Bienen in Berlin und Brandenburg: Viele Bienenvölker durch Schädlinge vernichtet
Der Frühling ist da und die Sonne scheint. Perfekte Bedingungen für Bienen. Eigentlich. Denn seit Jahren gefährdet die Varroamilbe heimische Bienenvölker. In Berlin rechnet man seit letztem Winter mit 20 Prozent Verlust.
Sie ist nur 1,1 Millimeter lang und 1,6 Millimeter breit, hat einen festen Rückenschild, sieht ein bisschen aus wie ihre größere Verwandte, die Zecke – und gilt als Biest im Bienenstock. Die Rede ist von der Varroamilbe, dem ärgsten Feind der Honigbienen. Dieses Jahr sind die Verluste in den Bienenstöcken Brandenburgs offenbar besonders hoch. Bis zu 30 oder sogar 40 Prozent der Völker könnten durch die Parasiten im vergangenen Herbst und Winter vernichtet worden sein, befürchtet der Landesverband der Imker. Exakte Zahlen liegen zwar erst Anfang April vor. „Es sieht aber nicht gut aus“, sagt Verbandsvorsitzende Lothar Lucke.
Etwas besser als die märkischen Immen sind offenbar die Bienenvölker Berlins über den Winter gekommen. Dort rechnet man mit bis zu 20 Prozent Verlusten. Ein Ausmaß, das Berlins Imker seit langem alljährlich im Frühjahr „leider hinnehmen müssen“, wie Franz Bertsch vom größten Imkerverein der Stadt im Bezirk Steglitz sagt. In Brandenburg lagen die Verluste im Frühjahr 2016 gleichfalls noch knapp unter der 20 Prozentmarke.
Im Land Brandenburg gibt es rund 2500 Imker mit insgesamt etwa 22.000 Bienenvölkern. In Berlin hat die Leidenschaft fürs Imkern in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen ergriffen, Inzwischen haben die 16 Imkervereine Berlins rund 1000 Mitglieder. Sie betreuen mehr als 5000 Völker, die in Gärten, auf Terrassen, Flachdächern und sogar auf Balkonen summen. Die Natur profitiert davon. Ohne die Bestäubungsleistung der Bienen gäbe es weniger Obst. Aber die Varroamilbe, vor etwa 37 Jahren aus Asien nach Europa eingeschleppt, scheint diesen Aufschwung akut zu gefährden.
Viren verursachen verkrüppelte Flügel
Wie gehen die braunroten, eigentlich unauffälligen Bienenkiller vor, wenn sie die Insekten befallen? Die Milbe entwickelt und vermehrt sich in der verdeckelten Brut im Bienenstock. Mit einem gezähnten Bein kann sie die Körperwand von Larven oder ausgewachsenen Bienen aufschneiden. In der Wabenzelle saugt der Parasit dann die Larve aus, verstümmelt sie und legt sogleich Eier für die nächste Generation ab. Weibliche Milben bohren sich zudem in den Hinterleib der Arbeitsbienen und saugen gleichfalls deren Körpersäfte aus. Dabei übertragen sie schädliche Viren, die einem Bienenvolk zusätzlich den Garaus machen können. Viren verursachen beispielsweise verkrüppelte Flügel.
Anfangs bekämpfte man die Varroamilbe mit chemischen Mitteln. Aber gegen diese entwickelte der Schädling rasch Resistenzen, außerdem blieben Rückstände im Wachs und Honig. Inzwischen setzen die Imker in Berlin und Brandenburg fast ausschließlich Präparate auf der Basis von Ameisensäure ein. Diese blockiert die Atmung der Parasiten. „Und sie erzeugt keine Resistenzen, hinterlässt auch keine Rückstände“, erklärt Lothar Lucke vom Imkerverband.
Auch der Klimawandel ist ein Problem
Erstmals eingebracht wird die Ameisensäure nach der Honigernte im Juli oder August, damit die gerade abgelegte Brut, aus der sich die Winterbienen entwickeln, nicht durch Milben geschädigt wird. Wie hoch man die Säure dosieren sollte und wie effektiv sie wirkt, ist aber von vielen, teils schwer vorhersehbaren Faktoren abhängig. „Wetter und Luftfeuchtigkeit spielen ein Rolle, die Stärke des Volkes, die Brutsituation“, sagt Lucke. Vielleicht ist auch diese schwierige Anwendung ein Grund, dass manche Imker mit ihren Völkern besser über die kalte Jahreszeit kommen als andere.
„Apropos Winter“, fährt Lucke fort. Der Klimawandel sei das zweite Problem bei der Bekämpfung des Parasiten. Die Bienen seien ja seit gut 80 Millionen Jahren hervorragend auf frostige Zeiten eingestellt. „Die können ihren Stock heizen und warm halten.“
Doch in den vergangenen Jahren sackte das Thermometer bis einschließlich Dezember fast nie unter null Grad ab. Mit der Folge, dass die Bienenköniginnen weiter fleißig Eier ablegten. „Die hatten den Eindruck, der Frühling naht“, sagt Lucke. Normalerweise unterbrechen sie ihre Legetätigkeit bei Frost, was die Vermehrung der Milbe stoppt. „Aber nun, in diesen milden Wintern“, so Lothar Lucke, „da bekommen sie ja prima Larvennachschub.“
Um so wichtiger sei es, „die Resistenzkräfte“ der Völker zu stärken. Deshalb wünscht sich der Imkerverband von der Regierung in Potsdam, dass sie Landwirte bezuschusst, die rund um ihre Äcker blühende Grünstreifen anlegen. Möglichst mit Pflanzen, die erst im späteren Sommer, also nach der üppigen Blüte von Linden und anderen Bäumen, noch Honig und Pollen liefern. Damit die Bienen weiter bei Kräften bleiben.
Imkern in Berlin und Brandenburg
IMKERN IN BRANDENBURG
„Zusammen schaffen wir blühende Landschaften“ – so lautet der Slogan des Landesverbandes der Brandenburger Imker. Ebenso wie ihre Berliner „Kollegen“ freuen sich die märkischen Bienenzüchter über ein wachsendes Interesse an ihrem Hobby. Um die Bestäubung auf dem Lande zu fördern, zahlt die Europäische Union in Brandenburg sogar Zuschüsse für die Erstanschaffung von Völkern. Zusätzlich bietet der Verband Anfängerkurse und Fortbildungen an. Mehr Infos: www.imker-brandenburg.de.
IMKERN IN BERLIN
In Berlin gibt es zwei Zusammenschlüsse von Hauptstadt-Imkern – den Imkerverband Berlin und den Verein „Stadtbienen“. Der Verband stellt auf seiner Website die Vorteile der Bienenhaltung in der Stadt heraus. „Als Hauptstadtimker freuen wir uns mit unseren Bienen darüber, dass es hier viel länger und öfter blüht als zum Beispiel auf dem Land“, heißt es. „Gleichzeitig ist unser Honig auch mitten in der City praktisch schadstofffrei.“
Verband und Verein bieten beide vielfältige Kurse an, helfen beim Start, fördern die Imkerei in Schulen, Kirchengemeinden oder Schrebergärten. Hier die Adressen: www.imkerverband-berlin.de und www.stadtbienen.org.
Christoph Stollowsky