Neues Unterrichtsfach Politik: Ethik ist nicht Tabu
Im Sommer soll das Fach Politik starten. Aber geben es die Stundenpläne her? Streit um eine Kontingentlösung - und ein neuer Vorschlag.
Eigentlich sind sich alle einig: Politik soll ein eigenständiges Schulfach werden und ab der siebten Klasse mehr Gewicht bekommen. Das fordern Schülervertreter, Politiker und Lehrerverbände seit Langem. Doch bei der konkreten Umsetzung – als Start ist Sommer 2018 geplant – hört die Einigkeit auf. Denn zusätzliche Stunden sind umstritten. Woher aber soll dann die Lernzeit für Politik kommen? In einem offenen Brief wandten sich die Lehrerverbände der anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fächer – Geschichte, Geografie, Ethik, Philosophie – sowie der Philologenverband - schon mal gegen einen Vorschlag aus dem Haus von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).
Die Schulen sollen eigene Prioritäten setzen
Dieser bislang unveröffentlichte Vorschlag sieht nach Angaben der Fachverbände eine sogenannte Kontingentlösung vor. Für Geschichte, Politik und Geografie sollen an Gymnasien 3,5 Stunden zur Verfügung stehen, eine halbe Stunde mehr als bisher. An Integrierten Sekundarschulen gäbe es drei Stunden – eine mehr. Diese Stunden sollen die Schulen selbst auf die Fächer verteilen können – so zumindest haben die Vertreter der Verbände den Vorschlag verstanden.
Die Bildungsverwaltung bestätigt zwar, dass „wir eine Kontingentlösung für die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer vorgestellt haben“, sagte deren Sprecherin Beate Stoffers, wobei die acht Ethik-Stunden – je zwei in Klasse 7 bis 10 – unangetastet bleiben sollten. Richtig sei auch, dass es die Kontingentstunden „in unterschiedlicher Höhe“ für Gymnasien und Sekundarschulen geben solle. Für die konkrete Verteilung seien aber „Bedingungen“ definiert worden, die der Brief leider nicht benenne. Details dazu wollte Stoffers nicht nennen, weil „wir keine Wasserstandsmeldungen nach außen geben möchten“.
Jedes Fach soll separat benotet werden
Nach Informationen des Tagesspiegels gehört zu den Bedingungen, die die Bildungsverwaltung für eine Kontingentlösung stellt, dass für jedes einzelne Fach in jedem Doppeljahrgang eine eigene Zensur ausgewiesen werden muss. Zudem dürften die Schulen kein Fach unter den Tisch fallen lassen: Jedes sei seinem Stundendeputat entsprechend in jeder Doppeljahrgangsstufe zu unterrichten.
Die Lehrerverbände sehen es als Risiko, dass die Schulen diese Gestaltungsfreiheit sehr unterschiedlich nutzen könnten. So könnten Nachteile für die Schüler bei Schulwechseln entstehen – insbesondere beim Wechsel in die Oberstufe, weil sich die Voraussetzungen stark unterscheiden würden. „Die schulische Landschaft würde radikal zersplittert“, befürchtet Peter Stolz vom Geschichtslehrerverband: „Die Entscheidungen würden in Schulkonferenzen von Vorlieben bestimmt, nicht von fachwissenschaftlichen Notwendigkeiten.“ Stolz und seine Kollegen fordern Vorgaben: eine Stunde Geografie, 1,5 Stunden Geschichte und eine Stunde Politik an Gymnasien, pro Fach eine Stunde an Sekundarschulen.
"Synergieeffekte" zwischen Ethik und Politik
„Bei separater Benotung kann ich die Angst vor der Verdrängung einzelner Fächer oder vor einem Föderalismus im Kleinen nicht teilen“, sagte die bildungspolitische SPD-Sprecherin, Maja Lasic, am Montag. Sie ist gegen eine Ausweitung des Stundentafel und schlägt – abweichend vom Vorschlag der Bildungsverwaltung – vor, dass auch Ethik in das Fächerkontingent einbezogen werden solle. So ließen sich auch „Synergieeffekte“ zwischen Ethik und Politik nutzen. Es gehe nicht an, dass Ethik mit seinem großen Umfang von acht Stunden „außen vor“ bleibe, wenn man das Fach Politik stärken wolle. Dem pflichtete am Dienstag die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Hildegard Bentele, zu. Bisher galten Kürzungen bei Ethik als "Tabu".
"Wenn Politik als Schulfach von allen Seiten als relevant befunden wird, dann sollte man den Mut aufbringen und Ethik zugunsten von Politik kürzen: in Klasse 7/8 Ethik und in Klasse 9/10 Politik", schlägt Berlins preisgekrönter Geschichtslehrer Robert Rauh vor. Alternativ könne man auch ein Wahlpflichtfach in Klasse 9/10 zugunsten von Politik streichen. "Im Interesse der Schüler sollte jedoch auf keinen Fall die Stundentafel noch weiter erhöht werden", lautet Rauhs Appell.
"Kontingentlösung überfordert die Schulkonferenz"
Im Übrigen teilt Rauh die Befürchtungen der Lehrerverbände im Hinblick auf die Kontingentlösung: "Man sollte einer Schule nicht die Entscheidung über die Stundenverteilung überlassen", rät Rauh. Eine Kontingentlösung überfordere die Schulkonferenz, in der die Eltern und Schüler über eine Mehrheit verfügen. "Und es fördert die Ungleichheit", mahnt der Lichtenberger Gymnasiallehrer, der auch selbst Lehrer ausbildet: "Entscheiden kann das aber nur die Senatsschulverwaltung, und zwar für alle Berliner Schulen gleich".
Bisher wird Politische Bildung als Teil des Geschichtsunterrichts behandelt. Doch oftmals entfällt sie, weil der Stoff für Geschichte sehr umfangreich ist. Landesschülersprecher Philipp Mensah betonte am Montag: „Wir sind offen für einen Diskurs“. Entscheidend sei aber die Stärkung des Fachs Politik. Der Landesschülerausschuss hält die Kontingentlösung für den richtigen Weg, schlug aber in einer ausführlichen Stellungnahme ebenfalls vor, " alle gesellschaftswissenschaftlichen Fächer - Geschichte, Geografie, Politische Bildung und Ethik - in das Kontingent zu integrieren".
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