Berlin-Wahl in Gefahr: SPD geht auf Koalitionspartner CDU los
SPD-Fraktionschef Raed Saleh kritisiert CDU-Innensenator Frank Henkel scharf. Die Opposition macht die "Unfähigkeit" der Regierung für das Chaos verantwortlich, das die Abgeordnetenhauswahl gefährdet.
Nach dem Brandbrief der Landeswahlleiterin Petra Michaelis-Merzbach, die eine „ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen am 18. September gefährdet“ sieht, kritisiert der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh Innensenator Frank Henkel (CDU) ungewohnt scharf. „Wir finden es inakzeptabel, dass die Innenbehörde nicht nur die unbefriedigenden Zustände in den Bürgerämtern, sondern offenbar auch die gravierenden Probleme bei der von ihr veranlassten und verantworteten Umstellung der Wahlabläufe
aussitzen will“, sagte er dem Tagesspiegel. „Herr Henkel muss endlich aufwachen und auch wenigstens einmal persönlich handeln.“ Der Senator trage die Verantwortung dafür, wenn von der Regierungsbeteiligung der CDU nur der „Bello-Dialog“ und das Versagen beim Lageso übrig bleibe, sagte Saleh am Sonnabend.
Der Koalitionspartner CDU bemühte sich darum, die Zuständigkeit für die ernsten Probleme bei der technischen und organisatorischen Vorbereitung der Abgeordnetenhaus- und Bezirkswahlen in eine andere Richtung zu lenken. „Wir gehen davon aus, dass das Landeswahlamt gemeinsam mit den Bezirkswahlämtern einen reibungslosen Ablauf der Wahlen am 18. September gewährleisten wird“, verlautete aus CDU-Fraktionskreisen. Ein Sprecher der Senatsinnenverwaltung hatte bereits am Freitagabend auf den Brief
der Landeswahlleiterin an die Innen-Staatssekretäre Andreas Statzkowski und Bernd Krömer (beide CDU) reagiert. „Wir nehmen die Probleme sehr ernst und arbeiten an der Lösung“, sagte er. Die Wahl sei nicht gefährdet.
Opposition: "SPD und CDU hätten jede Legitimation verloren"
Die Opposition sieht das etwas anders. „Es dürfte das erste Mal sein, dass eine Regierung ihre Wahlperiode durch eigene Unfähigkeit verlängert“, twitterte der Landeschef und Spitzenkandidat der Linken, Klaus Lederer.
Der Grünen-Landeschef Daniel Wesener warnte die rot-schwarze Koalition: „Sollte es wirklich so weit kommen, dass in Berlin erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg keine freien und geheimen Wahlen stattfinden können, haben SPD und CDU jede Legitimation verloren, unsere Stadt zu regieren“, sagte er am Sonnabend.
Der Pirat Simon Weiß findet die Situation ebenfalls „sehr beunruhigend“. Er habe zwar Schwierigkeiten sich vorzustellen, dass am 18. September keine Wahl stattfinden, doch „mit diesem Senat haben wir schon viel erlebt“. Die Probleme mit der Wahlsoftware, die von der Wahlleiterin Michaelis-Merzbach in ihrem Brief detailliert beschrieben wurden, seien gewiss lösbar, so Weiß. „Aber dafür braucht man genügend Zeit und die ist drei Monate vor der Wahl nicht mehr vorhanden.“ Der IT-Experte der Piraten findet den Vorschlag der Landeswahlleiterin klug, ein Krisenteam zur Lösung der komplexen Probleme einzusetzen. Der Senat solle sich diese Idee sofort zueigen machen.
Beamtenbund: Vielleicht muss es erst so richtig knallen
Auch der Beamtenbund (dbb) in Berlin und Brandenburg meldete sich zu Wort. „Wir erwarten eine unverzügliche Unterstützung seitens der Politik, damit die Landeswahlleiterin die Berliner Wahlen ordnungsgemäß vorbereiten und durchführen kann“, erklärte der dbb-Landeschef Frank Becker. Vielleicht müsse es erst einmal so richtig knallen, damit alle politischen Verantwortlichen aufwachen „und feststellen, dass es ein großer Fehler war, den öffentlichen Dienst in Berlin kaputt zu sparen“, so Becker. Die damit verbundenen Probleme könnten allerdings nicht von heute auf morgen behoben werden. Der Beamtenbund habe immer wieder zusätzliches Personal und eine moderne technische Ausstattung für die Berliner Verwaltung gefordert. Stattdessen knirsche es schon seit langer Zeit überall. Auch die prekäre Situation in den Bürgerämtern, die zu einem „Meldestau“ geführt habe, gefährde die Rechtmäßigkeit der bevorstehenden Wahl, warnte Becker.
Wie berichtet, hatte Landeswahlleiterin Michaelis-Merzbach in einem zweiseitigen Brief zahlreiche Probleme mit einer neuen Melde- und Wahlsoftware geschildert, die ihrer Meinung nach die ordnungsgemäße Duchführung der Wahl im September gefährden. Sie stellte den „Zeit- und Maßnahmeplan“, den das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten aufgestellt hat, um die Probleme zu lösen, in Frage und schlug vor, eine wöchentliche Krisenrunde einzurichten, in der alle Beteiligten in enger Abstimmung die Fehler zügig beheben müssten.