Kritik an grüner Verkehrspolitik – Pläne für U-Bahnausbau: Giffey nennt autofreie Innenstadt „wirklichkeitsfremd“
Die Berliner SPD lehnt zentrale Punkte der grünen Verkehrspolitik ab. Stattdessen soll das U-Bahnnetz bis 2030 für zwei Milliarden Euro ausgebaut werden.
Berlins designierte SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey hat dem Koalitionspartner Grüne in der Verkehrspolitik Realitätsferne vorgeworfen. Eine "autofreie Innenstadt ist wirklichkeitsfremd", sagte die frühere Neuköllner Bürgermeisterin am Freitag bei einem Pressetermin in Rudow, auf dem die SPD-Pläne für den Ausbau der Berliner U-Bahn vorgestellt wurden.
Auch eine City-Maut, also eine Gebühr für die Innenstadt, sei für die SPD nicht vorstellbar. Giffey kritisierte die Maut als "virtuelle Mauer" - und setzte nach: "Berlin hat genug Mauern gehabt". Die SPD lehne es prinzipiell ab, dass nur die Berliner "in die Innenstadt können, die es sich leisten können".
Viele Menschen seien auf das Auto angewiesen, weil sie ihren Rollstuhl, ihre Kinder, ihre pflegebedürftigen Angehörigen fahren müssten. Ebenso werde der Lieferverkehr gebraucht.
Die Grünen sind für eine Maut, die es in vielen europäischen Metropolen gibt. Der kürzlich vorgestellte Entwurf der Verkehrsverwaltung für das Mobilitätsgesetz erlaubt eine solche finanzielle "Steuerung" des Verkehrs. Direkt nach Vorstellung des Entwurfs hatte die Berliner SPD heftig den Koalitionspartner deswegen angegriffen.
Keine Maut, keine autofreie Innenstadt – dafür kräftig in das U-Bahn-Netz investieren Das ist der Plan der SPD. Die Partei will fünf Strecken verlängern: Die U3 zum Mexikoplatz (40 Millionen), die U7 nach Heerstraße Nord (450 Millionen), die U7 zum BER (800 Millionen), die U2 nach Pankow Kirche (150 Millionen) und die U8 ins Märkische Viertel für 220 Millionen.
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Giffey und Saleh gehen davon aus, dass 75 Prozent der Kosten vom Bund finanziert werden, bei der Strecke zum BER könnte der Bund sogar 90 Prozent übernehmen. Auffallend ist, dass der Abzweig der U6 auf das Gelände des heutigen Flughafens Tegel nicht mehr dabei ist. Wie es in der SPD hieß, sei dieser Abzweig sehr aufwendig und nicht bis 2030 zu schaffen.
Die SPD will den U-Bahn-Ausbau bis 2030 umsetzen
Die fünf Erweiterungen, die die SPD am Freitag forderte, seien "realistisch" und bis 2030 umzusetzen. Giffey und Saleh sprachen deshalb in Anlehnung an das Projekt "i2030" zum Ausbau der Regionaleisenbahnverbindungen von "U2030".
Ende 2018 musste Verkehrssenatorin Regine Günther auf Wunsch der Berliner SPD drei Machbarkeitsstudien (U6 auf das Flugfeld Tegel, U7 zum BER und U8 ins Märkische Viertel) in Auftrag geben, später kam eine vierte Studie für die U7 nach Heerstraße Nord hinzu.
Obwohl einige Studien fertig sind, ist keine offiziell veröffentlicht. Einige Zahlen sind mittlerweile bekannt. Günther hatte zuletzt angekündigt alle zusammen vorzustellen.
Vor allem die Berliner Grünen sehen den U-Bahn-Ausbau wegen der hohen Kosten kritisch und setzen auf die Straßenbahn. Auch innerhalb der Berliner SPD gibt es Stimmen, die auf die Straßenbahn setzen. Der Sprecher von Senatorin Günther, Jan Thomsen, betonte, dass in den 17 Jahren zwischen 1999 und 2016 keine einzige Machbarkeitsuntersuchung gestartet worden sei, "um den U-Bahn-Bau in Berlin voranzutreiben". Die Verlängerung der U5 zum Hauptbahnhof sei noch unter dem CDU-Regierenden Diepgen angestoßen worden. Die U5 soll nach BVG-Angaben im Dezember dieses Jahres eröffnet werden. Die Verkehrssenatorin habe "in eigener Ressortverantwortung" - und nicht auf Druck der SPD – gleich vier Machbarkeitsuntersuchungen in Auftrag gegeben, um "endlich eine valide Entscheidungsgrundlage für mögliche U-Bahn-Verlängerungen" zu schaffen. "Planung und Bau von U-Bahnen gehören zu einer Metropole dazu – seit dieser Wahlperiode auch wieder zu Berlin".
Jörn Hasselmann