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Senatschef Michael Müller schneidet die Geburtstagstorte an. Mit dabei waren Zoo-Direktor Andreas Knieriem und Müllers Amtsvorgänger Klaus Wowereit, Eberhard Diepgen und Walter Momper.
© RubyImages/F. Boillot

Von Knautschke bis Knut: Ein Rückblick auf 175 Jahre Berliner Zoo

Die Berliner Institution wurde mit einer königlichen Spende aufgebaut, überstand zwei Weltkriege und die Teilung. Jetzt feiert der Zoo mit einer Riesentorte.

Einhundertfünfunsiebzig Jahre – das ist eine lange Zeit, in der der Zoo Berlin immer wieder zum Spiegelbild der jeweiligen historischen Epoche wurde und das Schicksal seiner Stadt teilte. Ein Streifzug durch seine wechselvolle Geschichte.

1844 bis 1870: Aller Anfang ist schwer

Am 1. August 1844 öffnete der Zoo unter Gründungsdirektor Martin Hinrich Lichtenstein mit Genehmigung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. als erster Zoo Deutschlands. Der König hatte das Gelände seiner Fasanerie im Tiergarten und einige Tiere gespendet – wie viele genau, ist bis heute nicht klar. Bei der Öffnung müssen es knapp hundert gewesen sein. Damals befand der Zoo sich noch außerhalb der Stadt, am südwestlichen Rand des Tiergartens – weshalb er bei seiner Eröffnung auch „Zoologischer Garten bei Berlin“ genannt wurde.

1870 bis 1913: Konzerte, Kolonialismus

Anfangs nahmen die Berliner den Zoo noch nicht so recht an. Das änderte sich aber mit der Zeit: Mit der Stadt Berlin wuchs in den Folgejahren auch die Bedeutung des Zoos. Er wurde immer mehr zu einem Erholungsort für das gehobene Publikum. Erst Droschken, dann Pferdestraßenbahn und Dampfbahn brachten die Städter zum Zoo. Neue Gehege und stilisierte Bauten als Tierhäuser entstanden in der Gründerzeit. Auch der Garten, der zum Flanieren einlud, wurde fortwährend neugestaltet. Das Antilopenhaus aus dieser Zeit steht noch heute.

Das Antilopenhaus aus dem Jahr 1872 ist das älteste noch heute erhaltene Gebäude auf dem Gelände.
Das Antilopenhaus aus dem Jahr 1872 ist das älteste noch heute erhaltene Gebäude auf dem Gelände.
© Zoo Berlin

Mit klassischen Konzerten, die auf die Gelände lockten, hielt allerdings auch der Kolonialismus Einzug. In sogenannten Völkerschauen wurden indigene Menschen aus aller Welt ausgestellt. Forscher wie etwa Rudolf Virchow von der Charité, Begründer der Berliner Anthropologischen Gesellschaft, legitimierten diese wissenschaftlich. Sie untersuchten an den Menschen den vermeintlichen Entwicklungsstand der jeweiligen Rassen. Zwischen 1878 und 1930 wurden unter anderem „Eskimos“ und „Nubier“ ausgestellt – teilweise auch mit Tieren aus der jeweiligen Weltregion.

1913 bis 1922: Krieg und Wirtschaftskrise

1913 eröffnete am 18. August das Aquarium Berlin. Die erste Füllung der Salzwasserbecken erfolgte mit Nordseewasser. Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, hatte der Zoo 3500 Tiere. Der Krieg aber machte dem Zoo zu schaffen. 50 Mitarbeiter wurden eingezogen. Die Militärkapellen entfielen in der Konzertsaison, die Besucherzahl sank. Auch der Futternachschub war schwierig. Beinahe ging der Zoo pleite. 1922 schloss er in der Folge der Hyperinflation sogar für ein halbes Jahr. „Ersetzbare“ Tiere wurden geschlachtet, um die wertvolleren zu füttern.

1922 bis 1932: Stabilisierung und Streichelzoo

Erst in den 1920er Jahren ging es wieder aufwärts, nachdem sich die Währung stabilisiert hatte. Immer mehr Freianlagen wurden gebaut und ersetzten zunehmend Gitterstäbe. Neue Tiere kamen durch Fang-Expeditionen und Zuchterfolge in den Zoo, 1928 etwa Gorilla „Bobby“ – er schmückt noch heute das Zoo-Logo. Im Sommer 1931 wurde zum ersten Mal ein Tierkinderzoo in der Sommersaison gezeigt. Heimische Haustiere, aber auch junge Bären, konnten gestreichelt und gefüttert werden. Die Institution hält sich bis heute – auch wenn der Streichelzoo inzwischen Ziegen, Schafe und Ponys beherbergt und nicht mehr Wildtierjunge.

Gorilla Bobby ist bis heute im Zoo-Logo zu sehen.
Gorilla Bobby ist bis heute im Zoo-Logo zu sehen.
© Zoo Berlin

1933 bis 1938: Unterm Hakenkreuz

Schon im Mai 1933 führte der Zoo eine Ermäßigung für Mitglieder von NS-Organisationen ein. Zwischen 1933 und 1937 wurden jüdische Mitglieder aus dem Aufsichtsrat gedrängt. Ab 1939 waren auch jüdische Besucher unerwünscht. Zoodirektor Lutz Heck stellte Reichsminister Hermann Göring junge Löwen als Haustiere zur Verfügung. Göring bedankte sich wiederum mit einer Erweiterung des Geländes. Auf diesem eröffnete 1937 ein „deutscher Zoo“ mit vorgeblich „deutschen“ Tierarten.

