Tagesspiegel-Aktion "Menschen helfen": Senioren durch Tablets mit der Welt verbinden
Essen auf Rädern ordern, mit den Enkeln reden – vieles geht für Senioren dank Internet. Der Tagesspiegel bittet um Spenden für Geräte und Software.
Jeden Morgen klingelt bei Ursula Stelzer in ihrer Hellersdorfer Wohnung das Telefon. Die 93-Jährige weiß dann eigentlich, schon bevor sie den Hörer abnimmt, wer am Apparat ist: Ihre ehrenamtliche Telefonpatin Eileen Seibt-Zudse, stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins „Sophia Berlin Gemeinnützige e. V.“. Diese erkundigt sich, ob es der Seniorin gut geht und was bei ihr für den Tag so ansteht.
88 solcher sogenannten Patenanrufe tätigen die 40 Ehrenamtlichen des Vereins jede Woche, in verschiedenen Ortsteilen Berlins und auch in Brandenburg. Bei den meisten Senioren klingelt nur einmal pro Woche das Telefon, bei anderen einmal im Monat – und Ursula Stelzer möchte jeden Morgen angerufen werden.
Sie hält ihr Hausnotrufsystem mit Armband nicht für sicher genug – und hat Sorge, dass es vielleicht nicht funktioniert, wenn sie zu Hause umkippt. Aber das ist nicht unbedingt immer das Hauptthema der Gespräche: „Heute haben wir über das neue Projekt gesprochen, über die ganze Technik und dass alles nur noch über Computer geht. Sogar Waschmaschinen sind ja heute richtige Computer“, sagt die 93-Jährige mit dem fluffigen grau-weißen Lockenkopf.
Das neue Projekt des Vereins – dabei geht es darum, Senioren den Umgang mit dem Tablet nahe zu bringen, als Internethelfer im Alltag, und dabei will auch der Tagesspiegel helfen und bittet seine Leserinnen und Leser um Spenden für „Menschen helfen!“ 2018/19.
Senioren den Umgang mit dem Tablet beibringen
„Wir sind ja Ansprechpartner für alles mit unserem Telefonservice im Patensystem“, sagt Eileen Seibt-Zudse. „Jeder Senior hat einen festen Ehrenamtlichen als Paten. Die Ehrenamtlichen sind oft auch schon älter, oder langzeitarbeitslos. Wir nutzen den Friseureffekt: Menschen, die einem nicht allzu nahe stehen, erzählt man oft eher seine Probleme als Freunden oder Verwandten.“
Und diese Probleme, so fiel es den Ehrenamtlichen auf, ließen sich oft leichter lösen, wenn die Senioren ein Tablet hätten und wüssten, wie man es nutzt. „Wir haben gemerkt, dass der Bedarf ständig da war“, sagt Seibt-Zudse. „Wenn man Essen auf Rädern bestellen möchte, kann man zwar immer noch bei einem Anbieter anrufen, wird aber oft auf den Menüplan auf der Internetseite verwiesen.“
Zudem gebe etwa kaum noch einen Lieferservice, bei dem man analog Lebensmittel bestellen kann. „Wer sich seine Lebensmittel per Internet selbst bestellt, wenn er nicht mehr zum Einkaufen gehen kann, spart Geld: Es kostet 50 Euro, wenn jemand vom Pflegedienst losgeht – nur für den Service, nicht für die Lebensmittel. Die Senioren bitten uns deshalb oft, für sie Essen im Internet zu bestellen. Das trauen sich viele nicht selbst zu. Sie denken: Ich mache dabei bestimmt etwas kaputt. Oder: Es lacht mich jemand aus.“
Dabei werde es durch Tablets für ältere Menschen einfacher, sich im Internet zu bewegen: Man kann sie mit ins Bett nehmen und muss nicht auf einem Stuhl sitzen, wenn man Rückenschmerzen hat. Die Bedienung mit den Fingern ist einfacher als mit der Maus. Es gibt keine Kabel mehr, die eine Stolperfalle sein könnten.
Geld für Tablets, Software und Beamer benötigt
„Und Tablets kosten nur noch 150 bis 200 Euro, sodass sich viele eins leisten können. Bevor man sich so etwas zulegt, muss man aber damit vertraut sein“, sagt Seibt-Zudse. „Wir haben mehrere Senioren gefragt: Würden Sie sich darauf einlassen, wenn wir es Ihnen genau erklären? Und da haben gleich mehrere Ja gesagt.“
Der Verein will Tablet-Workshops anbieten, in den Aufenthaltsräumen von Seniorenwohnhäusern, mit denen er kooperiert, für jeweils fünf Teilnehmer mit zwei Trainern. Aber der gemeinnützige Verein lebt zum größten Teil von Spenden – und der unentgeltlichen Arbeit der Ehrenamtlichen. Sechs Tablets als Lernmaterial, dazu Software, Router, Beamer – dafür ist kein Geld vorhanden. Deshalb bitten Eileen Seibt-Zudse und die anderen Ehrenamtlichen um die Spenden der Tagesspiegelleser für das neue Projekt.
