Carlo-Schmid-Schule in Berlin-Spandau: Schulzeit auf der Baustelle
Zu Besuch in der Carlo-Schmid-Oberschule, wo eine ganze Schülergeneration Unterricht nur als Improvisation im Baustaub kennt.
Seit fünf Jahren ist Hanna (Name geändert) auf der Carlo-Schmid-Oberschule in Spandau – und seit fünf Jahren inmitten von Bauarbeitern. Dass die blanken Kabel von der nackten Betondecke herunterbaumeln, ist dabei noch das geringste Problem: Wenn es regnet, stehen Eimer in den Klassenräumen und die Schränke werden von den Wänden abgezogen. An diesem Montag ist immerhin kein Baulärm zu hören, und es liegt auch kein Staub in der Luft. Vielleicht schreibt aber eine Klasse eine Mathearbeit unter den Umständen wie Hanna sie vor Kurzem erlebte, als gleichzeitig nebenan eine Englisch-Klasse lärmte. So jedenfalls fühlte es sich an, weil auch Wände zwischen Klassenräumen durchlöchert sind – konzentriertes Lernen unmöglich.
Das alles wollte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eigentlich bei einem Rundgang mit der Schulleiterin um 9 Uhr morgens der Öffentlichkeit vorführen. Denn die Carlo-Schmid- Schule ist ein Musterbeispiel für den Sanierungsstau an Berlins Bildungseinrichtungen, an dem man Chancen und Risiken der bevorstehenden Schulbauoffensive des Senats aufzeigen kann. Doch kurz vor Beginn des Rundgangs verbot Spandaus Schulamtsleiter denselben, auf Geheiß von Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank (SPD).
Empörte Reaktionen
Die Notbremsung der Transparenz-Offensive kam beim Vertreter des bezirklichen Elternausschusses Thorsten Hartje gar nicht gut an: „Wir sind sehr erbost“. „Dieses Gebäude ist Schrott, aber die Schule ist topp“ – das Kollegium mache einen „perfekten Job“, mitten im Baustaub halte es die Schule unter den gefragtesten des Bezirks. Auch der Landesvorsitzende der GEW, Tom Erdmann, empörte sich über den Ruinen-Rundgang unter Ausschluss der Öffentlichkeit: „Einmalig“, so etwas habe er noch nie erlebt. Thorsten Schatz von der CDU Spandau sprach von „Maulkorb-Politik“ und kündigte an, darüber im Schulausschuss der BVV zu sprechen.
Kleebank rechtfertigte die Entscheidung auf der nachfolgenden Pressekonferenz weitschweifig mit der Behauptung, an der Carlo-Schmid-Oberschule sei allenfalls die Dachsanierung dem Sanierungsstau geschuldet. Dass die Brandmeldeanlage bei einem Feuer nicht anschlug, sei ein Mangel anderer Natur. Schimmel, Asbest – wie auch schon behauptet worden sei, „ist nach allem, was wir wissen und zwei- bis dreijährigen Untersuchungen nicht vorhanden. Diese Schule ist schadstofffrei“ – so weit die höchstamtliche bezirkliche Einordnung einer Schule, bei der Havarien zum Alltag geworden sind.
Beruhigend wirkte das nicht, zumal der Bezirksbürgermeister wenigstens zugab, dass ohne Fachleute in seinen Bauämtern die laufenden Instandhaltungen und Sanierungen eigentlich nicht ordentlich aufrecht zu erhalten sind. Das hat zur Folge, dass Schulleiterin Bärbel Pobloth und ihre Kollegen mal eben neben dem Schulalltag noch Baustellen abnehmen und kontrollieren müssen. Und weil außerdem vieles nicht richtig oder verspätet fertig wird, müssen sie ständig improvisieren, und Schulklassen irrlichtern durch das Gebäude auf der Suche nach einem nutzbaren Raum.
Neubau oder Sanierung?
Und auch deshalb ist diese Schule ein Fanal für viele Berliner Bildungseinrichtungen: Weil das in den 1970er Jahren erbaute Haus so marode ist, spricht sich die Schulleiterin für Abriss und Neubau aus. Der „Gebäudescan“ des Senats hatte zwar nur einen Sanierungsstau von 12,7 Millionen Euro festgestellt. Doch die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge, federführend bei der Schulbauoffensive, enttarnte das als Mogelpackung: An die 35 Millionen Euro koste die Sanierung. Ein Neubau koste rund 40 Millionen Euro. Dann lieber alles neu als noch mehr „Flickschusterei“. Nicht mal Bürgermeister Kleebank will sich diesem Vorschlag in den Weg stellen, zumal die Bezirksverordnetenversammlung sich auch mehrheitlich dafür aussprach. Ein weiterer Vorteil des harten Schnitts könnte in dessen besserer Planbarkeit liegen: Rund drei Jahre würde das wohl dauern. Zumal Baufachleute wissen, dass die Sanierung eines Altbaus öfters mal bauliche Überraschungen zutage befördern kann, und der laufende Schulbetrieb die Aufnahme und Beseitigung von Schäden noch erschwert.
Für Neubauten spricht auch der „pädagogische Aspekt“, dass diese gleich als „Compartment-Schulen“ geplant werden, was wiederum die Organisation des Unterrichts erleichtere, sagt Kleebank. Deshalb müsse man „überall, wo wir in die Nähe von Neubaukosten kommen, diese Option ernsthaft überlegen“. Im Fall der Carlo-Schmid-Oberschule sei vor der endgültigen Entscheidung allerdings die detaillierte Auswertung der Lage durch die Howoge abzuwarten.
Personalmangel erschwert den Schulalltag
Doch selbst wenn die Entscheidungen gefallen sein werden, dürfte deren Umsetzung schwierig werden. Schulleiterin Pobloth beklagt, dass wegen des Personalmangels bei den Hochbauämtern niemand zu greifen sei, wenn auf der Dauerbaustelle, die man Schule nennt, mal was schief läuft. Bei den Schulbehörden sei das ähnlich. Dieser „große Mangel bei der Zusammenarbeit“ führe dazu, dass die Schule „oft überrollt“ werde von den Bauabläufen. Kleebank bestätigte, dass der frühere Sparkurs des Senats den Bezirken „auf die Füße gefallen“ ist. In Spandau seien „alle Bauleiter in großen Projekte“ gebunden, in der Zitadelle etwa.
So oder so – noch etwas wird die Schulbauoffensive von Bezirken und Bildungseinrichtungen abverlangen: Improvisationstalent und den Einsatz von Provisorien. Schulcontainer und Ersatzgrundstücke braucht es für die Dauer der Arbeiten. Wobei das Lernen dort auch nicht beschwerlicher sein muss als es zurzeit ohnehin schon sein soll in manchen Räumen der CarloSchmid-Schule: In einem Raum soll es im Winter wegen einer nicht regulierbaren Heizung knapp unter 40 Grad sein, während es in anderen Zimmern an der „Wetterfassade“ des Gebäudes gar nicht richtig warm werde.