Linke teilt gegen Koalitionspartner aus: Senator Lederer kritisiert Verkehrspolitik als „zu langsam"
Die Fraktion der Linken im Abgeordnetenhaus setzt auf Konfrontation und zeigt schon vor dem Wahlkampf, dass sie austeilen kann – auch gegen Koalitionspartner.
Dresche für die Grünen, Sticheleien gegen die SPD: Auch die Berliner Linke kann gegenüber ihren Koalitionspartnern austeilen. Der Wahlkampf hat noch nicht begonnen, aber die zweitägige Fraktionsklausur der Berliner Linken in Potsdam gibt schon einen Vorgeschmack darauf, dass es einen munteren Konkurrenzkampf zwischen SPD, Grünen und Linken geben wird.
Dabei befindet sich die Linke im Zwiespalt: Sie weiß, dass sie als Alternative zum rechten und konservativen Lager nur auf Mitte-Links-Projekte setzen kann. Aber sie muss ihr Profil schärfen und unabhängig von SPD und Grünen um gesellschaftliche Mehrheiten kämpfen.
Rot-Rot-Grün sei "strategisches Bündnis"
Fraktionschef Udo Wolf machte am Freitag deutlich, dass die Linke Rot-Rot-Grün als „strategisches Bündnis für eine offenen und demokratische Gesellschaft“ nach 2021 fortsetzen möchte. Bei allem „Klein-Klein“ in der Politik, sei die Koalition eine „Haltung in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung“, bekräftigte Wolf. Parteitaktische Spielereien sollten diese nicht aufs Spiel setzen.
Eine „gewisse Nervosität“ schaffe die Auseinandersetzung um die designierten Spitzenkandidaten bei SPD und Grünen. „Wenn wir so weiter machen, werden wir die Chancen von R2G verspielen“, sagte Wolf. Deshalb müsse man die inhaltlichen Gemeinsamkeiten hervorheben.
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Das bisher „sensationellste Ergebnis“ davon sei der Mietendeckel. Für Rechtspolitiker Sebastian Schlüsselburg steht der Mietendeckel sogar als Beispiel für „radikalen Reformismus“. Berlin ticke eben „Mitte-Links“, und die Linke als „Kitt in der Koalition“ stelle das Gemeinsame in den Vordergrund. Soweit die Theorie. In der Praxis dagegen wurde hart vor allem zwischen den Linken und der SPD um den Mietendeckel gerungen.
Gerangel um Platz auf Motorrad passe nicht nur Koalition
Die SPD sei in dem Modus, „Geschenke zu verteilen“ wie zum Beispiel das kostenlose Schulessen, sagte der Parteivize und Abgeordnete Tobias Schulze. Er kritisierte das kostenlose Schulessen zwar nicht. Er und andere Abgeordnete machten jedoch deutlich, dass man sich „weitere Geschenke in dieser Form“ nicht mehr leisten könne.
Und vom designierten Berliner SPD-Spitzenduo Franziska Giffey und Raed Saleh möchte man doch gerne mal wissen, „wofür sie eigentlich stehen“, forderte Fraktionschefin Carola Bluhm. Völlig offen sei, was die SPD programmatisch plane. Und das Gerangel um die beste Position auf einem Motorrad bei dem ersten gemeinsamen Auftritt des Duos vergangenen Freitag im Spandauer BMW Motorradwerk passe auch nicht zur Koalition.
Lederer kritisiert Grüne
Kultursenator und Bürgermeister Klaus Lederer übernahm den Part, die Grünen zu kritisieren. „Beim Thema Verkehr geht es deutlich zu langsam voran“, sagte Lederer an die Adresse der grünen Verkehrssenatorin Regine Günther. Und die von Günther bis 2030 geforderte Zero Emission Zone in der Innenstadt hält die Linke für rechtlich fragwürdig.
Stattdessen soll der Ausbau autoarmer Kieze zum Beispiel durch Begegnungszonen gefördert werden. Auch die von den Grünen geforderte Citymaut sieht die Partei kritisch und setzt stattdessen auf die Einführung einer nicht näher definierten Wirtschaftsabgabe, um den ÖPNV-Ausbau mitzufinanzieren.
Linke erinnert an Morddrohungen gegen Politiker
Lederer erinnerte an die rechten Anschläge von Hanau und an Morddrohungen zum Beispiel gegen Parteichefin Katina Schubert. Die Programme gegen Rechtsextremismus müssten aufgestockt werden. „Nicht mit Alarmismus, aber alarmiert“ müsse man mit rechtsextremistischen Bedrohungen umgehen.
„Wie hältst Du es mit der Menschlichkeit“, sei die Frage einer Debatte, die nicht ohne CDU und FDP gehe. Damit reagierte Lederer indirekt auf die umstrittene Äußerung des SPD-Fraktionschefs Raed Saleh, der CDU und FDP in einem Beitrag aus dem demokratischen Spektrum ausgrenzte. Saleh revidierte seine Position später in einem Redebeitrag bei der Industrie und Handelskammer.
S-Bahn solle möglichst in kommunale Hand
Die Linke setzt auf ihrer zweitägigen Klausur den Schwerpunkt auf die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Neben Investitionen in die vorhandenen Strukturen, dem Ankauf von Boden durch einen Bodenfonds, den der Senat vor gut drei Wochen beschlossen hatte, will die Linke auch den S-Bahn-Betrieb „perspektivisch in kommunaler Hand“ haben.