Spendenserie "Menschen Helfen!": Sehnsucht nach Familie
Sozialpädagogen sagen, Berlin braucht dringend therapeutische Wohngruppen für Kinder in Not. Wir bitten dafür um Spenden.
Insgesamt 63 soziale Projekte vor allem in Berlin will der Tagesspiegel bei „Menschen helfen!“ 2018/19 bedenken, je nach deren Bedarf und dank der Leserspenden, um die wir bitten. Heute: die geplante sozialtherapeutische Wohngemeinschaft für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren vom Verein Prowo.
Es sind Mädchen wie man sie täglich im Bus sieht, Jungs, wie sie auf den Bolzplätzen kicken. Und doch haben sie ihre eigenen, besonderen Geschichten. Denn sie haben Eltern, denen das Leben über den Kopf wächst und die deswegen nicht für den Sohn oder die Tochter da sein können, obwohl sie es eigentlich wollen. Die krank sind, seelisch oder körperlich.
Wie der Junge, der sehr an seiner Oma hängt – wenigstens ein verlässlicher Erwachsener im Leben. Doch weil diese gebrechlich ist, ist er oft bei ihr – und schwänzt die Schule. Vor Trauer hat sich seine kleine Schwester schon mit Schnaps betäubt. Brandenburger Zollbeamte erwischen zudem junge Drogenkuriere, die sich Crystal von Asiamärkten in Tschechien besorgen, andere Kinder konsumieren schon Haschisch.
Oft hat eine nicht kindgerechte Entwicklung mit Folgen wie diesen dann folgende Hintergründe, wie sie Berlins Psychotherapeuten kennen: Wenn Eltern nicht selbst Halt geben, erziehen und Grenzen setzen können, vollziehe sich bei Kindern oft eine „Parentifizierung“: Kinder übernehmen die Rolle der Eltern und sorgen für die Erwachsenen. „Mädchen oder Jungen sind dann nicht frei, altersgemäß die eigene Persönlichkeit unbeschadet zu entwickeln, weil sich die Verantwortlichkeit umdreht und sie durch die nicht kindgerechte Aufgaben überfordert werden. Der emotionale Missbrauch hat oft fatale Folgen wie seelische Erkrankungen und auffällige Verhaltensweisen, die sich letztlich aus Überlebensstrategien der Kinder ergeben“, sagt Eckhard Flöring. Das kommt in allen Schichten, bei allen Nationalitäten vor.
Flöring ist Psychotherapeut und Einrichtungsleiter der therapeutischen Jugendwohngemeinschaft (TWG) von Prowo e.V., er arbeitet in einem Haus in einer Einfamilienhausgegend in Treptow-Köpenick. Derzeit leben in der TWG sieben Jugendliche, die meisten weiblich, und die meisten haben zuvor schon viele Jugendhilfemaßnahmen miterlebt. In der sozialtherapeutischen WG ist rund um die Uhr immer ein Ansprechpartner vor Ort, und auch die Hauswirtschafterin ist eine vertraute Person. Es ist, auch das eine Besonderheit, an vier Tagen in der Woche eine Psychotherapeutin da, sie leitet die Gruppe für alle und bietet Einzelgespräche. Zum zehnköpfigen Team gehören zudem sieben Sozialpädagoginnen und -pädagogen und ein Praktikant.
Immer jüngere Kinder haben großen therapeutischen Bedarf
Alle arbeiten intensiv mit den Eltern, der Schule, der Ausbildungsstelle, den Jugendämtern zusammen – um mit den bei den jungen Menschen oft beobachteten Folgen wie Aggressionen, Schulverweigerung oder psychischen Erkrankungen umzugehen. Eine Folge von seelischem und körperlichen Missbrauch kann auch Drogenkonsum schon bei Kindern sein, dann wird das Gehirn bereits früh geschädigt.
Flöring: „Wir erleben in unseren Berliner Fachrunden des therapeutischen Jugendwohnens zunehmend, dass immer jüngere Kinder große therapeutische Bedarfe haben, auch, weil sich die Pubertät weiter nach vorne verschiebt.“ Doch in Berlin gebe es bislang nur eine therapeutische Wohngruppe für Kinder, und zwar vom Träger „Neuhland“ für suizidgefährdete Kinder. Dabei bestehe ein großer Bedarf an sozialtherapeutischen Wohngruppen für Unter-Vierziehnjährige.
Prowo will da ansetzen und eine therapeutische WG für Kinder ab zehn Jahren und jüngere Jugendliche in Altglienicke neu begründen, für sieben Bewohner mit traumatischen Erfahrungen – dann mit Hilfen, Regeln, Strukturen, Halt und Da-Sein. Die Tagesspiegel-Leser bitten Prowo um Geld für eine Küche fürs Kochen und Zusammensein, Elektrogeräte und Utensilien, die 10.000 Euro fehlen.
Die Jugend-WG von Prowo ist in der Regel zwei Jahre Zuhause auf Zeit, bevor die jungen Menschen in anderes Wohnen meist mit weiteren Hilfen wechseln. Doch je früher die Hilfe beginnt, desto größer die Chancen, den Kindern besser auf den Weg zu helfen. Helfen Sie mit.