Wohnungsmangel in Berlin: Sorry, voll vermietet!
Eine neue Studie zeigt: Aus Angst sich zu verschlechtern, zieht niemand mehr um – was nicht nur für Familien zum Problem wird.
Berlin ist voll vermietet. Wer eine Wohnung hat, zieht nicht mehr aus: Denn Mieten und Kaufpreise steigen mit „Höchstgeschwindigkeit“, wie der Wohnungsmarktbericht von Berlins Förderbank IBB zeigt. Wer eine Wohnung vor einigen Jahren mietete, kann sich deshalb nur verschlechtern. Für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Stadt ist das verheerend.
„Die Binnenwanderung in Berlin ist auf acht Prozent gesunken“, sagt Arnt von Bodelschwingh. Er hat mit seiner Firma Regiokontext den Bericht zum Wohnungsmarkt verfasst und sieht diese Zahl mit Sorge. Einfach ausgedrückt gibt sie Auskunft über die Bereitschaft der Berliner, innerhalb der Stadt umzuziehen. Diese ist durch die Wohnungsnot dramatisch gesunken. Familien, deren Kinder zum Studieren fortziehen und weniger Platz brauchen, ziehen nicht um, weil kleinere Wohnungen mehr Miete kosten würde. Dasselbe gilt für Senioren.
Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum hat die Situation verschärft
Deshalb finden wiederum Paare, die in einer Zweizimmer-Wohnung leben und Nachwuchs erwarten, keine Alternative mit einem zusätzlichen Kinderzimmer.
Verschärft wird die Wohnungsnot zusätzlich durch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum. 16.000 Wohnungen innerhalb nur eines Jahres privatisierten die Eigentümer auf diese Weise. Verhindern konnte das nicht mal die Ausweisung von immer größeren Teilen der Stadt in „Milieuschutzgebiete“: 56 Gebiete sind es nunmehr, mit 450.000 Wohnungen, in denen 850.000 Menschen wohnen. Trotzdem wurden 100.000 Wohnungen in den vergangenen zehn Jahren in Eigentum umgewandelt.
„Das findet dort statt, wo man es vermutet“, sagt Bodelschwingh. In Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf etwa. Oft seien es Erben von Hauseigentümer, die sich mit der Verwaltung nicht befassen wollen und das Grundeigentum versilbern. Problematisch ist das dem Forscher zufolge vor allem wegen der gewaltigen Kaufpreise für Eigentumswohnungen in Berlin.
Wer mehr als 4500 Euro pro Quadratmeter bezahle, müsse schon hohe Mieten von an die 17 Euro je Quadratmeter fordern, damit das neue Eigentum kein Zuschussgeschäft wird. Da sei die Versuchung groß, Altmieter mit günstigen Mietverträgen irgendwie loswerden zu wollen, luxuriös zu sanieren und die Wohnung vielleicht sogar auf einem der Online-Portale möbliert unter Umgehung der Mietpreisbremse anzubieten.
Berlin verliert kaum Einwohner durch Fortzüge
Suchen die Berliner deshalb immer häufiger Wohnungen außerhalb der Stadt – schließlich verliert Berlin viele Bewohner ans Umland? „11.000 Fortzüge sind für eine Stadt mit 3,5 Millionen Einwohner nicht wirklich viel“, sagt der Forscher. Kein Vergleich mit der Zeit kurz nach der Wende. Da entdeckten die Berliner das Umland, zogen nach Kleinmachnow oder Potsdam, bis zu 30.000 waren es im Jahr. Vor allem Spandau oder auch das heute hippe Neukölln seien damals regelrecht ausgeblutet. Wohnungsnot war damals in Berlin kein Thema.
Heute ist Potsdam allenfalls für einige wenige mit höherer Zahlungskraft eine Option. Die Landeshauptstadt wächst selbst auch gewaltig durch Zuzug: Forschungseinrichtungen und Universität ziehen qualifizierte Menschen aus dem Ausland an. Zwei Drittel des Bevölkerungszuwachses komme nicht aus Berlin, sondern aus den USA, Spanien, und dem Umland. Und Potsdam stemme sich stärker gegen die Wohnungsnot, sei eine Stadt mit der „stärksten Bauintensität“ bundesweit überhaupt, sagt Forscher Bodelschwingh.
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