Sondierungs-Patt in Berlin: Es geht kaum noch ohne eine Art von Gesichtsverlust
Ampel oder Rot-Grün-Rot? Sowohl Giffey als auch Jarasch kämpfen mit allem, was sie haben. Eine von beiden wird politisch beschädigt. Ein Kommentar.
Sie haben sich in ein Patt manövriert. SPD und Grüne stehen in den Sondierungsgesprächen um eine neue Koalition zwar Seit an Seit auf der Suche nach einem dritten Partner.
Doch sie ringen gleichzeitig heftig miteinander, wer das sein soll: SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hat sich deutlich für die FDP ausgesprochen. Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch genauso deutlich für die Linkspartei.
Beide dürften notfalls sehr einleuchtende inhaltliche Punkte finden, um mögliche Koalitionsverhandlungen zu torpedieren: Giffey könnte glaubwürdig betonen, mit den „linken Enteignern“ keine gemeinsame Sache machen zu wollen.
Jarasch könnte im Bezug auf die FDP antworten, nicht mit „der Immobilienlobby“ am Regierungstisch sitzen zu wollen. Beides würde jeweils große Teile der Parteiseele streicheln – und so eine Koalition verhindern. Aber was dann?
Die Fronten haben sich in den vergangenen Tagen durch Zwischenrufe besonders aus der SPD eher verhärtet, als dass sich irgendeine Art Pragmatismus zeigt, wie er zurzeit auf Bundesebene insbesondere bei FDP und Grünen zu bestaunen ist.
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Teile der SPD setzen ihre Kandidatin schwer unter Druck, sich doch in Richtung Rot-Grün-Rot zu bewegen. Auch das Lager von Michael Müller spielt gegen Giffey – und verschlechtert ihre Verhandlungsposition damit massiv. Denn weil sich die neue Parteiführung professionelles Schweigen auferlegt hat, scheint die innerparteiliche Opposition zurzeit lauter, größer ist sie eher nicht.
Bei den Grünen erwarten viele von Jarasch ein Veto gegen die Ampel
Aber auch Jarasch geht ins Risiko, nämlich mit ihrer deutlichen Positionierung für Rot-Grün-Rot. Gerade im linken Parteiflügel und der von diesem Flügel dominierten Fraktion gibt es nicht wenige, die von ihr ein Veto gegen eine Ampel-Koalition erwarten – das hat die erfahrene Verhandlerin bislang klugerweise vermieden.
Schon jetzt ist es für beide Frauen schwer, die Sondierungen ohne Gesichtsverlust hinter sich zu bringen. Giffey kann nach ihrem ehrlichen Plädoyer für das Bündnis mit der FDP nur schwer glaubwürdig für Rot-Grün-Rot einstehen.
Bei Jarasch (und ihrer Partei) gilt das Gleiche umgekehrt. Beide sind deshalb gezwungen, mit allem, was sie haben, für ihren Weg zu kämpfen. Das erschwert die Sondierungen und ist wohl einer der Gründe für die mehr als siebenstündigen Marathon-Sitzungen am Montag und Dienstag.
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Jarasch scheint zurzeit klar im Vorteil, denn sie hat weniger zu verlieren als die Wahlgewinnerin und weiß ihre Partei voll hinter sich. Zudem ist die Abgeordneten-Mehrheit für eine Ampel-Koalition wacklig. Giffey braucht nun einen unerwarteten Schachzug, um das Patt noch in einen Erfolg zu wenden. Sonst droht von ihren Wahlversprechen wenig zu bleiben.
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