Und das ist im Zuge des demografischen Wandels gesellschaftlich mehr als relevant: Mehr als 60 Prozent der Menschen über 70 sind laut einer Studie aus dem Jahr 2016 sogenannte Offliner. Das bedeutet: Sie kennen die Welt des Internets nicht – und damit fehlt ihnen zunehmend etwas, um am gesellschaftlichen Leben und seinen Vorteilen teilzuhaben. Je älter die Menschen, desto höher ist der Anteil der „Offliner“: bei den über 80-Jährigen sind es sogar fast 90 Prozent.
"Zum Lernen ist man nie zu alt"
Ursula Stelzer ist da eine Ausnahme: Sie hat einen PC und ein Smartphone, weiß, wie man WhatsApp bedient, Fotos per E-Mail verschickt und viele Jahre lang hat sie für einen Seniorenverein Geburtstagspostkarten für alle Mitglieder am Computer entworfen. Sie spielt sogar Spiele am PC. Aber ein Tablet hatte sie noch nie in der Hand. „Das interessiert mich schon, wie das funktioniert“, sagt sie. „Zum Lernen ist man nie zu alt und ich bin von Kind auf neugierig gewesen.“
Sich das Interesse an Neuem zu bewahren – das ist auch wichtig, um weiterhin ein selbstständiges Leben zu führen. „Ich möchte möglichst nicht in ein Pflegeheim“, sagt die 93-Jährige. „Wir unterstützen Senioren dabei, in ihren eigenen Wänden alt zu werden“, erklärt Eileen Seibt-Zudse das Ziel von „Sophia Berlin Gemeinnützige e. V.“.
Es ist gleichzeitig auch das Ziel einer Firma mit ähnlichem Namen: Der Sophia GmbH, die 2007 von den Wohnungsbaugesellschaften Degewo und Stadt und Land gegründet wurde. Die Firma rüstet Wohnungen so um, dass Senioren dort bleiben können, auch wenn es ihnen nicht so gut geht: Mit Notrufsystemen zum Beispiel. Finanziert wird das meist über die Pflegekasse, sonst vom Mieter selbst.
Eileen Seibt-Zudse ist bei der GmbH angestellt – und der Verein, den sie mitgründet hat, entstand „aus dem Bedarf heraus“, den sie während ihrer Arbeitszeit festgestellt hatte. „Es gab so viel, was wir gern für die Senioren machen wollten und was im Zusammenhang mit der Arbeit nicht ging.“ Also machten sie und ihre Mitstreiter es nach Feierabend.
Inzwischen haben sie 559 Senioren betreut, kümmern sich um drei Seniorenwohnhäuser sowie drei Nachbarschaftstreffs. 15 angestellte Haushaltshilfen vermittelt der Verein auch noch, die Kosten für ihre Dienste werden meist von den Krankenkassen getragen. Auch Ursula Stelzer hat ihre Haushaltshilfe über den Verein bekommen.
Und, überlegt sie, sich nach dem Workshop ein Tablet zuzulegen? „Ich überlege wirklich, ob sich das mit 93 noch lohnt“, sagt sie lachend. Himmel oder Hölle hätten da ja auch noch ein Wörtchen mitzureden, meint sie.
So funktioniert "Menschen helfen"
DAS IST DAS KONTO
Bitte spenden an: Spendenaktion Der Tagesspiegel e.V., Verwendungszweck: Menschen helfen, Berliner Sparkasse, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42 , BIC: BELADEBE. Bitte Namen und Anschrift für den Spendenbeleg vollständig gut lesbar im Verwendungszweck notieren, für den Spendenbeleg.
FÜR WEN WIR SAMMELN
Für die 26. Runde der Weihnachtsspendenaktion hat der Spendenverein des Tagesspiegel 63 soziale Projekte und Initiativen verschiedener Träger vor allem aus Berlin herausgesucht, die sich im Herbst beworben hatten. In unserer Spendenserie stellten wir 12 davon stellvertretend für alle anderen vor. Themenschwerpunkt in dieser Runde ist die Hilfe für alte Menschen, für missbrauchte Jungen und für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche – aber auch Vereine und Projekte aller anderen sozialen Bereiche bedenken wir.
WER BEKOMMT WAS?
Der Spendenverein verteilt die Gelder effektiv nach Bedarf der Vereine. Die Übergabefeier ist im März ’19.
WIE VIEL IST SCHON DA?
Unsere Mitarbeiterin für den Kontocheck guckte am Zweiten Feiertag extra nach: 284 360,67 Euro könnten wir jetzt schon ausschütten, weit mehr als am Vorjahresstichtag mit 247.687,61 Euro.
Bitte spenden Sie kräftig weiter! Und schon mal herzlichen Dank!