„Gebet im Freien“ auf dem Tempelhofer Feld: Veranstalter-Verein soll Islamisten nahestehen
Mehr als 1000 Muslime kamen zum Opferfest-Gebet auf dem Tempelhofer Feld - unter strikter Geschlechtertrennung. Der Veranstalter ist einschlägig bekannt.
Es dürften deutlich mehr als 1000 Männer, Frauen und Kinder gewesen sein, die sich am Sonntag zum „Gebet im Freien“ auf dem Tempelhofer Feld versammelt haben. Anlass war der Beginn des viertägigen islamischen Opferfests Eid al-Adha. Das Fest während der Wallfahrt – der Hadsch – nach Mekka in Saudi-Arabien soll an die Bereitschaft Abrahams erinnern, einen seiner Söhne zu opfern, um Gott seinen Glauben zu beweisen.
Auch die Medien sind an diesem Tag zum Gebet eingeladen, weil „viele Muslime in Berlin sich zum ersten Mall im Freien versammeln werden, um das Festgebet zu verrichten“. Dies sei, so die Veranstalter, also ein einzigartiges Ereignis. Ordner mit Warnwesten und arabischer Schrift auf dem Rücken forderten Frauen auf, sich auf dem Feld abseits der Männer niederzulassen.
Nun könnte das Gebet im multireligiösen Berlin als normal betrachtet werden. Doch eingeladen hat der Verein „Neuköllner Begegnungsstätte“ (NBS). Und der wird seit Jahren von den Sicherheitsbehörden beobachtet. Seit 2014 hat der Verfassungsschutz (VS) die NBS in seinen Jahresberichten erwähnt.
Dem Verein werden Verbindungen zur militanten Muslimbruderschaft vorgehalten: Das ist eine der ältesten Islamistenvereinigungen, deren palästinensischer Ableger Hamas brutal den Gaza-Streifen regiert.
Streit um Erwähnung im Bericht des Verfassungsschutzes
Die Moschee der NBS befindet sich in der Flughafenstraße. Der Verein bestreitet, mit der größten Muslimbrüder-Organisation in Deutschland in Verbindung zu stehen. Die Neuköllner sahen sich durch den VS-Bericht in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt. Der Verein klagte durch mehrere Instanzen.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschied im Juli 2018, dass der VS einzelne Passagen seines Berichts 2016 über die NBS „als unzulässige Verdachtsberichterstattung“ nicht wiederholen darf. NBS-Vertreter sind presserechtlich auch gegen den Tagesspiegel vorgegangen.
Ob der Verein gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung vorzugehen beabsichtigt, war nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens – der VS darf die NBS auch weiter beobachten. Das OVG entschied lediglich, der Nachrichtendienst müsse deutlich machen, ob er dem Verein „mit Gewissheit eigene verfassungsfeindliche Bestrebungen“ zuschreibt – oder ob die NBS-Moschee als Beispiel erwähnt wird, um die Arbeit des „legalistischen Islamismus“ darzustellen.
Dazu zählt das Gericht „nicht gewaltbereite Gruppierungen, die eine Doppelstrategie verfolgen“. Die Richter stellten zudem fest: „Unter Verschleierung ihrer wahren extremistischen Ziele suchen sie die Nähe zu Institutionen und Vereinen, um Einfluss auf politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse nehmen zu können.“
Im VS-Jahresbericht 2018 wird die NBS nicht erwähnt: Es gibt aber Indizien, dass der Verfassungsschutz die NBS weiter beobachtet. Den Muslimbrüdern selbst werden stadtweit 100 Mitgliedern zugerechnet. Ziel der gut organisierten Bewegung ist den Sicherheitsbeamten zufolge eine an der Scharia ausgerichtete Gesellschaftsordnung. Religionsfreiheit und Geschlechtergleichheit lehnen die Muslimbrüder ab.
Mit dem gut besuchten Gebet auf dem Tempelhofer Feld könnte nun das geschehen sein, wovor Experten gewarnt haben: Unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit treten Extremisten öffentlich auf – und rekrutieren womöglich Anhänger.
„Dass von allen Moscheevereinen ausgerechnet eine vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation die Genehmigung zur Nutzung des Tempelhofer Feldes bekommt, ist höchst fragwürdig“, sagte FDP-Innenexperte Marcel Luthe dem Tagesspiegel. „Die Muslimbruderschaft ist in ihrem Wesen antisemitisch und antidemokratisch und weder sie selbst noch ihre Sympathisanten passen zu Berlin.“
Zudem verwies Luthe auf die landeseigene Grün Berlin GmbH, die für das Tempelhofer Feld zuständig ist: Nach gültiger Benutzungsordnung müsste sie das Gebet genehmigt haben.
Der Imam in der Flughafenstraße, Mohamed Taha Sabri, gilt vielen als ideologisch offen und dialogorientiert. Allerdings zieht die Dar-as-Salam-Moschee jede Woche allein zum Freitagsgebet bis zu 1500 Besucher an. Damit ist das Gotteshaus in der Flughafenstraße eine der beliebtesten Moscheen in Berlin.
Die Besucher kommen überwiegend aus Familien, die aus arabischen Ländern einwanderten – wobei besonders viele dabei seien, die sich als Palästinenser bezeichnen. Beobachter berichteten von hetzerischen Ausfällen durch Besucher – und davon, dass sich dort neben mutmaßlichen Islamisten auch Männer einschlägig bekannter Großfamilien treffen. Die NBS wies derlei Vorwürfe immer zurück.
Im Sommer 2018 hatten rivalisierende Clan-Kriminelle in Berlin mehrfach aufeinander geschossen. Damals starb Nidal R., ein 36 Jahre alter, bundesweit aktiver Intensivtäter. Nach dessen Beerdigung in Schöneberg trafen sich Hunderte Männer in der Dar-as-Salam-Moschee, wo Essen für 500 Trauergäste bestellt war.
Anwohner des Tempelhofer Fliegerviertels ärgerten sich am Sonntag über zahlreiche Falschparker. So waren der begrünte Mittelstreifen der Manfred-von-Richthofen-Straße ebenso vollgestellt wie Gehwege und Verbindungsfahrbahnen in den Querstraßen. Viele der Fahrer trugen opulente Gewänder, die Frauen waren verschleiert.
In dieser Aufmachung marschierten die Gläubigen in Kolonnen fast zwei Kilometer zum anderen Ende des Feldes. Am Treffpunkt waren Lautsprecher aufgebaut, zwei Flaggen mit arabischen Buchstaben wehten im Wind.
Der Verkehrsdienst der Polizei war ganztags im Einsatz; auf dem Columbiadamm seien Falschparker in zweiter Reihe „durch Gespräche“ verhindert worden, sagte eine Sprecherin, der Verkehrsfluss sei nicht beeinträchtigt worden. Ob der für politisch motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz vor Ort war, konnte sie am Sonntag nicht beantworten.