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Lieb und teuer ist der öffentliche Nahverkehr in der Großstadt. Die Berliner Koalition sucht neue Formen, ihn zu finanzieren.
© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Geldquelle für Bus- und Bahnverkehr: Neue Studie schlägt Pflichtticket und City-Maut für Berlin vor

Die Koalition prüft Ideen zur Finanzierung der Verkehrswende. Auch die "Öffi-Flatrate", die alle Berliner zahlen sollen, und eine Umlage kommen in Betracht.

Die City-Maut für innerstädtischen Autoverkehr rückt näher. Am Mittwoch diskutierte die Facharbeitsgruppe Tarife von Berlin und Brandenburg eine Studie, die unter anderem eine solche Abgabe empfiehlt. Das Geld soll zweckgebunden für den ÖPNV verwendet werden.

Die Abgabe für Autofahrten in die City ist - als gemeinsamer Punkt mit höheren Parkgebühren - eines von mehreren Modellen, die in der von der Verkehrsverwaltung für die Arbeitsgruppe beauftragten Studie untersucht werden. Als weitere Möglichkeiten werden eine Umlage sowie eine "Nutznießerfinanzierung" genannt.

Die Umlage bestünde in einem allgemeinen ÖPNV-Beitrag für alle Berlinerinnen und Berliner über ein verpflichtendes Bürgerticket, das durch eine ÖPNV-Taxe für Übernachtungsgäste ergänzt wird. Bei der Nutznießerfinanzierung müssten Grundstückseigentümer, Gewerbetreibende und Übernachtungsgäste einen Beitrag zahlen.

Touristen sollen Bus-und Bahnabgabe zahlen

Von insgesamt sieben untersuchten Bausteinen empfiehlt die Studie drei als sinnvoll: Ein obligatorisches Bürgerticket (auch "Öffi-Flat" genannt), eine City-Maut sowie eine durch Gäste Berlins zu zahlende ÖPNV-Taxe. Bei diesen Punkten stünden Aufwand und Ertrag in sinnvollem Verhältnis, wie anhand verschiedener Beispielrechnungen - je nach Ausgestaltung der "Flatrate", bei der beispielsweise die morgendliche Stoßzeit ausgenommen sein könnte oder Bahncard-Besitzer profitieren könnten - gezeigt wird.

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Vor allem die Nutznießerfinanzierung fällt wegen hoher Verwaltungskosten und rechtlicher Risiken deutlich ab. Flächendeckend höhere Parkgebühren wird zwar eine hohe Lenkungswirkung aufs Mobilitätsverhalten bescheinigt, aber die Mehreinnahmen allein dadurch wären wegen der notwendigen Überwachungskosten relativ gering.

Konzept soll nicht auf Kosten der Außenbezirke gehen

Die verkehrspolitischen Sprecher von SPD, Grünen und Linken wollen die vom dänischen Unternehmen Ramboll verfasste Studie nun im Einzelnen prüfen und diskutieren. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es Sympathien für die City-Maut vor allem wegen deren Lenkungswirkung: Das Autofahren in der Innenstadt soll unattraktiver werden und gleichzeitig zur Finanzierung von Bus- und Bahnverkehr als umweltfreundlicherer Alternative beitragen.

Die Verkehrsverwaltung erklärt, ihr seien nicht nur mehr Einnahmen wichtig, "sondern auch verkehrliche Effekte, also eine Entlastung der Stadtgebiete vom Autoverkehr, indem Anreize gesetzt werden, aufs Auto zu verzichten. Die Höhe der zusätzlichen Einnahmen für den ÖPNV-Ausbau hängt stark von der Ausgestaltung ab, die in jedem Fall sozial gestaffelt sein sollte.“

"City nicht auf Kosten der Außenbezirke entlasten"

Ähnlich äußern sich die Koalitionäre. SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf betont: "Neue Einnahmen müssen zweckgebunden in den Erhalt und Ausbau einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur fließen. Um mehr Fahrgäste zu befördern und attraktiver für Neukunden zu werden, müssen wir ein öffentliches Angebot unterbreiten, das so leistungsstark, zuverlässig und barrierefrei ist, wie es die Nutzerinnen und Nutzer von morgen benötigen." Die nun fälligen Konzepte müssten mit dem Umland - woher hunderttausende Pendler kommen - abgestimmt werden, die City solle nicht "auf Kosten der Außenbezirke" entlastet werden.

Schöner Zug. Für die S-Bahn werden gerade neue Wagen angeschafft.
Schöner Zug. Für die S-Bahn werden gerade neue Wagen angeschafft.
© Paul Zinken/dpa

Auch Kristian Ronneburg (Linksfraktion) erklärt: "Instrumente, die Verkehr und damit Abgase und Lärm lediglich verlagern, lehnen wir ab.“ Die zusätzliche Finanzierung müsse "zwingend mit einem Ausbau des ÖPNV-Angebots auch außerhalb des Innenrings einhergehen" und so gestaltet sein, dass sie soziale Kriterien erfülle und die real vorhandenen Kapazitäten der öffentlichen Verkehrsmittel berücksichtige. Harald Moritz (Grüne) nennt als Kriterien für die Entscheidung über das passende Modell, dass die Fahrgäste des ÖPNV nicht noch stärker belastet und gleichzeitig der Autoverkehr in der Stadt verringert werden sollten.

Was ist die AG Tarife?

Die Gründung der AG Tarife - an der auch das Brandenburger Verkehrsministerium, die Senatskanzlei und der Fahrgastverband Igeb beteiligt sind - hatten SPD, Grüne und Linke 2016 im Koalitionsvertrag vereinbart, um Alternativen zu den zuvor üblichen regelmäßigen Preiserhöhungen im Verkehrsverbund VBB zu erarbeiten. Zuvor waren jahrelang vor allem Stammkunden von BVG und S-Bahn überproportional von den Tariferhöhungen betroffen.

Bisher wird der öffentliche Nahverkehr aus "Bestellerentgelten", also Zuschüssen der Länder Berlin und Brandenburg, und Ticketeinnahmen finanziert. Dieser zweite Posten machte im vergangenen Jahr im VBB rund 1,5 Milliarden Euro aus. In diesem Jahr fehlen wegen der Coronakrise davon mindestens 600 Millionen Euro, sagte VBB-Chefin Susanne Henckel kürzlich im Interview mit dem Tagesspiegel.

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