Perfektes Wetter, tolle Stimmung, mieser Klang: So lief das Konzert der Philharmoniker am Brandenburger Tor
Auch wenn der Klang aus den Boxen alles andere als ideal ist: 35.000 begeisterte Zuhörer erleben Beethovens "Neunte" unter freiem Himmel.
Auf der Haben-Seite dieses außergewöhnlichen Freiluftkonzertes stehen: Erstens das perfekte Wetter. Und zweitens die wunderbar entspannte Atmosphäre. Wer eine halbe Stunde nach Öffnung der Eingänge das Gelände auf der Tiergartenseite des Brandenburger Tores ganz ohne Publikumsstau betritt, findet direkt vor der Bühne ein veritables Sit-It vor.
Wenn die Behörden das Mitbringen von Klappstühlen verbieten, hatten sich die früh Angekommenen gedacht, dann setzen wir uns eben einfach auf den nackten Boden! Und viele, viele andere machen es ihnen nach. Wie lässig, wie charmant.
Auf der Soll-Seite dieses Gratiskonzertes der Berliner Philharmoniker zu Ehren ihres neuen Chefdirigenten Kirill Petrenko steht dagegen: der Sound. Was da aus den rechts und links der Bühne aufgestellten Boxentürmen schallt, ist meilenweit entfernt von der Klangqualität, die vor drei Wochen auf dem Gendarmenmarkt zu erleben war, ebenfalls bei einer Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie.
Denn bei der Übertragung des European Union Youth Orchestra aus dem Konzerthaus waren die Lautsprecher quer zur Leinwand aufgehängt. Was zu einem akustisch absolut erstaunlichen Ergebnis führte, für alle, die sich direkt im Abstrahlungsbereich der Boxen befanden.
Dass der Sound suboptimal ist, tut der Stimmung keinen Abbruch
Reichlich oldfashioned wirkt dagegen am Samstag die Anlage beim philharmonischen Sommernachtstraum vor dem Brandenburger Tor.
Wo allerdings auch eine weitaus größere Fläche zu beschallen ist, auf der sich bis zum Start der Direktübertragung im RBB rund 35.000 Menschen versammelt haben. Dumpf und stumpf wirken die Bässe, die hohen Streicher kommen zwar klar herüber, bleiben aber ohne Glanz. Passiert sonst wenig im Orchester, haben die Solo-Bläser eine angenehme Präsenz, spielt aber die volle Besetzung, wird es sofort wieder tumultös und verwaschen.
So hingebungsvoll Kirill Petrenko auch auf den Leinwänden beim Dirigieren zu beobachten ist, was vom langsamen dritten Satz aus den Boxen schallt, vermag keinen Zauber zu entfalten, kann nicht schweben. Nur ein Flachrelief bleibt auch der im Konzertsaal stets so erschütternde Beginn des Finales, der später hinzu tretende Rundfunkchor Berlin klingt, als sänge er irgendwo in einem Hinterzimmer. Der gelösten Stimmung der Massen tut das an diesem lieblichen Samstagabend keinen Abbruch, doch wer diesen Beethoven daheim im Fernsehen verfolgt hat, saß nicht nur bequemer, sondern hatte definitiv auch akustisch mehr Vergnügen.