Zukunft des Stadtverkehrs: Studie fordert Maut und Parkgebühren für Berlin
5 bis 8 Euro City-Maut, höhere Parkgebühren und das "Bürgerticket" - das empfiehlt eine Studie im Auftrag des Senats zur Finanzierung des Berliner Nahverkehrs.
Die Ergebnisse einer neuen Verkehrsstudie im Auftrag der Berliner Verkehrsverwaltung wird neuen Ärger in der rot-rot-grünen Koalition auslösen, das ist sicher. Am Montag hat die Senatsverkehrsverwaltung die Studie online gestellt. Die wesentlichen Punkte waren bereits im Juni bekannt geworden. "Lenkende" Instrumente wie die City-Maut und höhere Parkgebühren sind nach Einschätzung der Autoren die beste Lösung.
Eine Maut könnte zwischen 337 Millionen und 880 Millionen Euro in die Kasse bringen - und parallel die Innenstadt vom Autoverkehr entlasten und der Umwelt gut tun. Gerechnet wird in der Studie mit fünf bzw. acht Euro pro Tag. Diese Höhe ist in anderen Städten üblich. Veranschlagt wurden 750.000 Einfahrten täglich in den Bereich der Umweltzone, die fast identisch ist mit dem S-Bahn-Ring. Gebührenpflichtig sollte die Zeit von 6 bis 18 bzw. 21 Uhr sein, so die Studie.
Mit den Parkgebühren könnten zwischen 360 und 500 Millionen erzielt werden zur Finanzierung des ÖPNV. Derzeit müssen Anwohner nur einen minimalen, symbolischen Beitrag von 10,20 Euro für eine Jahresvignette zahlen. Dieser sollte auf 120 bis 240 Euro pro Jahr angehoben werden. Gelegenheitsparker sollten drei bis vier Euro pro Stunde zahlen innerhalb des S-Bahn-Rings.
"Der Weg zu einer Einführung ist jedoch noch weit", heißt es in der Studie zur Maut und zur Parkraumbewirtschaftung. Die SPD als stärkste Kraft in der Koalition hatte sich bereits strikt gegen eine City-Maut ausgesprochen. Wie berichtet, lehnt die SPD auch das Bürgerticket als "Zwangsmaßnahme" ab, stattdessen favorisierte der Regierende Bürgermeister Michael Müller ein 365-Euro-Ticket.
Als Vorbild wird immer Wien genannt, dort wurde das 365-Euro-Ticket 2012 eingeführt. In der Diskussion wird oft vergessen, dass Wien zunächst die Parkraumbewirtschaftung verschärft hat und den Nahverkehr ausgebaut hat - und dann erst das Ticket einführte. Zuletzt hatte die designierte SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey die Maut als "virtuelle Mauer" kritisiert - und so gesagt: "Berlin hat genug Mauern gehabt". Die SPD lehne es prinzipiell ab, dass nur die Berliner "in die Innenstadt können, die es sich leisten können", so Giffey vor wenigen Wochen. Angesichts dieser Widerstände formuliert die Ramboll-Studie weitsichtig: "Es bedarf des Mutes und der Fähigkeit, gute Politik zu erklären und dabei konsistent zu handeln." Von den drei empfohlenen Finanzierungssäulen sei die Parkraumbewirtschaftung noch am schnellsten umzusetzen. Für die Einführung der Maut müssten "dicke Bretter gebohrt"
Die Studie sollte untersuchen, wie künftig der öffentliche Nahverkehr finanziert werden kann. Sie war von der rotrotgrünen Koalition beschlossen worden. Verfasst wurde die Studie von dem Beratungsunternehmens Ramboll - das auch die Berliner Radschnellwege plant - und einer spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei.
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Die Autoren befassen sich mit der rechtlichen Machbarkeit, den Größenordnungen in Euro sowie den verkehrspolitischen Effekten der möglichen Instrumente für eine zusätzliche ÖPNV-Finanzierung. Die beiden bisherigen Finanzierungsquellen – Haushaltsmittel und Ticketerlöse – stoßen nach Angaben der Verkehrsverwaltung "angesichts des geplanten und für die Mobilitätswende dringend benötigen ÖPNV-Ausbaus an ihre Grenzen". Dazu wurden auch Erfahrungen anderer Großstädte ausgewertet, die meist wesentlich weiter sind als Berlin.
Hoteliers und Grundstückseigentümer sollen zahlen
Aus dem Rennen ist nun die Finanzierung durch bestimmte Nutzergruppen: Verpflichtende Beiträge von Grundstückseigentümern, Gewerbebetrieben oder Hotels scheiden aus Sicht der Autoren wegen zu hoher Verwaltungskosten aus.
Untersucht wurden das Bürgerticket, ein Gäste-Ticket für Touristen, eine City-Maut für die Innenstadt und eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung innerhalb der Umweltzone. Das Gästeticket scheidet aus Sicht der Experten aus, da es zu wenig in die Kasse bringt.
Von den sieben untersuchten Möglichkeiten haben sich Bürgerticket, City-Maut und Parkraumbewirtschaftung "als besonders geeignet herausgestellt", teilte die Verkehrsverwaltung mit. "Im Hinblick auf die Kombination aus Einnahmenerzielungspotenzial und verkehrlicher Wirkung schneiden die beiden Lenkungsinstrumente sowie der allgemeine ÖPNV-Beitrag mit Abstand am besten ab" - so formulieren die Autoren ihr Fazit.
Bürgerticket wird nur akzeptiert, wenn ÖPNV attraktiver wird
Klar ist den Autoren, dass ein Bürgerticket nur funktioniert, wenn es "eine deutliche Leistungssteigerung des ÖPNV" gibt. Anders gesagt: Da die U-Bahn heute schon wegen fehlender Wagen überfüllt ist, ist es widersinnig, im großen Stil neue Fahrgäste in die Bahn zu locken. Probleme werden auch bei der Maut benannt: Da der Bund für Fernstraßen zuständig ist, darf Berlin auf Bundesstraßen keine Maut erheben - die Fahrt auf der Ost-West-Verbindung B1/B5 zum Beispiel wäre dann weiter gratis.
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Angesichts des Streits, der im Juni ausgebrochen war, lässt die Senatorin Regine Günther (Grüne) dieses ausrichten: "Eine politische Festlegung ist damit ausdrücklich noch nicht verbunden, zumal die sozialen Auswirkungen der Instrumente noch vertieft zu untersuchen und ggf. abzufedern sind."
Und weiter: "Die Studie erfüllt einen Auftrag der Regierungskoalition und liefert die faktenbasierte Grundlage für eine intensive Debatte in Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung." Die erste Reaktion kam am Dienstag von der CDU: „Es ist schon dreist, wie Grünen-Senatorin Günther mit ihrem bestellten Gutachten den Berlinern in die Tasche greifen will", kritisierte Oliver Friederici, der verkehrspolitischer Sprecher der CDU: "Parkgebühren-Erhöhungen, Zwangsticket und Citymaut werden Mobilität für viele unbezahlbar machen. Sie sind ungerecht und unsozial und gefährden den Tarifverbund mit Brandenburg."