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Spektakel für die Massen: Das Olympiastadion diente den Nationalsozialisten als sportliche Inszenierungsstätten.
© Tagesspiegel

Postkartensammlung zu Olympia 1936 in Berlin: Steine der Erinnerung

Eine Postkartensammlung zeigt die Bauten der Olympischen Spiele 1936 - und eröffnet einen neuen Blick auf die Stadion-Debatte von Hertha BSC

Was für ungehobene Schätze mögen auf den Dachböden und in den Kellern dieser Stadt noch verborgen sein? Nicht Gold oder Silber, nein, alte Fotos, historische Dokumente, vergraben im Wust unüberschaubarer, den Erben sich kaum erschließender Nachlässe. Die Museen der Stadt wären vermutlich dankbar, darauf einen prüfenden Blick werfen zu dürfen, aber allzu oft verschwinden die Schätze dann doch ungeborgen in der Mülltonne.

Nicht im Falle eines abgegriffenen Fotoalbums, eingebunden in braunes genarbtes Leder, mit einer ebenfalls braunen Schnur zusammengehalten, um die Dicke des Albums, die Anzahl der darin eingehefteten Blätter gegebenenfalls erweitern zu können, was hier kaum noch möglich wäre: Das Büchlein, nur 11 mal 19 Zentimeter groß, ist dick gefüllt mit Fotos von den Olympischen Spielen 1936 in Berlin. Ein Tagesspiegel-Leser hat es im Nachlass seines Großvaters gefunden und sich gleich gedacht, es könnte seine Zeitung interessieren, womit er sehr richtig lag. Dort hat er es auch abgegeben, ohne weitere Angaben zur Vergangenheit dieser Sammlung von knapp 50 Fotos zu machen, aber sie sprechen auch so für sich.

Postkarten zeigen die olympischen Sportstätten menschenleer

Und sie gewinnen in diesen Tagen, angesichts der Diskussionen über den möglichen Neubau eines reinen Fußballstadions für Hertha BSC, nahe dem Olympiastadion oder wo auch immer, neue Bedeutung als historische Zeugnisse. Dokumente also, die das Bewusstsein schärfen könnten für die – guten wie schlechten – Traditionen des ehemaligen Reichssportfeldes. Das erhielte durch einen Neubau, etwa auf dem heute kaum genutzten Maifeld, ein völlig verändertes Aussehen, vermittelte dann vermutlich einen neuen Gesamteindruck mit ins Neuzeitlich-Schicke verschobenem Ambiente, sodass das bislang sorgfältig ausbalancierte Gleichgewicht von Historie und Moderne aus den Fugen zu geraten drohte.

Fragen, die den ursprünglichen Besitzer des Fotoalbums noch nicht beschäftigen mussten. Möglicherweise war er selbst bei den Olympischen Spielen, etwa im Sanitätsdienst, eingesetzt, das deuten zwei kleinformatige, offenbar private Aufnahmen von medizinischem Personal an. Es sind Ausnahmen, denn überwiegend besteht die Sammlung aus Postkarten, wie sie während der Spiele wohl an fast jeder Straßenecke angeboten wurden.

Meistens zeigen sie die olympischen Sportstätten menschenleer, wie wartend auf die Wettkämpfer und ihr Publikum, nur auf einer Aufnahme sieht man das Stadion noch im Bau. Auch Luftaufnahmen sind darunter, an denen man die alte, durch die aktuellen Diskussionen infrage gestellte Gesamtkonzeption besonders gut studieren kann.

Die unüberdachte Waldbühne im Jahr 1936.
Die unüberdachte Waldbühne im Jahr 1936.
© Tagesspiegel

Mehrheitlich vor den Spielen entstanden

Manches Vertraute erscheint einem heute seltsam fremd, etwa die zeltdachlose Waldbühne, damals noch benannt nach Dietrich Eckart, einem 1923 gestorbenen nationalsozialistischen Publizisten, Verleger, Hitler-Berater und Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“. Nur noch in der Erinnerung – und eben auf einer der Postkarten – steht die Deutschlandhalle, dahinter ein künstlicher, elliptisch geformter Hügel von unklarer Funktion, etwa dort wo später die Eissporthalle entstand. Auch das olympische Dorf in Elstal ist mit mehreren Aufnahmen vertreten, die Wohngebäude der Sportler und das „Speisehaus der Nationen“ noch ohne Benutzungsspuren.

Die Aufnahmen dürften mehrheitlich vor den Spielen entstanden sein – als architektonische Dokumentationen, die zugleich die baulichen Leistungen des „Dritten Reichs“ feiern sollten. Fotos aus der Berliner Innenstadt dagegen zeigen den flaggengeschmückten Boulevard Unter den Linden aus allen Richtungen oder auch den damals zugepflasterten, durch die an den Rändern in Reih und Glied postierten Hakenkreuzfahnen fast selbst wie ein Stadion wirkenden Lustgarten. Auf einem Foto ist die Ankunft des Fackelläufers am Lustgarten festgehalten, der schon dort eine olympische Flamme entzündet.

Sportler sucht man in der Postkartensammlung fast vergebens

Sportler sucht man in der Postkartensammlung fast vergebens. Lediglich die deutsche Speerwerferin Tilly Fleischer ist auf einer „Amtlichen Olympia-Postkarte“ des Reichssportverlages zu sehen, wie sie gerade für ihre 45,18 Meter auf dem Siegertreppchen die Goldmedaille erhält. Und auch ihr Kollege Gerhard Stöck ist vertreten, mit 71,84 Metern Goldgewinner im Speerwurf auch er.

Ausländische Athleten, etwa der große Jesse Owens, fehlen in dem Album komplett, also auch der einsame Vertreter Haitis, der sich als Kanute qualifiziert hatte. Auf einer ebenfalls im Album steckenden Postkarte mit den Flaggen der teilnehmenden Nationen ist Haiti noch vertreten, auch beim Einzug der Sportler ins Olympiastadion ist der Mann dabei. Aber kurz vor den Wettkämpfen hatte die Ein-Mann-Mannschaft doch auf die Teilnahme verzichtet.

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