Berlins Landeselternsprecher Norman Heise: "Die Lernmittelfreiheit ist fast ein Schnäppchen"
In Berlin müssen Familien bald nichts mehr für Schulbücher zahlen. Aber der Landeselternausschuss hatte einen anderen Wunsch.
Die rot-rot-grüne Koalition möchte die Lernmittelfreiheit wieder einführen. Diese stand aber gar nicht auf der Wunschliste des Landeselternausschusses. Fühlen Sie sich als LEA noch ernst genommen?
Die Koalition kann selbstverständlich auch Punkte in die Umsetzung bringen, die nicht in unserem Forderungspapier stehen. Immerhin steht zum Thema folgendes im Koalitionsvertrag: „Die Koalition strebt mittelfristig die Lernmittelfreiheit an“. In diesem Fall hieß mittelfristig fünf Monate nach Unterzeichnung des Vertrages.
Insofern freut sich der LEA auf die ähnlich schnelle Umsetzung weiterer gemeinsamer Punkte aus unseren Forderungen und den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Dass es inhaltlich Überschneidungen zwischen beiden Dokumenten gibt, zeigt deutlich, dass man uns als höchstes Gremium der Elternvertretung ernst nimmt. Nur die Prioritätensetzung ist hin und wieder unverständlich.
Bisher konnten die Schulen mit dem Bücherfonds eigene Prioritäten setzen und mussten nicht unbedingt Bücher kaufen. Verlieren die Schulen jetzt Flexibilität?
Bücherfonds sind nicht an allen Schulen gelebte Praxis und auch hier haben die Eltern in unterschiedlicher Höhe pro Schuljahr, zuzüglich der Anschaffungskosten für die Arbeitshefte, eingezahlt. Wir glauben auch nicht, dass die Schulen mit der Lernmittelfreiheit an Flexibilität verlieren.
Über die Anschaffung der Schulbücher entscheiden die Fachkonferenzen und liegt somit in der Eigenverantwortung der Schulen. In Berlin entscheiden diese, welche Bücher sie einsetzen wollen, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, wo das auf ministerieller Ebene geregelt wird.
Warum war für den LEA das kostenlose Schulessen vordringlicher?
Es gab mehr Klagen von Schulen, wo Kinder nicht mehr am Essen teilnehmen können, da die Eltern das Essensgeld nicht bezahlt haben. Darüber hinaus denken wir, dass bei einer Schulpflicht und bei Ganztagsschulen eine große Fürsorge seitens des Staates bei diesem Thema bestehen sollte.
Die finanzielle Entlastung ist für die Eltern im Sinne der sozialen Gerechtigkeit einfach größer. Zwar zahlen die Eltern, die das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) in Anspruch nehmen, einen ermäßigten Preis pro Schulessen von einem Euro. Es gibt aber einen Großteil von Familien und Alleinerziehenden, die ganz knapp an der Grenze zum BuT sind und daher den vollen Preis an den Oberschulen bzw. ermäßigten Preis von 37 Euro an den Grundschulen bezahlen.
Wir fordern somit eine stärkere Subventionierung des Schulessen und damit die schrittweise Reduzierung des Elternanteils daran bis zur endgültigen Beitragsfreiheit und zwar für Grund- und Oberschulen.
Das Schulessen kostet pro Jahr etwa 1000 Euro, die Bücher aber weit unter 100. Vielleicht hat der Senat sich einfach für das preiswertere Geschenk entschieden und hat dennoch eine positive Botschaft.
Nur mal kurz hochgerechnet auf 350.000 Schüler wären das - bei 3,30 Euro pro Essen pro Schülerin und Schüler und Jahr (190 Schultage mit Hort, dann mehr) ca. 630 Euro - in Summe ca. 220 Millionen Euro im Jahr. Lernmittelfreiheit mit 100 Euro pro Schüler ist dagegen mit ca. 35 Millionen Euro fast ein "Schnäppchen".
Wir begrüßen als LEA die Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit, selbst wenn unsere Priorität hier eindeutig beim Schulessen liegt, aber es trägt auf jeden Fall zur Entlastung bei und stärkt die öffentlichen Schulen. Auch weil es immer wieder an Schulen Diskussionen gab, wer die Kosten für die Arbeitshefte bei den Schülerinnen und Schüler trägt, die am BuT teilnehmen.
Was das Schulessen betrifft, so sehen wir vor allem den Bund in der Pflicht, die Kosten für das Schulessen stärker mitzutragen, wie es jetzt auch beim Thema Schulbau geplant ist und angegangen wird. Auch die laufenden Initiativen zur Senkung der Mehrwertsteuer für Schulessen von 19 Prozent auf 7 Prozent würde schon eine erste deutliche Entlastung bringen, wenn diese auch an die Eltern weitergegeben wird.
In den Zeiten der Digitalisierung spielen Schulbücher eine immer unwichtigerer Rolle. Wird die Diskussion über Lernmittelfreiheit nicht bald obsolet, weil die Schulen die Lernsoftware sowieso zentral einkaufen müssen?
Wenn man sich die Konzepte zur Digitalisierung anschaut, werden Schulbücher auch weiterhin eine große Rolle spielen. In Zukunft wird auch OER, also freie Lern- und Lehrmaterialien mit einer offenen Lizenz, eine stärkere Rolle spielen und damit auch die Budgets der Schulen entlasten. Berlin arbeitet auch hier an einer Datenbank, damit Lehrkräfte gegenseitig von digitalen Lerninhalten profitieren können.
Solange wir in den Schulen nicht die notwendige digitale Infrastruktur haben, angefangen beim WLAN bis hin zu Notebooks und Tablets für alle Schülerinnen und Schüler, und wir über das Verbot von Smartphones an Schulen und im Unterricht diskutieren, werden wir auch um die Schulbücher nicht herumkommen.
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