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Das Myfest hat den 1. Mai in Kreuzberg befriedet, hier ein Bild aus dem Jahr 2010. Vor gut 13 Jahren war es von Polizei und Bezirk erfunden worden, um den Randalierern den Raum zu nehmen.
©  Kai-Uwe Heinrich

1. Mai in Kreuzberg: Über dem Myfest "stehen große Fragezeichen"

Ob das Myfest in Kreuzberg in diesem Jahr stattfinden wird, ist noch unklar. Befürchtet wird, dass am 1. Mai ohne das Straßenfest mehr Gewalt droht.

Theater, Bands, rauchende Grills, Kinderbelustigungen, politische Infostände und zehntausende Besucher – seit 13 Jahren ist das Myfest am Mariannenplatz vor dem Künstlerhaus Bethanien am 1. Mai eine Attraktion für Menschen aus der ganzen Stadt. Erfolgreich ist es dadurch gelangen, den Ausschreitungen bei den Revolutionären 1. Mai-Demos ein buntes Fest entgegenzusetzen und Kreuzbergs Terrain so stark zu befrieden. Doch ob das 14. Myfest 2016 stattfinden kann, ist ungewiss.

„Über dem Fest stehen große Fragezeichen“, hieß es jetzt im Kreuzberger Rathaus. Es gibt aber einen letzten Rettungsversuch. Zur Zeit laufen zwischen Bezirk, Polizei, Senat und Abgeordnetenhaus intensive Gespräche, um noch eine Lösung zu finden. Dabei spielen auch Befürchtungen eine Rolle, dass am 1. Mai ohne Myfest wieder mehr Gewalt droht.

Kann das Fest mit dem Ziel, Gewalt einzudämmen, als politische Versammlung oder Demonstration bei der polizeilichen Versammlungsbehörde angemeldet werden? Oder ist es als Straßenfest anzusehen wie der Karneval der Kulturen, was die Vorbereitungen und das Genehmigungsverfahren stark verkomplizieren würde? Darum wird nun aktuell gerungen.

Status wurde geduldet

Bei Polizei und Innenverwaltung hat man sich schon Ende 2015 festgelegt, als der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Myfest 2016 als politische Versammlung anmelden wollte. Zurück kam die klare Antwort: „Das geht nicht.“ Es handele sich um ein Straßenfest. In diesem Falle muss es vom Ordnungsamt des Bezirk genehmigt werden, was ein langwieriges Verfahren zur Folge hat. Umfangreiche Konzepte zur Sicherheit und Müllbeseitigung müssen rechtzeitig vorliegen und es muss klar geregelt sein, welche Privatperson oder Vereinigung die finanzielle und rechtliche Verantwortung übernimmt.

Nach Darstellung des Bezirks waren „alle Bühnen und die gesamte Fläche des Myfestes rund um den Mariannenplatz“ in der Vergangenheit von der Polizei „immer im Sinne einer politischen Versammlung angesehen worden“. Auf Polizeiseite heißt es hingegen, so sei es nie gelaufen. Vielmehr habe das Ordnungsamt des Bezirks die Genehmigung erteilt.

Letztlich lief es offenbar darauf hinaus, dass alle Behörden den ungeklärten Status aus politischer Sympathie stillschweigend duldeten. Bis zum letzten, heftig aus dem Ruder gelaufenen Myfest 2015. Da strömten derartige Menschenmassem zum Mariannenplatz, dass alle bisherigen Sicherheits,- Ordnungs,- Lärmschutz- und Müllkonzepte über den Haufen gerannt wurden.

Gefeiert wurde auch in vielen Straßen , die gar nicht dafür vorgesehen waren. Anwohner klagten über Krach und Chaos. Danach gab es Krisensitzungen im Bezirk, um künftige Myfeste mit einer professionelleren Organisation besser unter Kontrolle zu halten. „Das Ergebnis ist gut“, sagt der Referent des Bürgermeisterbüros in Kreuzberg, Jörg Flähmig. „Es wurden zuverlässige Konzepte entwickelt, sie liegen auf dem Tisch.“ Aus Bezirkssicht würden diese ausreichen, um den einfacheren Verfahrensweg, also eine politische Versammlung, zu rechtfertigen.

Bezirk hat Gespräche angeschoben

Polizei und Innenverwaltung sind von der Qualität der neuen Konzepte aber offenbar nicht gleichermaßen überzeugt. Nach dem Schock des Myfestes 2015 und der Love-Parade-Tragödie in Duisburg 2010 wollen sie keinerlei Risiken mehr eingehen. Und das heißt in Konsequenz: Das Ordnungsamt soll gemeinsam mit weiteren zuständigen Bezirksämtern umfangreich prüfen, ob alles Notwendige für ein großes Straßenfest bedacht und geregelt wurde. Diese aufwändige Behördenprozedur sei bis zum Tag der Arbeit in zweieinhalb Monaten aber kaum mehr zu schaffen, kontert Rathaus-Sprecher Flämig.

Die Uhr läuft also. Der Bezirk hat deshalb Gespräche auf allen Ebenen angeschoben. Bleibt es bei der Straßenfest-Variante, sieht er den Senat in der Pflicht, einen „professionellen, verantwortlichen Veranstalter zu finden.“ Schließlich habe das Myfest berlinweite Bedeutung. Vorstellbar wäre eine Lösung wie beim Karneval der Kulturen. Diesen verantwortet die landeseigene Kulturprojekte Berlin GmbH. Der private Unterstützerverein des Myfestes sei zu klein dafür .

Der SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann erklärte am Montag, das Myfest müsse „auf jeden Fall“ wieder stattfinden. Dies sei eindeutig Ziel aller Verhandlungen. Das Fest habe sich „stabilisierend und befriedend“ auf die Mai-Krawalle ausgewirkt. Es sei auch eine kulturelle Bereicherung. Die Veranstalter der „Revolutionären 1.-Mai-Demo“, von der in früheren Jahren teils heftige Gewalt ausging, stimmten am Montag schon erfreut den Abgesang aufs Myfest an.

„Es findet 2016 nicht statt“, twitterten sie und kündigten an, ihr Umzug werde diesmal wieder „quer über das bisherige Myfest-Gelände“ führen. Damit bestätigen sie warnende Stimmen, dass ohne buntes Treiben erneut ein gewalttätiger Mai bevorstehen könnte. Ein Ziel des Myfestes war es, der revolutionären Demo die Aufmarschfläche zu nehmen.

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