„Mockingjay“-Weltpremiere in Berlin: Tribute von Panem und Tempelhof
Jennifer Lawrence kam ganz in Weiß und zeigte viel Haut, doch der eigentliche Wortführer war Donald Sutherland. Die "Panem"-Stars zeigen vor der Premiere von „Mockingjay – Teil 2“ die Drehorte in Berlin.
Frontflughafen Tempelhof – hatten wir lange nicht mehr. Zuletzt 1948/49, Anfang des Kalten Krieges, Luftbrücke, Rosinenbomber und so. Nun also wieder.
Das Halbrund des Nazi-Baus erkennen Berliner auf der Leinwand sofort. Die anderen Zuschauer aber, mit hiesigen Lokalitäten nicht so vertraut, müssen zweimal hingucken, bevor sie den aus der Vogelperspektive ins Bild gleitenden Flughafen Tempelhof als solchen möglicherweise identifizieren: das Vorfeld wieder vollgeparkt mit Transportmaschinen, die diesmal kaum Rosinen geladen haben und der guten alten DC 3 nur noch sehr entfernt ähneln, mehr einer fernen Zukunft zu entstammen scheinen. Aber dann – Schnitt – aus der Menschenperspektive, mit den Rebellenkriegern auf Augenhöhe, ist hoffentlich der letzte Zweifel erloschen: Klar, det is Tempelhof, der halboffene Mittelteil der Betonsichel mit den schwarzgelben Warnmarkierungen an den Pfeilern.
Willkommen also in der Welt der „Tribute von Panem“, der Tragödie letzter Akt, „Mockingjay – Teil 2“. Schon seltsam, dass es im Film, bei den Dreharbeiten vor anderthalb Jahren, noch einen Schauplatz eines bürgerkriegsähnlichen, von einem Superdiktator angeheizten Ringen im Reiche Panem darstellte – und nun reale Bürgerkriegsflüchtlinge beherbergt, geflohen vor den Fassbomben eines ebenso realen Diktators. Hat sich „Panem“-Regisseur Francis Lawrence so kaum träumen lassen, als er „Action!“ rief. Sein Gefühl dabei heute? „Strange“, antwortet er – und sinniert darüber, dass die Story eben kein Zukunftsmärchen ist, vielmehr hochaktuell.
Beim Drehen konnte er noch, fern solcher aktuellen Nebengedanken, von Berlin schwärmen, „such a cool city“, wie er das am späten Dienstagvormittag wieder tat, bei der Pressekonferenz im Hotel de Rome, vorbereitend auf die Weltpremiere des vierten und letzten Teils seiner Verfilmung der „Panem“-Romane von Suzanne Collins – die dann am Mittwochabend im Cinestar am Potsdamer Platz mit dem erwarteten Riesenandrang der kreischenden, um Autogramme und Star-Selfies bettelnden Fans stattfand, übrigens nicht mit rotem, sondern tiefschwarzem Teppich.
Gut einen Monat war in Berlin gedreht worden, und Lawrence wurde am Dienstag nicht müde, die tollen Locations zu loben, Tempelhof eben, Rüdersdorf, die Unterwelt des ICC, eine alte Russenkaserne in Potsdam-Krampnitz. Dergleichen habe man in den USA, auch anderswo in Europa nicht finden können. Und mit den Produktionsbedingungen im Großraum Berlin, den Spezialisten von Studio Babelsberg, war er gleichfalls hochzufrieden.
Am Nachmittag kehrte der Regisseur zu einigen Drehorten zurück, wollte sie den Journalisten vorstellen, schließlich kamen viele von weit her, sollten was geboten bekommen – Weltpremiere de luxe. Erst ging es zum alten Heizkraftwerk in der Köpenicker Straße in Mitte, mit Lastenfahrstuhl 30 Meter rauf zur „Laterne“, wo früher riesige Wassertanks die Turbinen versorgten. Jennifer Lawrence probiert hier in ihrer „Panem“-Rolle neue brisante Pfeile aus. Ein Ort von ebenso kathedralen- wie bunkerhaftem Ambiente, gespenstisch auch ohne die Hilfe der Set-Architekten. Solch einen Raum im Studio bauen? „Unmöglich“, weiß Lawrence.
Weiter nach Tempelhof, Zeit für eine Anekdote: Der Drehbeginn lag knapp vor dem Volksentscheid über die Bebauung des Flughafen, den die Filmcrew mit viel Styropor in Schutt und Asche gelegt hatte, erzählte der Regisseur. So echt, dass Anwohner dachten, hier sollten vor der Abstimmung klare Verhältnisse geschaffen werden, und protestierten.
Der Flughafen, dessen Germania-Ästhetik für Lawrence gut zum Capitol, der Machtzentrale seines Diktators Snow, passte, durfte gleich mehrere Orte darstellen. Die Hangarseite Frontflugplatz und Basis der Rebellen eben, während im Eisenbahntunnel Snow-Anhänger die Waffen zu strecken versuchen, mit dramatischem Ergebnis. Dorthin führte Lawrence nun den Journalistentrupp, einige Refugees lugten aus der Ferne, nur ein kleiner Junge kam näher, stellte sich dazu und bat bescheiden um „Bisquits, Bisquits“. Hatte keiner dabei, die vor der Fahrt verteilten Lunchpakete waren im Bus geblieben.
Auf die Fahrt eingestimmt hatte die Pressekonferenz, aber was heißt das schon bei solch einer Weltpremiere: Eigentlich vier Pressekonferenzen en bloc in zwei Sälen, die Teilnehmer gerecht aufgeteilt in zwei Portionen. Man hatte so viele „Panem“-Stars eingeflogen, dass sich damit ohne Weiteres ein Rebellenstoßtrupp zusammenstellen ließe, den Rahmen einer einzelnen Vorstellung hätte dies gesprengt. Vorneweg Jennifer Lawrence, im Film „Mockingjay“ oder auch „Spotttölpel“ genannt – kein Wunder, dass man den Namen im Untertitel nicht übersetzt hat. Ihr zu Seite Donald Sutherland als Präsident, der Assad von Panem, sodann Elizabeth Banks, Jena Malone, Willow Shields und Produzentin Nina Jacobson, während im zweiten Trupp Regisseur Lawrence den Leitwolf machte, neben ihm Natalie Dormer, Josh Hutcherson, Liam Hemsworth, Julianne Moore und Sam Clafin.
Das beeindruckendste Erscheinungsbild der Runde? Bot sicher die nicht gerade redselige Jennifer: ganz in Weiß, der Rock ebenso wie die sehr durchsichtige Bluse, die den Blick auf ein ebenso weißes Bustier und viel Haut freigab – ein offenbar unpraktischeres Outfit als ihr Battledress im Film. Ständig nestelte sie im Rücken herum, erst hinterher konnte Kollegin Banks das textile Problem lösen. Auch plagte die schöne Jennifer gelegentlicher Husten – da mag es zur dünnen Bluse einen Zusammenhang geben.
Doch sie ließ sich von dieser Unbequemlichkeit nicht abhalten, Sutherland lebhaft beizupflichten, Wortführer in der Runde, der die politische Potenz der „Panem“-Filme und besonders des letzten pries. Er möge den jungen Zuschauern die Notwendigkeit politischen Engagements vor Augen zu führen, erhofft sich Sutherland, das bedeute für ihn die größte Herausforderung. Er selbst sei durch einen Film politisiert worden, Kubricks „Paths of Glory“. Ähnliches erhofft er sich von „Mockingjay“: „Es muss klappen, sonst sind wir zerstört.“ Weh dir, Assad.
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