Verkehrswende in Berlin-Brandenburg: Heftiger Widerstand gegen Linken-Plan zum Abbau von Parkplätzen
Breitere Gehwege, mehr Grün: Die Berliner Linksfraktion entdeckt das Thema Klimaschutz für sich. Der motorisierte Individualverkehr soll zurückgedrängt werden.
Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus fordert einen verbindlichen Fahrplan zur Reduzierung von Parkflächen für Autos in der Stadt. „Mit einer festen Parkplatzreduktionsquote wollen wir jedes Jahr neue Freiflächen schaffen, die in enger Beteiligung der Bevölkerung für breitere Gehwege, neues Grün in der Stadt, Abstellzonen für Leihräder und Scooter, sichere Radabstellanlagen oder Ladezonen genutzt werden können“, heißt es in einem Beschluss der Fraktion, der dem Tagesspiegel vorliegt. "Die meisten Autos stehen 23 Stunden pro Tag. Das ist nicht mehr angemessen", sagte Linkspolitiker Michael Efler dem Tagespiegel. Er betonte, dass man "keinen Kulturkampf" mit Autofahrern wolle. Die Reduzierung der Parkflächen solle gemeinsam mit den Bezirken erfolgen.
Für besseren Klimaschutz müsse der motorisierte Individualverkehr zurückgedrängt werden, heißt es in dem Papier "Sozial und ökologisch: Klimaschutz in Berlin stärken". . Dazu sei es einerseits nötig, den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie der Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur massiv zu fördern. Nötig seien aber auch „regulative Maßnahmen“ wie die Ausweitung von Sharing- Angeboten in die Außenbezirke und die Parkraumbewirtschaftung.
„Wir wollen eine Umverteilung der Flächen zugunsten des öffentlichen Raumes, des ÖPNV und des Radverkehrs und zu Lasten des individualisierten Nahverkehrs“, sagte Efler. Eine feste Quote zur Reduktion von Parkplätzen sei aus seiner Sicht sozial ausgewogener als „preisliche Maßnahmen“ wie höhere Parkgebühren oder eine City-Maut. Sie könne ein Stück weit Anreize schaffen, auf den ÖPNV umzusteigen. Auf eine feste Zahl von Parkplätzen, die jährlich wegfallen sollen, legte sich Efler nicht fest.
Die Linke setzt sich darüber hinaus für ein Landeswärmegesetz ein, das Vorgaben für die Nutzung erneuerbarer Energien im Gebäudebestand und eine Regulierung der Fernwärme enthält. Analog zur Position der Grünen setzt sich die Linke dafür ein, dass eine Solarpflicht in der Bauordnung verankert wird, deren Kosten nicht auf Mieter umgelegt werden dürfen. „Berlin ist noch lange nicht auf dem Pfad, um seine kurz-, mittel- und vor allem langfristigen Klimaschutzziele einzuhalten“, heißt es. Beim Austausch von Heizungen will die Linke eine Mindestquote für Wärme aus erneuerbaren Quellen festlegen. Gesamtlösungen für ganze Quartiere sollen dabei möglich sein. Für Anbieter von Fernwärme soll es CO2-Obergrenzen geben. Ohne verstärkte Anstrengungen seien die Reduktionsziele beim Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) von 40 Prozent bis 2020, 60 Prozent bis 2030 sowie 95 Prozent bis 2050 nicht zu erreichen. Im Jahr 2016 - aktuellere Daten lägen nicht vor - hätten die CO2-Emissionen gerade mal um 31,4 Prozent unter dem Wert im Basisjahr 1990 gelegen.
