Mietenpolitik des Senats: Streit um Mieterhöhungen bei der Gewobag
SPD-Fraktionschef Saleh und Bundespolitiker fordern vom Senat, Mieterhöhungen bei künftig landeseigenen Gewobag-Wohnungen zurückzunehmen.
Die jüngst erteilten Mieterhöhungen bei Wohnungen der Ado, die von der landeseigenen Gewobag gekauft wurden, haben den Senat am Dienstag beschäftigt. SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der selbst in einer dieser Wohnungen aufwuchs, hat im Senat „Lösungen" zugunsten der Mieter angemahnt. Wie am Montag berichtet, will die Gewobag an den Mieterhöhungen festhalten, die vor der mutmaßlichen förmlichen Übergabe am 1. Dezember ausgesprochen wurden und rechtmäßig sind. Die Firma ADO ist von der Rechtmäßigkeit der Mieterhöhungen überzeugt. Saleh dagegen meint, diese verstoßen gegen den Beschluss zum Mietendeckel des Senats, der seit Juni gilt. Besonders brisant ist der Fall, weil Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) bisher nur versicherte, rechtliche Maßnahmen gegen solche Mieter nicht durchzuführen, die der vor Wochen ausgesprochenen Mieterhöhung nicht zustimmten. Wer sich dagegen nicht wehrte, müsste die höhere Miete bezahlen.
„Wer aus Angst zustimmte, darf nicht bestraft werden"
SPD-Fraktionschef Raed Saleh brachte die Mieterhöhungen der ADO im Gewobag-Bestand, von denen er aus dem Tagesspiegel erfuhr, am Dienstag im Senat zur Sprache. Dem Vernehmen nach wurde kontrovers über das Thema diskutiert. „Für Mieter, die der Erhöhung schon zugestimmt haben, erwarte ich von der Gewobag und dem Senat eine mieterfreundliche Regelung, das kann nur eine Rücknahme der Mieterhöhung aus Kulanz oder wegen Härtefällen der Fall sein“. Im Übrigen unterstütze er „den Weg der Senatorin“.
Wie berichtet hatte Lompscher auf Tagesspiegel-Anfrage die Mieter dazu aufgefordert, die Mieterhöhungen nicht zu unterschrieben. Zurücknehmen wollte die Linken-Politikerin diese aber nicht. Saleh sieht das anders: „Wer aus Angst vor den Anwälten der Vermieter schon unterschrieben hatte, darf dafür nicht bestraft werden“. Denn „am Ende sind das unsere Hütten.“. Saleh wies ferner darauf hin, dass seit 18. Juni mit dem Senats-Beschluss zum Mietendeckel-Gesetz ein Verbot für die Erhöhung von Mieten gelte. Die Erhöhung sei daher ein „Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot“.
Bundestagsabgeordneter Schulz fordert „schnelle Korrektur"
„Die Gewobag muss ihre Haltung ganz schnell korrigieren – oder zur Not vom Senat dazu angewiesen werden", forderte auch Swen Schulz, gewählter SPD-Bundestagsabgeordnete aus Spandau. Natürlich müsse es auch in diesem Quartier eine Gleichbehandlung aller Mieter geben, erst recht bei einer bald landeseigenen Siedlung.
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Diejenigen, die der Mieterhöhung schnell zugestimmt haben, „weil sie nicht so wehrhaft sind oder den juristischen Kenntnisstand haben, sind eher die braven Bürger, die den meisten Schutz brauchen“. Genau das sei einer der Gründe, warum die Wohnungen in öffentlichen Besitz geholt würden. Daher „muss es natürlich eine rechtliche Lösung geben, damit die höheren Mieten nicht gezahlt werden müssen.
Linke Sommer warnt vor „Unterlaufen des Mietendeckels"
Auch aus der eigenen Partei gab es Kritik an dem von Katrin Lompscher (Linke) vorgeschlagenen Kompromiss, wonach lediglich auf Klagen verzichtet wird, aber die Mieterhöhung nicht zurückgenommen wird: Dann werde es „Mieter 1. und 2. Klasse geben. Das darf nicht sein", sagte Helin Evrim Sommer, für die Linke im Bundestag. Sommer weiter: „Ich fordere die Geschäftsführung der Gewobag nachdrücklich dazu auf, die ausgesprochenen Mieterhöhungen für unwirksam zu erklären und zurückzunehmen. Das habe ich auch in einem Brief an den Vorstand der Gewobag verlangt." Von einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, die dem Gemeinwohl verpflichtet sei, erwarte sie ein entsprechendes Handeln „und nicht, dass sie das anstehende Gesetz zum Mietendeckel unterläuft.“
Gewobag zahlte viel für die Wohnungen
Die betroffenen Wohnungen im Brennpunkt „Heerstraße-Nord" hatten ursprünglich der landeseigenen GSW gehört. Der Senat hatte diese Gesellschaft im Jahr 2004 für 409 Millionen Euro verkauft. 2015 erwarb die Ado 5750 GSW-Wohnungen für 375 Millionen Euro. Fast dreimal so viel bezahlt die Gewobag nun für den Rückkauf dieser Wohnungen: 920 Millionen Euro. Dieses Geschäft ist wegen des hohen Kaufpreises der stark sanierungsbedürftigen Immobilien stark umstritten. Ob die Gewobag die Kosten für die Finanzierung einspielen kann, hängt von der Höhe der Mieten ab.
"Politisch instinktlos" nennt der AMV die Mieterhöhungen
"Politisch instinktlos" nannte Marcel Eupen vom Alternativen Mieter und Verbraucherschutzverein "das Festhalten an den ADO-Mieterhöhungen". An den Verein hatten sich zahlreiche Mieter gewandt, die im August Mieterhöhungen erhalten hatten, denen sie bis Ende des Monats schriftlich zustimmen sollen - unter Androhung rechtlicher Schritte im Falle von Weigerung. Eupen zufolge "wurden die Mieterhöhungen von der ADO zum 1.November 2019 ausgesprochen. Die Übernahme durch die Gewobag soll zum 1. Dezember 2019 erfolgen.