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Ermittler untersuchen einen Rollstuhl. Der Geländewagen fuhr auch gegen den Briefkasten rechts und kam dort zum Stehen.
© Tobias Schwarz/AFP
Update

Schwerer Unfall in Berlin-Charlottenburg: Autofahrer rast mit SUV in Menschengruppe am Bahnhof Zoo

Mit 0,7 Promille: Sonntagfrüh verliert ein Mann am Hardenbergplatz die Kontrolle über sein Auto. Sechs Passanten werden verletzt, einige sind Obdachlose.

Direkt vor dem Berliner Bahnhof Zoo ist am Sonntagmorgen ein Autofahrer in eine Gruppe Passanten gefahren. Drei Personen wurden dabei laut Feuerwehr schwer verletzt, drei weitere leicht. Beamte der Bundespolizei, die im Bahnhof auf Streife waren, nahmen den 24-jährigen Fahrer sofort fest.

Da zunächst ein Anschlag nicht ausgeschlossen werden konnte, wurde ein Sprengstoffspürhund an das Auto gebracht, dieser schlug nicht an. Bislang deute aber nichts auf einen Anschlag, eine politische oder religiöse Motivation des Fahrers hin, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei vor Ort, es handele sich um ein "Unfallgeschehen". Zunächst waren mit Maschinengewehren ausgerüstete Beamte zum Charlottenburger Hardenbergplatz beordert worden. Der unverletzt gebliebene 24-Jährige wurde in ein Polizeigewahrsam gebracht.

Der schwarze Mercedes-Geländewagen hat ein estnisches Kennzeichen. Der Mann habe eine deutsche Meldeadresse, aber nicht in Berlin. Nach Angaben der Polizei handelt es sich um einen Mann aus dem Kosovo. Gegen den Mann wird nun wegen des Verdachts des versuchten Totschlags und des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt.

Ein Atemalkoholtest habe bei ihm einen Wert von 0,7 Promille ergeben, sagte ein Polizeisprecher am Sonntagnachmittag. Hinweise auf Drogenkonsum gebe es aber nicht. Über das Ergebnis der Alkoholmessung hatte zuerst ein Reporter des RBB berichtet.

Zunächst war von sieben Verletzten die Rede gewesen. Der Polizeisprecher korrigierte diese Zahl am Nachmittag: Statt vier Leichtverletzten gebe es nur drei - einen Mann und zwei Frauen - sowie drei schwerverletzte Männer. Die Schwerverletzten gehören dem Sprecher zufolge zum Obdachlosenmilieu. Zwei der drei Männer seien auch am Nachmittag noch nicht ansprechbar gewesen und ihre Identität nicht bekannt.

Mercedes-Fahrer wollte zu schnell um die Kurve

Zeugen berichteten, dass der Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit von der Joachimsthaler Straße nach links in die Hardenbergstraße einbiegen wollte. Dabei habe der Mann die Kontrolle über seinen Wagen verloren und sei auf den Gehweg geraten, wo gegen 7 Uhr schon viele Menschen unterwegs waren.

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Die Polizei sperrte die Kreuzung ebenso wie alle zuführenden Straßen für mehrere Stunden ab. Der Unfallort wurde am Vormittag mit 3D-Laserscannern für die so genannte digitale Unfallaufnahme vermessen. Auch ein externer Unfallgutachter wurde hinzugerufen.

Am Mittag wurde die Unfallstelle wieder freigegeben. Auch der zwischenzeitlich gesperrte Ausgang Hardenbergplatz des S-Bahnhofs Zoologischer Garten konnte wieder genutzt werden. Gegen 13 Uhr erinnerten noch Markierungen am Boden an das Geschehen. Unfallexperten der Polizei hatten hier zuvor Spuren gesichert.

Provisorische Stromleitung gerammt, Mast umgeknickt

Ermittelt wird auch, ob der Fahrer noch versuchte, vom Unfallort zu flüchten. Denn nach der Schleuderfahrt kam er erst an einem Briefkastengestell der Post zum Stehen - der Wagen steht so, als wenn der Fahrer zurück auf die Hardenbergstraße fahren wollte.

Die Unfallstelle kurz vor der Bahnhofsbrücke.
Die Unfallstelle kurz vor der Bahnhofsbrücke.
© Jörn Hasselmann

Bei der Fahrt über den Gehweg rammte der Wagen auch eine provisorische Stromleitung, der Mast knickte um, das Kabel lag auf der Fahrbahn. Auch der neue Chef der Polizeidirektion 2, Thomas Goldack, war vor Ort. Gegen den 24-Jährigen, der alleine im Auto saß, wird laut Polizei von der örtlich zuständigen Direktion 2 wegen Verdachts auf versuchten Totschlags und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ermittelt, hieß es. Am Nachmittag wurde der Mann von der Kripo vernommen.

Unter dem SUV eingeklemmtes Opfer musste reanimiert werden

Die Feuerwehr wurde um 7.22 Uhr alarmiert. Ein Sprecher sagte, dass beim Eintreffen der ersten Kräfte eine Person unter dem SUV eingeklemmt war und zunächst befreit und anschließend vor Ort reanimiert werden musste.

Notfallseelsorger betreuten 16 Personen, die Zeugen des Geschehens wurden, psychologisch. Beide Berliner Rettungshubschrauber und etwa 60 Beamte waren im Einsatz, sagte ein Feuerwehrsprecher. Massiv gestört wurde der Busverkehr, die BVG hat am Hardenbergplatz einen der wichtigsten Knotenpunkte stadtweit. Zehn Linien mussten über Stunden umgeleitet werden.

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Etwa fünf Stunden nach dem Unfall wurde der Wagen gegen Mittag abtransportiert. Als ihn ein Kranwagen in die Luft hob, untersuchten Unfallexperten der Polizei zunächst die Unterseite des Fahrzeugs, fotografierten und nahmen mit einem Zollstock Maß.

Die Kreuzung ist weiträumig abgesperrt.
Die Kreuzung ist weiträumig abgesperrt.
© Jörn Hasselmann
Kurzzeitig durften Fotografen auf den ansonsten weiträumig abgeriegelten Platz.
Kurzzeitig durften Fotografen auf den ansonsten weiträumig abgeriegelten Platz.
© Jörn Hasselmann

Reinhard Naumann, Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, zeigte sich "sehr betroffen und zugleich erleichtert, dass es sich Polizei-Informationen zufolge nicht um einen politisch oder religiös motivierten Anschlag handelt". Unwillkürlich komme sofort die Erinnerung an den Anschlag vom 19. Dezember 2016 auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche auf. Seine Gedanken und guten Wünsche seien bei den Opfern des Unfalls.

Immer wieder geraten SUVs für den Stadtverkehr in die Kritik - zuletzt etwa nach dem schweren Unfall im September 2019 an der Invalidenstraße in Mitte: Ein 42-Jähriger Fahrer eines Porsche-SUV erlitt einen Krampfanfall und fuhr ebenfalls in eine Gruppe Passanten auf dem Gehweg. Vier Menschen starben. (mit dpa)

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