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Für viele zu groß, zu gewaltig, zu schnell: der verunfallte Mercedes am Bahnhof Zoo.
© Tobias Schwarz/AFP

Zu sehr an motorisierte Gewalt gewöhnt: Sperrt die SUV endlich aus den Städten aus!

Am Bahnhof Zoo rast ein Fahrer in eine Menschenmenge, wieder mit einem SUV. Geländewagen – Symbole für Macht und Protz – sind stadtfeindliche Autos. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jörn Hasselmann

Wieder rast ein Stadtgeländewagen (SUV) mitten in Berlin in eine Menschenmenge. Direkt am Bahnhof Zoo. Keine 200 Meter von hier hatte kurz vor Weihnachten 2016 der Islamist Anis Amri mit einem Lastwagen elf Besucher des Weihnachtsmarktes getötet.

Die Absperrbänder der Polizei flatterten damals an den gleichen Laternenmasten. Zwei Gedanken schießen einem durch den Kopf, sie passen nicht zusammen: Hoffentlich kein Anschlag! Wieder ein SUV!

Als die Feuerwehr vor dem Bahnhof Zoo eintrifft, liegt noch ein Passant eingeklemmt unter dem tonnenschweren Geländewagen. Befürchtet wird ein Terroranschlag. Sprengstoffhunde sind im Einsatz, schwer bewaffnete Polizisten sichern den Platz.

Dann Entwarnung, es war kein Anschlag. Kurzzeitige Entspannung. Auch beim Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann, der sich „erleichtert“, zeigt, dass es „kein politisch oder religiös motivierter Anschlag“ war.

Wir haben uns schon zu sehr an motorisierte Gewalt gewöhnt

Doch zugleich stellt sich Unbehagen ein. Denn diese reflexhafte Erleichterung zeigt, wie sehr wir uns an motorisierte Gewalt gewöhnt haben. Für die Verletzten und Schwerverletzten ist es unerheblich, ob sie versehentlich vom Fahrer eines rasenden Geländewagens oder mit Vorsatz von einem Terroristen umgefahren werden.

Der Aufprall war so heftig, dass auch ein provisorischer Strommast mit Sockel umstürzte.
Der Aufprall war so heftig, dass auch ein provisorischer Strommast mit Sockel umstürzte.
© Paul Zinken/dpa

Gleiches gilt für die Fahrzeugart: Sicher hätte auch ein VW Polo schwerste Verletzungen verursacht, wenn er in eine Gruppe von Menschen fährt. Doch es war wieder ein SUV. Hatte nicht erst kürzlich ein ebenso schwarzer Geländewagen, der auf einen Gehweg in der Invalidenstraße raste, vier Menschen in Berlin getötet? Auch wenn der Fahrer hier aus anderen Gründen die Kontrolle verlor.

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Es mag umstritten sein ob Geländewagen eine größere Gefahr im Straßenverkehr darstellen als andere Wagen. Aber der SUV ist Symbol für Macht und Protz. Und für Sicherheit für denjenigen, der hinter mehreren Tonnen Blech am Steuer sitzt.

Das gefährliche Gefühl der Unbesiegbarkeit

Einige Fahrer scheinen sich daher unbesiegbar zu fühlen. Das gilt zumindest für die jungen Männer, die als Raser unterwegs sind. Wie es auch bei diesem schweren Unfall am Bahnhof Zoo der Fall gewesen sein muss. Eher heitere Blüten trieb das Allmachtsgefühl eines deutschen SUV-Fahrern in Holland, wo sich das ganze Land darüber lustig macht, wie der SUV-Fahrer versucht, in eine Tiefgarage für Fahrräder zu fahren.

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Aber oft sind die Folgen ernst, immer öfter todernst. Die eine Hälfte der Deutschen fährt einen Geländewagen, die andere Hälfte hat Angst vor ihnen. Der Ruf dieses stadtfeindlichen Automobils ist so grundlegend ruiniert, dass es verwundert, wieso es keine Restriktionen von Staats wegen gibt.

Wieso dürfen diese überbreiten und überschweren Fahrzeuge noch immer in die Stadt? Wieso müssen die Besitzer keine Sondersteuer zahlen?

Deutschland ist offenbar im tiefsten Herzen immer noch ein Autoland, sodass darüber nicht einmal diskutiert wird. Schon der Gedanke scheint blasphemisch. Und so jagt ein Verkaufsrekord dieser Stadtgeländewagen den nächsten. Aber auch die Liste der schweren Unfälle wird länger.

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