwuchs zur Welt gebracht, und zwar gleich doppelt. Das hat der Zoo Berlin heute mitgeteilt.
Am Panda Garden war denn auch großes Gedränge. Spanisch, Englisch, Chinesisch, Deutsch ging es durcheinander. Medienvertreter aus allerlei Ländern bestürmten Zoodirektor Andreas Knieriem mit Fragen. Eigentlich nachwuchstypisch.
Ob Mutter und Kinder wohlauf sind, Geburtstermin, Gewicht, Name, Geschlecht und so weiter. Knieriem arbeitete geduldig die Reihe ab. Hatte aber auch noch nicht alle Antworten.
„Meng Meng und ihre beiden Jungtiere haben die Geburt gut überstanden und sind wohlauf“, erklärte Zoodirektor Andreas Knieriem. „Obwohl es der erste Nachwuchs für unsere junge Panda-Dame ist, kümmert sie sich vorbildlich.“ Name und Geschlecht wisse man noch nicht. Der Name wird wohl chinesisch sein – so wie bei den Eltern Meng Meng (Träumchen) und Jiao Qing (Schätzchen).
Vom Inkubator auf die Brust und umgekehrt
Viel Arbeit, wenig Schlaf – so beschreibt der Reviertierpfleger für Raubtiere, Norbert Zahmel die letzten zwei Tage. „Und mit viel Spannung“, sagt er. Zum Glück gibt es Starthilfe: Seit zwei Wochen sind zwei chinesische Expertinnen – eine Tierärztin und eine Pflegerin – in Berlin, um die Zoo-Mitarbeiter mit ihrer Erfahrung zu unterstützen. Denn für Berlin, überhaupt Deutschland, ist es der erste Pandanachwuchs. Alle sind furchtbar aufgeregt.
Deshalb haben sie sich jetzt die Aufgaben aufgeteilt. Wären die Berliner sich um Meng Meng kümmern, umsorgen die Chinesinnen den zierlichen Nachwuchs. Mit 186 und 136 Gramm ist der Nachwuchs sogar ungewöhnlich proper ausgefallen. Bei der Geburt wiegen die ein bis drei völlig hilflosen Jungtiere nur um die 100 Gramm und haben kaum Fell. Ausgewachsen sind die Bambusbären dann zwischen 70 und 120 Kilogramm schwer.
Und Umsorgen, das heißt vor allem: Jungtierwechsel. „Man muss nur den richtigen Zeitpunkt abpassen, wo sie in einer günstiger Position sitzt“, erklärt Norbert Zahmel. Meng Meng ablenken, unter der Achsel durchgreifen, vorsichtig vortasten, das Jungtier greifen.
Dann schnell das andere auf die Brust, wäre das eine in den Inkubator kommt. Der Wechsel erfolgt alle zwei Stunden. Bis jetzt klappt alles erstaunlich gut. Normalerweise erwartet man bei Raubtieren ja vehemente Abwehr und aggressiven Mutterschutz für den Nachwuchs.
Dass sich die Mutter um zwei Babys kümmert, ist ungewöhnlich
Offenbar haben sie mit Meng Meng Glück gehabt. Die Panda-Mutter ist bislang ganz gemütlich. „Ganz rührselig“, sagt Zahmel, kümmert sie sich. Auf Videos war zu sehen, wie sie ein rosa Jungtier erst vorsichtig mit den Zähnen greift und auf den befellten Bauch legt, ehe sie es mit der Zunge immer wieder abschleckt.
Die Fürsorge stimmt also. Was sie im Zoo auch erleichtert: Meng Meng hat genug Milch für beide Tiere, bis jetzt jedenfalls. „Und sie kümmert sich fantastisch, hat sofort von Meng Meng auf Mama umgestellt“, berichtet Norbert Zahmel. In der Natur ist das ungewöhnlich: Eigentlich sucht sich die Mutter bei Mehrlingsgeburten nur ein Tier aus, was sie durchbringt. Für zwei reicht die Energie nicht – Bambus ist zu nährstoffarm. Deswegen fressen erwachsene Pandas zwischen zehn und 20 Kilogramm von dem Süßgras am Tag.
Eine Handaufzucht soll vermieden werden. Deshalb bekommt Meng Meng jetzt alles, was sie will, um wieder zu Kräften zu kommen. Neben ihrem Lieblings-Bambus und Sprossen stehen Panda-Kekse auf dem Speiseteller: „Das sind wahre Energiebomben aus Roter Beete, Süßkartoffel und Getreide“, erklärt Reviertierpfleger Norbert Zahmel. Dazu gibt es Honigwasser.
