Berliner Volksentscheid-Aktivisten schlagen Alarm: Senat verteidigt PR-Kampagne zum Radverkehr
Die PR-Kampagne zum Radverkehr habe nichts mit dem Volksentscheid zu tun, sagt ein Senatssprecher. Doch selbst die CDU findet den Termin "auffällig".
"Wir gehen nicht auf Konfrontation zum Volksentscheid“, erklärt Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Damit reagiert er auf eine Presseerklärung zweier Volksentscheid-Initiativen. Sie hatten dem Senat vorgeworfen, mit einer Gegenkampagne zum Volksentscheid Fahrrad die direkte Demokratie insgesamt "aushebeln" zu wollen. „Die Ausschreibung hat überhaupt nichts mit dem aktuellen Volksentscheid zu tun", sagt Pallgen. Es bestehe seit Längerem der Wunsch und die Forderung auch vonseiten der Verkehrsverbände, dass der Senat mehr tun soll in Sachen Kommunikation rund um das Thema Radverkehr. „Diesem Wunsch kommen wir nach.“ Man sei jederzeit zu Gesprächen mit Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad bereit.
Nur weil in einigen Hipsterbezirken das Rad gern genommen wird, kann man das aber bitte so nicht auf ganz Berlin anwenden. [...] Kraftverkehr wird in Berlin mindestens für die nächsten 20 Jahre der bestimmende Verkehrsfaktor sein und das sollten die Regierenden auch nicht aus den Augen verlieren.
schreibt NutzerIn bikeraper
Seit April läuft eine Senats-Ausschreibung für ein PR-Konzept „für alle Maßnahmen und Aktivitäten des Berliner Senats im Bereich der Radverkehrsförderung und -planung“. Alle 2016 stattfindenden Termine und Aktivitäten des Senats in Sachen Radverkehr sollen mit einer „einheitlichen Kommunikationslinie“ öffentlichkeitswirksam vermarktet werden. Zeitlich überschneidet sich die Kampagne mit dem Volksentscheid Fahrrad, der ebenfalls in den Startlöchern steht und derzeit nur noch auf grünes Licht von der Innenverwaltung wartet, um Werbung für sein Anliegen machen und mindestens 20.000 Unterschriften für die erste Phase des beantragten Volksbegehrens sammeln zu können.
"Der Senat will direkte Demokratie aushebeln."
„Der Senat sollte den Radverkehr besser fördern, statt das Nichtstun schönzureden“, kritisiert Peter Feldkamp, Mit-Initiator des Volksentscheides Fahrrad. Die Initiative „Volkentscheid retten“ wertet die geplante PR-Kampagne des Senats als Versuch, Volksentscheide überhaupt zu verhindern: „Der Senat will die direkte Demokratie in Berlin aushebeln. Erst kürzlich hat er angefangen, den erfolgreichen Volksentscheid zum Erhalt des Tempelhofer Feldes zu kippen. Jetzt agiert der Senat gegen den Volksentscheid Fahrrad schon vor der ersten Unterschrift.“
CDU wundert sich über den "auffälligen" Zeitpunkt
Erst vor kurzem hatte die Regierungskoalition das Abstimmungsgesetz geändert. Künftig soll dem Senat erlaubt sein, Gegenkampagnen zu Volksentscheiden aus Steuermitteln zu finanzieren. Mit der aktuellen Ausschreibung ist quasi die erste Gegenkampagne schon unterwegs. Die beauftragte Agentur soll neben der Steuerung der aktuellen Kommunikation auch eine weitere Ausschreibung für eine „langfristige Kommunikationsstrategie“ vorbereiten. „Ziel ist“, so heißt es in der laufenden Ausschreibung, „mit der Kommunikationsstrategie Berlin als Fahrrad(-haupt-)stadt sowie das Radfahren in Berlin und die damit verbundenen Effekte weiter zu etablieren, zu entwickeln und zu stärken.“
Der Koalitionspartner CDU hält es für richtig, die Radverkehrsstrategie des Senats zu bewerben, die zeitliche Koinzidenz mit dem Volksentscheid Fahrrad sei aber doch ein „bisschen auffällig“, sagt CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici. Man hätte viel früher damit beginnen sollen, dann wäre es vielleicht gar nicht zum Volksbegehren gekommen. Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, findet die PR-Kampagne falsch angelegt. „Wenn die Arbeit gut gemacht ist, verkauft die sich von selbst.“ Der Senat habe offensichtlich Angst vor dem Volksentscheid.
Senat: PR hat nichts mit Volksentscheid zu tun
Dafür spricht auch ein anderes Indiz. Die Volksentscheid-Leute um den Rad-Aktivisten und ehemaligen Bahnmanager Heinrich Strößenreuther warten schon seit Wochen auf eine Zustimmung aus der Senatsinnenverwaltung, um mit dem Unterschriftensammeln loslegen zu können. Die Innenverwaltung muss eine offizielle Kostenschätzung abgeben. Schon im vergangenen Sommer warteten die Macher des Mieten-Volksentscheids monatelang auf eine rechtliche Prüfung des vorgelegten Gesetzentwurfs. Statt einer schnellen Prüfung begann der Senat damals, mit den Mieten-Aktivisten über einen Kompromiss zu verhandeln.
Thomas Loy
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