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Verregneter Advent. Aber wer ein paar Zentimeter tief gräbt, steht im Staub.
© Valery Sharifulin / imago

Stadtklima in der Statistik: So war das Berliner Wetter 2018

Nur im Jahr 1756 gab es eine noch höhere Durchschnittstemperatur. Was das für Berlin bedeutet und was man tun kann.

Nach dem verregneten Adventsfinale ein klatschnasses Jahresende, auf das ein schneereicher Winter folgt: Es wäre das Beste, was Berlin und Brandenburg passieren kann, damit es auch 2019 wieder grünt. Denn das Wetter im Rekordjahr 2018 hat sich auch in seinen letzten Wochen keineswegs normalisiert. Es fällt nur nicht mehr so auf, seit im November die letzte Spätsommerwärme weggeblasen wurde und sporadischer Regen die Böden oberflächlich befeuchtet hat. Wer ein paar Zentimeter tief gräbt, steht im Staub. Und wer an einen See ohne Flussanschluss fährt, blickt auf verdächtig große Strände, weil der Wasserspiegel um einen halben Meter gesunken ist.

Von den knapp 600 Litern Niederschlag, die im langjährigen Mittel auf jeden Quadratmeter Berlins fallen, kamen in diesem Jahr bis zum vierten Advent kaum 350 herunter. Oder, als Wassersäule gedacht: Von 60 Zentimetern fehlen 25. „In Verbindung mit der hohen Verdunstung durch die Hitze ist das richtig schlimm“, sagt Jörg Riemann, Chefmeteorologe der Tempelhofer „Wettermanufaktur“, zu deren Kunden auch Landwirte gehören. Für die wird die Frage, ob und womit sie im Frühjahr ihre unter dem Pflug staubenden Felder bestellen sollen, bald existenziell.

Eine Wiederholung dieses Wetters verkraftet die Natur kaum

Zwar bleibt uns dank der Globalisierung eine Hungersnot erspart, obwohl die Ernte bescheiden war und das heimische Grünfutter fürs Vieh schon im Sommer knapp wurde. Aber eine Wiederholung des 2018er-Wetters wird die Natur – von der Trinkwasser spendenden Spree bis zu den Straßenbäumen – nur schwer verkraften. Zumal selbst das bisher trockenste Jahr 1911 noch 30 Liter mehr Regen brachte als das aktuelle und obendrein relativ kühl war. Und zwischen zwei ebenfalls extrem trockenen Sommern in den 1970ern lag ein besonders nasser Winter.

Riemann und sein Kollege Friedemann Schenk vom Verein Berliner Wetterkarte haben die Archive nach Präzedenzfällen durchstöbert – und mussten sehr weit zurückblättern: Fürs Jahr 1756 lässt sich aus Aufzeichnungen eine Mitteltemperatur von 11,7 Grad rekonstruieren, die noch höher lag als die voraussichtlichen 11,0 Grad dieses Jahres. Auch der Sommer 1757 war womöglich noch ein Grad wärmer als dieser, der es – inklusive Nächte! – auf 20,4 Grad brachte. Nur sind die uralten Daten nicht völlig verlässlich, denn lückenlose Aufzeichnungen gibt es erst seit etwa 120 Jahren.

Kräftiges Plus auch bei den Sonnenstunden

Der Sonnenschein wird an der Berliner Referenzstation in Dahlem seit 1952 gemessen. 1625 Sonnenstunden stehen uns in einem Durchschnittsjahr zu. 1976 war mit 1382 Stunden das bisher trübste Jahr, und nur vier Mal wurde die Marke von 2000 Stunden geknackt. Den Rekord hielt das Jahrhundertsommerjahr 2003 mit 2134 Stunden. Die hatten wir 2018 schon lange vor dem trüben Advent hinter uns gelassen; das Jahr wird weit jenseits von 2300 Sonnenstunden durchs Ziel gehen.

Das 2018er-Wetter kann einem also aus mehreren Gründen spanisch vorkommen. Um die Rekordwärme zu verstehen, muss man bei der Rekordkälte beginnen: Ende Februar begann die späteste je in einem Berliner Winter registrierte Dauerfrostperiode: nachts minus zwölf und tags minus fünf Grad bei eisigem Nordostwind. „Noch kälter geht es zu dieser Zeit nicht mehr“, sagt Riemann.

Ein riesiges Hoch reichte von Skandinavien bis weit über Russland und brachte die eisige Luft zu uns. Erst nach Ostern drehte der Wind ein wenig auf Südost, sodass die Luft vom Balkan her kam und plötzlich mild war. So begann bei fast unveränderter Wetterlage der Turbo-Frühling, auf den der Endlos-Sommer folgte. Die Regentiefs, die vom Atlantik sonst etwa bis zur Ostsee kommen, hatten keine Chance, sondern wurden ins Polargebiet oder Richtung Iberische Halbinsel abgedrängt. Und zwar – was das Ungewöhnlichste war – über viele Monate.

„So entstand ein Teufelskreis“, sagt Riemann: „Weil ständig milde Atlantikluft in die Arktis strömte, war der Temperaturgegensatz zu den Subtropen geringer. Doch erst dieser Gegensatz ermöglicht die Bildung starker Tiefs, die das Blockadehoch verdrängen könnten.“ Seit dem Spätherbst scheinen die Verhältnisse nicht mehr unveränderlich, aber wirklich normalisiert haben sie sich laut Riemann nicht: Schon nach Heiligabend dürfte es wieder trocken bleiben.

Eine Vorschau auf das Wetter in der zweiten Jahrhunderthälfte

Nach Ansicht von Klimaforschern war das Jahr 2018 meteorologisch ein Ausflug in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts. Riemann hält das für möglich, aber auf präzise Klimawandelprognosen will er sich nicht festlegen: Die Zusammenhänge und Wechselwirkungen seien derart vielfältig, dass niemand sie komplett begreife. Fakt sei, dass sich in der wärmer und windiger gewordenen Arktis weniger Eis bilde, was die weitere Erwärmung verstärke – und unsere auf immerhin 52 Grad nördlicher Breite gelegene Region meteorologisch gewissermaßen nach Süden verschiebe. Ein ganzes Grad wärmer geworden ist es in Berlin in den vergangenen hundert Jahren auch schon.

Aber das, sagt Riemann, dürfte mindestens teilweise mit dem Wachstum der Stadt zu tun haben: Wo Häuser und Parkplätze entstehen, wird es an Sommertagen heiß und bleibt nachts warm. Deshalb lautet sein Resümee: Energie und Ressourcen zu sparen und möglichst wenig CO2 in die Luft zu blasen, kann nicht falsch sein. Genauso wenig falsch wie eine möglichst behutsame Verdichtung der wachsenden Stadt. Denn mehr Versiegelung sorgt für noch mehr Sommerhitze – und noch weniger Regen.

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