Und Medizin-Checks alle paar Stunden. Temperaturmessen, Wiegen, Nabelpflege. Auch Kot- und Urin werden mehrfach täglich getestet. Impfungen müssen noch warten, dafür sind die Tiere noch zu klein, heißt es. Aber sie legen täglich an Gewicht zu. „Bären wachsen bekanntermaßen sehr schnell“, sagt Zoodirektor Knieriem.
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Vielleicht gibt es bald den ersten öffentlichen Auftritt
Läuft die Entwicklung nach Plan, könnten die Mini-Bären sich im November schon der Öffentlichkeit präsentieren – dann auch mit der pandatypischen Fellzeichnung in Schwarz-Weiß. Zwei bis drei Monate dauert es in der Regel bis die Tiere halbwegs selbständig sind. Jetzt, kurz nach der Geburt, sind sie noch blind und vollkommen hilflos.
Bis auf Weiteres sind Meng Meng und ihre Babys deshalb auch nicht für die Zoo-Besucher zu sehen - im Gegensatz zu Panda-Papa Jiao Qing. Der hat mit dem Nachwuchs nichts zu tun – weiß laut Zoodirektor Knieriem noch nicht einmal von den Vaterfreuden. Stattdessen mampft er, stellvertretend für seine Art, im Gelände Bambus für die Kameras. „Er hat kein Interesse, spielt aber auch biologisch keine Rolle. All das ist bei Mama. Er hat seine Pflicht vor fünf Monaten getan“, sagt Andreas Knieriem mit einem Augenzwinkern.
Bei der Paarung der beiden noch unerfahrenen Bären hatte der Zoo im April nachgeholfen. Männchen Jiao Qing hatte zunächst wenig Interesse gezeigt. Als es dann doch noch für sieben Versuche Verpaarung reichte, wollten sie im Zoo auf Nummer sicher gehen.
Panda-Weibchen können nur einmal im Jahr in einem Zeitraum von bis zu 72 Stunden befruchtet werden. Nachwuchs gelingt deshalb in der Regel nur alle zwei bis drei Jahre. Unter Aufsicht und in Rücksprache mit China wurde noch einmal künstlich besamt. „Was am Ende der Treffer war, wissen wir nicht. Ist aber auch egal“, meint Norbert Zahmel.
Jährlich eine Million Dollar für die Pandas
Meng Meng (6) und Jiao Qing (9) leben seit 2017 im Zoo Berlin und sind die einzigen Pandas in Deutschland. Die beiden Bären sind vom chinesischen Staat aber nur eine Leihgabe. Insgesamt dürfen sie 15 Jahre in der Stadt bleiben - dafür zahlt der Zoo jährlich eine Million US-Dollar.
Das Geld wird nach Zooangaben vollständig für Artenschutzprojekte verwendet. Denn Große Pandas sind in Chinas Bergwäldern beheimatet, dort aber wegen der fortschreitenden Zerstörung ihres Lebensraums bedroht. In der freien Wildbahn sind die Bären mit weniger als 2000 Exemplaren als gefährdet eingestuft.
Auch für den Berliner Bärennachwuchs dürfte jetzt noch einmal ein Betrag fällig werden – denn er gehört qua Vertrag, ebenso wie die Panda-Eltern dem Staat China. Deshalb dürfen die Bärenkinder er wohl auch nicht dauerhaft bleiben.
Laut Andreas Knieriem würde er aber zwei bis vier Jahre in Berlin bleiben: „Auch im natürlichen Lebensraum gehen Jungtiere und Mütter irgendwann getrennte Wege – Pandas sind ja Einzelgänger. Das wäre auch der Zeitpunkt, an dem der Nachwuchs voraussichtlich nach China zieht.“
Bis dahin könnte der Zoo vom Flausch in Schwarz-Weiß profitieren - so, wie im Tierpark Eisbärmädchen Hertha seit dem Frühjahr die Besucher anlockt. Die ersten Pandas hatte der Zoo Berlin schon 1980 von der Volksrepublik China erhalten. Bao Bao (Schätzchen) und Tian Tian (Himmelchen) waren damals noch Wildfänge. Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte sich eigens für das Staatsgeschenk eingesetzt.