1938 bis 1945: Zweiter Weltkrieg

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nahm zunächst keinen Einfluss auf den Zoo-Alltag. Unter dem Schutz von Hermann Göring blieb er wie Museen und Theater geöffnet. Das Futter wurde allerdings rationiert. Einige Tiere wurden Einheiten der Wehrmacht als Maskottchen mitgegeben. Luftschutzbunker entstanden auf dem Gelände. In den Anfangsjahren kamen polnische und französische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter zum Einsatz, später auch Italiener und zeitweise Kriegsgefangene aus der Sowjetunion. 1943 ließ der Zoo Tiere in weniger gefährdeten Zoos unterbringen – teilweise kamen Tiere auch bei Privatleuten unter. Bei einem Luftangriff im November 1943, der auch die Gedächtniskirche traf, wurde der Zoo stark zerstört. Ein Drittel der Tiere, darunter sieben Elefanten, starben in den Flammen. Das Aquarium wurde durch eine Sprengbombe mitten in die Krokodilhalle getroffen – fast alle Tiere verendeten. Im Februar 1944 starben bei weiteren Angriffen erneut Tiere. Dennoch eröffnete der Zoo im Juli 1944 noch einmal zu seinem 100. Geburtstag. Im April 1945 schloss er endgültig. Direktor Lutz Heck, der sich den Nazis angedient hatte, verschwand mit der Zookasse nach Süddeutschland.

1945: Aus den Trümmern

Schon am 1. Juli 1945 öffnete der Zoo erneut. Die Trümmer wurden erst nach und nach geräumt. Nur 91 Tiere hatten überlebt – darunter Flusspferd Knautschke, der über Jahre zum Publikumsliebling wurde. Diebstähle und Tierschlachtungen machten dem Zoo zunehmend zu schaffen. Die verbliebenen Tiere wurden mit Laub und Küchenresten, teils auch Pferdekadavern, am Leben gehalten. Dennoch versuchte Katharina Heinroth als neue Direktorin schnell den Bestand zu erhöhen und mit dem Wiederaufbau zu beginnen. 1954 eröffnete sie ein neues Elefantenhaus, bis 1959 auch alle Aquariumsetagen.

Flusspferd Knautschke brachte Bürgerinnen und Bürger durch die schwere Nachkriegszeit.
Flusspferd Knautschke brachte Bürgerinnen und Bürger durch die schwere Nachkriegszeit.
© Zoo Berlin

1955 bis 1989: Konkurrenz im Kalten Krieg

Mit den Alliierten und der Teilung der Stadt kam allerdings auch Konkurrenz. Am 2. Juli 1955 eröffnete im Osten der Tierpark. In der Folge nutzten Ost wie West die Konkurrenz als Argument bei der Politik für Investitionen. Ein Wettrüsten auf Zoo-Ebene. So wurde im Zoo unter Heinz-Georg Klös etwa das Affenhaus ausgebaut, während im Tierpark mangels Material Freianlagen entstanden. Dem Zoo half der Mauerbau 1961 in gewisser Weise sogar: Die Westberliner waren vom Grün außerhalb der Stadt abgeschnitten – der Zoo wurde zum „Notausgang in die Natur“, zu einem grünen Zufluchtsort inmitten der Großstadt. Außerdem profitierte er von Gastgeschenken. So brachte Robert Kennedy 1962 einen Weißkopfseeadler bei einem Berlin-Besuch mit, Helmut Schmidt vermittelte 1980 zwei Pandas aus China, und 1984 holte Helmut Kohl Komodowarane aus Indonesien. Außerdem entstanden die Felsenanlagen für Bären und das Raubtierhaus.

1990 bis 2000: Zwei Zoos, eine Stadt

Nach der Wiedervereinigung versuchten sich auch die Zoos der Hauptstadt anzunähern. Im August 1990 schlossen beide einen Kooperationsvertrag, darin vereinbarten sie, ihren jeweiligen Charakter zu bewahren: hier der Innenstadtzoo mit seinen stilisierten Tierhäusern, dort der Lichtenberger Tierpark mit seinem weitläufigen Landschaftsbild. Selbst die finanziellen Schwierigkeiten konnte der Tierpark weitestgehend überwinden. Inzwischen bekommt er lediglich einen Betriebskostenzuschuss, während der Zoo sich selbst trägt.

2000 bis heute: Knut und die Pandas

Zum Erfolg trugen nach 2000 auch neue Lieblinge bei. Unvergessen bleibt Eisbär Knut, der am 5. Dezember 2006 geboren wurde. Er löste einen Medienhype aus und zog bis zu seinem Tod 2011 unzählige Besucher an.

„Darf ich mit unter die Decke?“ Einmalig ist der Hype, der um Eisbär Knut entstand.
„Darf ich mit unter die Decke?“ Einmalig ist der Hype, der um Eisbär Knut entstand.
© Kitty Kleist-Heinrich

Seit 2017 begeistern die Pandas Meng Meng und Jiao Qing die Zoo-Gäste.

Publikumsliebling: Panda Jiao Qing beim Verspeisen seiner Geburtstagstorte aus gefrorenem Obst und Gemüse.
Publikumsliebling: Panda Jiao Qing beim Verspeisen seiner Geburtstagstorte aus gefrorenem Obst und Gemüse.
© REUTERS

Heute kommen jährlich 3,5 Millionen Besucher in den Zoo. Damit das auch künftig so bleibt, wird aktuell wieder viel gebaut: Das Raubtierhaus erhält eine Komplettsanierung. Im kommenden Jahr soll dann die Nashornpagode folgen.

Zusammengestellt von Anne Armbrecht. Aus: „Hauptstadt der Tiere: Die Geschichte des ältesten deutschen Zoos“, von Clemens Maier-Wolthausen, 2019 Berlin, Ch. Links Verlag.

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