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Beliebter Gruselort. Filmemacher wählten die Fußgängerpassage bereits mehrfach als Drehkulisse aus.
© imago/Jürgen Ritter

Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf: Unterführung am Messegelände wird geschlossen

Viele Filme wurden hier gedreht – inzwischen ist die große Unterführung am Berliner ICC ziemlich schmuddelig. Nun soll der Durchgang geschlossen worden.

Berlin verabschiedet sich jetzt auch baulich ein weiteres Mal von der autogerechten Stadt. Nach dem Straßentunnel der Budapester Straße vor dem Bikinihaus will die Senatsverkehrsverwaltung jetzt auch die Fußgängerverteilanlage unter der Kreuzung Messedamm/Masurenallee/Neue Kantstraße schließen. Die Möglichkeiten dazu soll eine Machbarkeitsuntersuchung ausloten, die jetzt ausgeschrieben worden ist. Einen Zeitplan gibt es noch nicht.

Im Auto-Zeitalter störten die Fußgänger, die Fahrbahnen überquerten. Deshalb war es schick, sie unter die Erde zu verbannen. In Berlin entstanden solche Anlagen unter breiten Straßen unter anderem am Alexanderplatz und eben am Messegelände. Am Alex ist das Untertage-Labyrinth bereits verschwunden. Nun soll das Charlottenburger Gegenstück folgen.

Die Dimension und die bauliche Ausgestaltung des Knotenpunktes mit der nicht komplett barrierefreien Erreichbarkeit der unteren Ebene basierten auf den überkommenen Planungsphilosophien der autogerechten Stadt und seien heute nicht mehr zeitgemäß, heißt es in den Ausschreibungs-Unterlagen der Senatsverkehrsverwaltung.

Die Unterführung wird kaum genutzt

Hinzu kommt, dass die Anlage am Messegelände fast nur genutzt wird, wenn es dort Veranstaltungen gibt. Ansonsten herrscht gähnende Leere; nur ein Teil der Fahrgäste, die zum Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) wollen oder von dort kommen, gehen noch in den Untergrund. Trotz der Schließungsabsicht sollen deshalb die Rolltreppen zum ZOB und Richtung Neue Kantstraße nochmals erneuert werden. Weil viele ZOB-Nutzer auch früher schon den Gang in die Tiefe scheuten und lieber illegal auf dem Weg zwischen dem S-Bahnhof Messe Nord/ICC und dem ZOB den Messedamm überquerten, installierte man dort nach langem Hin und Her bereits 2016 eine Ampel. In Zukunft sollen die Fußgänger auch die große Kreuzung an der Oberfläche passieren können – barrierefrei.

Der Tunnel für eine künftige U-Bahn bleibt erhalten

Dabei soll die „notwendige Verkehrsqualität“ für den motorisierten Verkehr erhalten werden. Zudem soll untersucht werden, wie die Passerelle „verkehrssicher“ geschlossen und Fahr- und Treppenanlagen abgerissen werden können. Eventuell müssten Einstiegsöffnungen in der Straßenebene gewährleistet werden, gibt die Ausschreibung vor.

Wichtig: Der vorhandene rund 50 Meter lange Tunnel für eine künftige U-Bahn soll erhalten werden. Man kann nie wissen, ob man ihn eines Tages doch noch braucht. Vorgesehen war er für eine Verlängerungsstrecke vom Bahnhof Uhlandstraße der heutigen U 1 bis zum Theodor-Heuss-Platz. Derzeit nutzt ihn die Stiftung Stadtmuseum als Lagerraum.

Der Verkehr gehört unter die Erde, damit der Mensch darüber leben kann.

schreibt NutzerIn prokrastes

Graffiti und Uringestank

Der unterirdische Fußgänger-Verkehr ist aber nicht nur aus der Zeit gefallen – er kostet auch eine Menge Geld bei kleinem Nutzen. Für die Wartung und den Betrieb sowie für das Beseitigen von Vandalismusschäden gibt die Verkehrsverwaltung nach ihren Angaben jährlich rund 345.000 Euro aus. Die zunehmende Verwahrlosung im Zwischengeschoss, unter dem der Bahnhofs-Rohbau liegt, sei „unübersehbar“, heißt es in der Ausschreibung weiter. Graffiti an den Wänden und Uringestank gehören in der Passerelle zum Alltag.

Filmemacher wählten den Gruselort bereits mehrfach aus; unter anderem für die Hollywood-Streifen „Die Tribute von Panem“ und „Captain America.“

Das Bauwerk selbst sei in einem guten Zustand, aktuell bestehe kein Sanierungsbedarf. Derzeit gibt es neun betriebsfähige Fahrtreppen sowie zwei Aufzüge, die wegen der sich „wiederholenden missbräuchlichen Nutzung der Kabinen“ aber außer Betrieb sind. Geschlossen ist der Zugang zum ICC. Auch die Lüftung und die Toiletten sind außer Betrieb.

Die Anlage soll weiterhin genutzt werden

Charlottenburgs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) will die Anlage weiter nutzen – sie aber für Fußgänger möglichst schnell schließen. Ideen gebe es bereits, sagte Schruoffeneger. Interessant wäre es, „Jugendkultur“ dort unterzubringen; das Spektrum könne vom Skat und Tischtennis bis zum heute bereits praktizierten Skaten reichen. Größere Veranstaltungen seien wegen des Brandschutzes dagegen kaum möglich.

Alles hänge davor ob, ob es gelinge, eine Lösung für die Oberfläche zu finden – für den Autoverkehr und die Fußgänger, was durch den geplanten Umbau des Autobahndreiecks Funkturm noch erschwert werde.

Der Umbau der Kreuzung könne nicht losgelöst vom Verkehr der Umgebung erfolgen, heißt es dazu in der Ausschreibung. Eine Vorgabe ist, auf das freie Rechtsabbiegen von der Masurenallee in den Messedamm „Süd“ zu verzichten. Am Knoten selbst gibt es nach Angaben der Verwaltung „eine höherrangige Unfallhäufigkeit mit Personenschaden“.

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