Diskothek "La Belle" in Berlin: Terror an der Tanzfläche
Vor 30 Jahren verübten libysche Agenten das Attentat auf die Friedenauer Diskothek "La Belle". Drei Menschen wurden getötet, 230 verletzt.
Angesichts der Schockwellen, die heute jeder neue Terroranschlag in Europa aussendet, blieb es bemerkenswert ruhig, damals in Berlin vor 30 Jahren. Eine Bombe hatte am Sonnabend, dem 5.April 1986, morgens um 1 Uhr 30 den Innenraum der Friedenauer Diskothek „La Belle“ verwüstet, die Inneneinrichtung zerstört, zwei (später drei) Menschen getötet und 230 verletzt. „Zwei Tote bei Bombenanschlag in Friedenau“ titelte der Tagesspiegel sachlich und analysierte, was offensichtlich war: Der Anschlag galt in allererster Linie den amerikanischen Soldaten. Auch das mag zur gelassenen Reaktion in der Stadt beigetragen haben.
Dass eine Bombe mit mehreren Kilogramm Sprengstoff in einer vollen Diskothek nur drei Menschen tötete, war ein großes Glück im Unglück. Das Gebäude in der Hauptstraße wurde zwar von draußen erkennbar beschädigt – aber Passanten bekamen nichts zu sehen außer ein paar Fotos des verwüsteten Innenraums.
Auch deshalb nahm der Durchschnittsberliner, der die Diskothek in der Regel nicht einmal kannte, den Vorfall vor allem als einen abstrakten Akt in der damals extrem aggressiven Auseinandersetzung zwischen den USA und Libyen wahr, als Ausläufer einer gezielten Terrorwelle, die ihn selbst kaum betraf. Dass Präsident Reagan zehn Tage später Bomber zur Vergeltung nach Tripolis schickte, galt in Deutschland als typisch amerikanische Überreaktion: Man wisse doch noch gar nichts.
Stasi hatte ihre Hand im Spiel
Was Reagan damals wusste, ist heute bekannt: US-Nachrichtendienstler hatten am Morgen des 5.April ein Telex abgefangen, in dem das libysche „Volksbüro“ in Ost-Berlin den Vollzug nach Tripolis meldete. Der Berliner Prozess 2000/2001 bestätigte dies – es waren tatsächlich Agenten des libyschen Geheimdienstes, die den Anschlag organisiert hatten. Aber nicht einmal extreme Kalte Krieger wären 1986 auf die tiefere Wahrheit gekommen, dass auch die Stasi ihre Hand im Spiel hatte und die Vorbereitungen ebenso wie das anschließende Verschwinden der Täter nach Ost-Berlin beaufsichtigte. Yasser C., ein Stasi-IM, hatte mögliche Ziele ausgekundschaftet und die Flucht der Täter in die DDR vorbereitet.
Die Stasi war zwar nicht aktiv beteiligt, wusste aber schon eine Woche vorher über die meisten Details Bescheid. Vieles ergab sich nach dem Fall der Mauer aus den Akten, die ganze Wahrheit über den Anschlag aber wurde erst nach langen Ermittlungen und massivem Druck auf Libyen bekannt, als das Land 1996 den damals 37-jährigen staatenlosen Palästinenser an die deutschen Behörden auslieferte.
Im Prozess legte er zur allgemeinen Überraschung ein Geständnis ab; er und seine Mittäter wurden am 13. Dezember 2001 vom Kammergericht wegen Mordes und Beihilfe zu Haftstrafen zwischen 12 und 14 Jahren verurteilt, sie dürften mithin alle längst wieder auf freiem Fuß sein. Es handelte sich bei diesen Tätern um den aus dem Libanon stammenden Ali C., seine aus der DDR stammende deutsche Frau Verena, die die Bombe gelegt hatte, und den Libyer Musbah E.
Beliebter Treffpunkt amerikanischer Soldaten
Verena C., die „schöne Verena“, war den Berliner Behörden als Callgirl bekannt. Sie hatte ihren Mann 1978 in Ost-Berlin kennengelernt und sich die Ausreise in den Westen mit einer Stasi-Verpflichtungserklärung beschafft. Einzige bekannte Agentenhandlung bis zum La-Belle-Prozess: Die Weitergabe von Informationen über 48 Freier an ihren Führungsoffizier. Ihre mitangeklagte Schwester Andrea H. wurde freigesprochen, weil ihr eine Tatbeteiligung nicht nachzuweisen war, sie wusste angeblich nichts davon, dass ihre Schwester eine Bombe in der Tasche hatte. Die Staatsanwaltschaft ging in Revision, um lebenslange Strafen zu erreichen, scheiterte aber vor dem BGH.
Das „La Belle“ war in den achtziger Jahren ein beliebter Treffpunkt amerikanischer Soldaten und ihrer Berliner Freunde: Die Todesopfer waren zwei Soldaten und eine Türkin, unter den Verletzten gab es neben vielen Amerikanern auch Araber und Türken. Es war der ersten weitgehend lückenlos dokumentierten Akt des Staatsterrorismus – das gab Gaddafi schließlich nach langem Druck selbst zu, als er 2003 in Verhandlungen über Entschädigungszahlungen eintrat. Ein Jahr später willigte er ein, 35 Millionen US-Dollar zu zahlen.
Heute erinnert in der Hauptstraße 78 nur noch eine Gedenktafel an den Anschlag.
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