Vorrang für den ÖPNV
Vor diesem Hintergrund fordert die Linksfraktion nach dem Vorbild anderer Kommunen die Ausrufung des Klimanotstandes, wobei sie den Begriff Klimanotfall angemessener findet. „Zur Umsetzung der Verkehrswende muss die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel noch attraktiver werden, um den Umstieg vom Auto zu fördern“, heißt es im Linke-Papier weiter. Beim ÖPNV setzt die Fraktion auf neue Strecken im Schienenverkehr, vorrangig Straßenbahnen, sowie auf verdichtete Taktzeiten und attraktivere Angebote für Pendler. Da dieses Programm Jahrzehnte in Anspruch nehme, müsse als „Zwischenlösung“ der Busverkehr deutlich ausgeweitet werden, mit mehr Busspuren und Vorrangschaltungen an Ampeln. Die Linke plant bis Ende des Jahres ein Fachgespräch zur Beschleunigung des Straßenbahnausbaus.
Die Linke tritt auch für ein 365-Euro-Ticket ein, das der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD), jüngst bereits ins Spiel gebracht hatte, und will zur Einführung einen konkreten Fahrplan entwickeln. „Das 365-Euro- Ticket wird eine Vorstufe für den langfristig fahrscheinlosen ÖPNV in Berlin sein“, heißt es weiter.
Für besonders wichtig hält die Linke nach den Worten Eflers die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude. „Der CO2-Ausstoß vor allem im Gebäudebereich ist enorm hoch“, betonte er. Dazu müssten aber auch deutlich mehr Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. „Wenn wir es ernst meinen mit dem Klimaschutz, müssen wir viel stärker an die Gebäude ran.“
Efler sagte, man werde sich mit SPD und Grünen über das Papier auseinandersetzen. Grünen-Politiker Georg Kössler sagte, es sei nicht notwendig, den Klimanotstand auszurufen. "Wir reden schon von Klimakrise, nur muss diese anerkannt werden." Die Linke hätten den Beschluss der Grünen übernommen, eine Solarpflicht einzuführen. Und die Etablierung eines Wärmegesetzes stehe im Koalitionsvertrag. Sowohl Kössler als auch SPD-Politiker Daniel Buchholz halten die Einführung einer Quote für die Reduktion von Parkplätzen nicht für notwendig. "Der Fußverkehr hat Vorrang. Wir müssen fußgängerfreundlich Kreuzungen umbauen. Das ist eine der Grundlagen des Mobilitätsgesetzes", sagte Buchholz. Busse- und Bahnnetze müssten "deutlich ausgeweitet werden". Die SPD will im Gegensatz zu den Grünen und Linken perspektivisch auch den Ausbau des S- und U-Bahnnetzes.
CDU-Politiker Oliver Friederici hält das Klimaschutz-Papier der Linken für eine "sozialistische Amokfahrt. "Erst wollen sie Vermieter enteignen, jetzt Autofahrer zum Verzicht zwingen durch Wegnahme von Parkplätzen.
So lange sie den Ausbau des Nahverkehrs nicht hinkriegen, sind viele Berliner auf ihr Auto angewiesen. Wir wollen faire Lösungen im Verkehr statt Teilnehmer gegeneinander auszuspielen." FDP-Politiker Henner Schmidt sagte, statt Verbote seien attraktive Alternativen zum Auto im ÖPNV nötig. "Wenn die Linke Parkplätze wegnehmen will, um den Autoverkehr zu reduzieren, verwechselt sie Ursache und Wirkung. dies erhöht nur den Parksuchverkehr." Um zusätzliche Flächen in der Stadt zu erhalten, könnten mehr Parkplätze in Tiefgaragen verlegt werden." AfD-Politiker Frank Scholtysek sagte, Rot-Rot-Grün agiere mit "politisch verfügtem Autohass. Wir brauchen Alternativen für Menschen, die auf das Auto angewiesen sind". Wie zu SED-Zeiten wolle die Linke mit Verboten alle auf Linie bringen. Die Stadt dürfe nicht zu einem "entmotorisierten Umerziehungslager linker Ideologen" umgebaut werden.
Das Thema "Berlin-Klimahauptstadt" wird auch in der Plenarsitzung am Donnerstag der Inhalt der Hauptdebatte. Die Aktuelle Stunde beginnt um 10 Uhr.