Himmel auf, Maske ab: "Star Wars"-Gottesdienst in der Zionskriche
Was haben Jesus und Luke Skywalker gemeinsam? Die Zionskirche lud zur „Star Wars“-Andacht. Doch wahre Helden brauchen keine Laserschwerter.
Kamerateams vom ZDF, vom italienischen und spanischen Fernsehen bis zur amerikanischen NBC drängen in die Kirche, Dutzende Fotografen und Journalisten wetteifern um den Platz mit dem besten Blick auf den Altar und ein paar verkleidete Abgesandte der galaktischen Mächte. Um zehn Uhr ist die Zionskirche heillos überfüllt wie sonst nur an Heilig Abend. Damit ein Gottesdienst solchen Rummel auslöst, muss eigentlich mindestens ein Tsunami passieren oder ein Bundespräsident zu Grabe getragen werden. Doch die beiden Vikare Ulrike Garve und Lucas Ludewig schaffen das auch mit einem „Star-Wars“-Gottesdienst.
Auf Facebook gab es im Vorfeld einige spöttische und gehässige Kommentare, doch die vielen Familien, die hier in Mitte und Prenzlauer Berg die Kirchen so zahlreich bevölkern, finden es gut, wenn die Pfarrer auch mal experimentierfreudig sind. Einige haben ihre eigenen kleinen Darth Vaders auf dem Schoß sitzen.
Kurz vor Beginn des Gottesdienstes liefern sich draußen vor der Kirchentür ein Storm Trooper und ein Darth Vader noch ein telegenes, kurzes Scharmützel mit ihren Lichtschwertern, da erklärt drinnen die Zionskirchen-Pfarrerin schon halb entschuldigend, „dass wir einen Gottesdienst feiern wollen, wie wir ihn hier jeden Sonntag feiern. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.“ Man solle sich bitte nicht von den Kameras stören lassen.
Filmszenen wurden abgespielt
Die Orgel spielt die Titelmelodie des Films als Intro, und die angehende Pfarrerin Ulrike Greve erklärt, worum es geht: Man wolle mit dem Gottesdienst den „Spagat zwischen Welt und Universum“ wagen, einen Weg bahnen „zwischen Lichtschwert und Kreuz“. An der Orgel macht Martin Klemenz vor, wie spielerisch sich Filmmusik und Adventslieder verbinden lassen.
Wer der Popkultur so weit die Kirchentür öffnet, macht sich angreifbar. Dazu gehört selbst bei Berliner Protestanten Mut. Die Fallhöhe ist ja auch verdammt groß, überall lauern Tücken und die Gefahr, auf selbst konstruierten Vergleichen auszurutschen.
In der Zionskirche geht es damit los, dass die Vikare vorn von Laserschwertern und Sternenkrieg sprechen, aber schon die Technik beim Abspielen der Filmszenen nicht mitmacht. „Lauter, lauter“, ruft es von hinten, als der Videobeamer eine Szene aus Star Wars zeigt. Luke Sykwalker ringt mit seinem Vater Darth Vader.
Es ist die Schlüsselszene des Films, der Kampf von Gut und Böse ist auf dem Höhepunkt angelangt. Doch leider versteht man nichts. Nach einigem Hin und Her, Piepsen der übersteuerten Tonspur, und zunehmender Unruhe im Kirchsaal, hört man schließlich doch noch das unheimliche Atmen von Darth Vader durch die schwarze Maske hindurch, und er sagt zu Luke: „Du weißt nicht, wie stark die dunkle Seite der Macht ist.“ Luke, der gute Luke – jetzt, nach 30 Jahren fällt einem auf, wie furchtbar schlecht Mark Hamill diesen Luke spielt – entgegnet: „Mich bekehrst du nicht. Ich werde niemals zur bösen Macht gehören.“ Er fordert seinen Vater auf: „Befreie dich von deinem Hass.“ Denn er wisse doch, dass noch viel Gutes in ihm stecke. „Der Imperator hat nicht alles zerstört.“
Weder Lichtschwert noch Rüstung
Dieser Luke erstaune sie, sagt jetzt Ulrike Garve in der Predigt. Denn er sehe in Darth Vader nicht den fiesen Handlanger des Bösen, sondern durch die Maskerade hindurch das Gute in ihm. Luke glaubt daran, dass sich sein Vater verändern kann, dass er sich vom Bösen abwenden und dem Guten zuwenden kann. Luke sei ein „Umkehr-Ermöglicher“.
„Auch bei Gott gibt es keinen Point of no return“, überträgt Vikars-Kollege Lucas Ludewig den Gedanken ins Christliche. Auch Gott schaue ins Innere des Menschen, in sein Herz. Auch Jesus sei ein Umkehr-Ermöglicher, denn auch er habe an das Gute im Menschen geglaubt und sich mit Zöllnern und Huren an einen Tisch gesetzt.
Noch ein paar Mal wirft der Beamer Filmszenen an die Leinwand, und die beiden angehenden Pfarrer schlagen die Brücke zur Bibel. Ihre Predigt läuft auf die Aussage hinaus, dass eine Umkehr zum Guten immer möglich ist und dass der wahre Held dazu weder Lichtschwert noch Rüstung braucht. Der wahre Held muskelt sich nicht auf, sondern wirft wie Luke Skywalker das Schwert weg und zeigt sich wie Jesus an Weihnachten als schwaches, hilfloses Kind in der Krippe.
Leider merkt man dem Gottesdienst schnell an, wie sehr sich die Pfarrer unter Druck fühlen, alles richtig zu machen und bloß dem Christentum den größten Raum zu geben. Dafür bemühen sie alles, was zum guten Ton gehört – von der jüdischen Tora über den Apostel Paulus bis zu Dietrich Bonhoeffer, den Flüchtlingen und „Heiland, reiß die Himmel auf“. Die Predigt gerät zur Stopfgans und bleibt an der Oberfläche kleben.
Ein Augenzwinkern schadet nie
Der Hinweis, dass Jesus Jude war, fehlt ebenso wenig wie Bonhoeffers „gute Mächte“ und seine Erkenntnis, dass es Situationen in der Geschichte gibt, in der man „dem Rad in die Speichen“ greifen und Gewalt anwenden müsse. Indem so viel miteinander in Beziehung gesetzt wird, wird alles gleichermaßen wichtig – und gleichermaßen banal. Bonhoeffers Widerstand gegen die Nazis wird auf diese Weise genauso klein gemacht wie die Rede von Gott und Luke Skywalkers Kampf gegen das Böse.
Es wäre besser gewesen, nur eine Filmszene zu zeigen, sich inhaltlich auf einen Aspekt zu konzentrieren und diesen in die Tiefe auszulegen. Auch ein Quäntchen Ironie und Humor oder wenigstens ein Augenzwinkern schadet nie. Deshalb braucht es solche Experimente viel öfter. Damit sich die Pfarrer irgendwann nicht nur das Event an sich zutrauen, sondern auch noch eine richtig gute Predigt.
Anknüpfungspunkte gibt es viele. Theologie und populäre Mythen beackern ja dieselben Felder. Sie zeigen die Größe und Begrenztheit des Menschen und führen vor, dass wir beides sind: mal Held, mal Versager, mal gut, mal böse.