Bildung in Berlin: Das Schuljahr der ungelösten Probleme
Vieles wurde angestoßen seit der Wahl im Herbst. Aber die größten Baustellen der Berliner Schulen sind davon kaum kleiner geworden.
Jetzt ist es fast geschafft – das Schuljahr 2016/17 geht am Mittwoch zu Ende, und die 400 000 Berliner Schüler und 30 000 Lehrer dürfen sich auf sechs Wochen Sommerferien freuen. Welche Themen waren in diesem Schuljahr prägend? Zeit für eine Bilanz.
DROHENDE STREIKS
Die Möglichkeit stand im Raum: Das Schuljahr 2016/17 sollte mit Lehrerstreiks beginnen, falls der Senat nicht zu weitreichendem Entgegenkommen bereit sein würde – und das kurz vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus. Im letzten Moment sagte der Finanzsenator zu, bei den entscheidenden Punkten nachzugeben: Seither stand fest, dass die frisch ausgebildeten Grundschullehrer in den Genuss der bundesweit einzigartigen Gehaltsangleichung mit den Kollegen der Oberschulen kommen würden, die inzwischen tatsächlich beschlossene Sache ist und ab August gilt.
Aber der Streit geht dennoch weiter, und zwar darüber, inwieweit die Ex- DDR-Lehrer für untere Klassen, die kein Abitur haben, ebenfalls von der Höherdotierung der Junglehrer profitieren – und all die anderen Lehrer, die schon seit Jahrzehnten im Amt sind. Die erste Kundgebung gab es schon. Das Thema wird ins kommende Schuljahr mitgenommen.
SANIEREN UND BAUEN
Beim Schulbau und bei der Sanierung soll es endlich vorangehen. 5,5 Milliarden Euro sind bis 2026 für die große „Schulbauoffensive“ des Senats eingeplant. Im März wurde der Sanierungsbedarf nach dem Gebäudescan bezirks- und schulgenau aufgeschlüsselt, außerdem laufen die Planungen für neue Schulen. Mit rund 87 000 Schülern mehr wird bis 2024/25 gerechnet. 42 neue Schulen soll es geben, davon sind 20 in der Planung.
Zur Umsetzung der vielen Bauvorhaben will der Senat neue Gesellschaften gründen. Projekte ab 5,5 Millionen Euro sollen bezirksübergreifende GmbHs betreuen, Großvorhaben ab zehn Millionen soll die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und eine zu gründende Tochter der Howoge übernehmen. Kleinere Bauprojekte sollen in der Verantwortung der bezirklichen Bauämter verbleiben. Gegen diese Pläne gibt es allerdings noch Widerstand von einigen Bezirken.
Es gibt auch schon Empfehlungen, wie die neuen Schulen aussehen sollen. Im Februar stellte die Arbeitsgruppe „Schulraumqualität“ ihr Konzept der „Berliner Lern- und Teamhäuser“ vor. Statt herkömmlicher Flurschulen mit aneinandergereihten Klassenzimmern sollen Schulen gebaut werden, die aus aus kleineren Einheiten mit Unterrichts-, Team- und Gemeinschaftsräumen bestehen. Ob und wann diese Empfehlungen umgesetzt werden, ist aber unklar, da es dazu noch keinen Senatsbeschluss gibt.
LEHRERMANGEL
Zum dritten Mal in Folge stand der Schuljahresbeginn im Sommer 2016 im Zeichen eines seit Jahrzehnten nicht erlebten Lehrermangels: Erstmals aber wurde nun in Österreich und den Niederlanden geworben, letztlich kamen aber nur ein paar Dutzend aus dem südlichen Nachbarland. Auch der Nachschub aus den anderen Bundesländern reichte nicht aus, sodass noch mehr Quereinsteiger kommen müssen: Letztlich hatte in den Grundschulen jeder dritte der neu eingestellten Lehrer kein Lehrerexamen. An den Oberschulen ist es etwas besser, allerdings ist der fächerbezogene Mangel ebenso stark. Für das kommende Schuljahr steht laut Gesamtpersonalrat schon jetzt fest, dass sich am hohen Anteil der Quereinsteiger wenig ändern dürfte.
POLITIKUNTERRICHT
Der Landesschülerausschuss hat einfach nicht locker gelassen: Seit Jahren votiert er für ein eigenständiges Pflichtschulfach „Politik“ – die Forderung schaffte es sogar in den Koalitionsvertrag. Im Juni wurden dann die entscheidenden Weichen gestellt: Es gehe nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie, fasste SPD-Bildungsexpertin Maja Lasic die Ausgangslage zusammen. Der Ethiklehrerverband befürchtet, dass das „Wie“ auf seine Kosten gehen wird. Auch dieses Thema schwappt ins nächste Schuljahr.
FLÜCHTLINGE
Mit rund 12 000 Geflüchteten in etwa 1000 Willkommensklassen startete Berlin ins neue Schuljahr. Überraschend gut klappte zunächst die Versorgung mit Lehrkräften. Diskutiert wurde vor allem darüber, wann die Schüler spätestens in die Regelklassen wechseln sollen.
Durch die Raumnot ist jetzt ein anderes Thema in den Vordergrund getreten: Viele Willkommensschüler müssen ihre Schulen verlassen: Wer über 16 Jahre alt ist, solle möglichst an die beruflichen Oberstufenzentren (OSZ) wechseln, heißt es aus Schulen. Die Bildungsverwaltung bestritt dies am Montag: „Dass Flüchtlinge ab einem gewissen Alter an ein OSZ wechseln müssen, trifft nicht zu“, teilte Sprecher Thorsten Metter auf Anfrage mit. Auch bei neu angekommenen Jugendlichen über 16 Jahre gebe es keine automatische Aufnahme nur in einem OSZ. „Auch hier ist die Maßgabe, dass der Einzelfall geprüft werden muss“, so Metter. Aufgrund der Fülle der Flüchtlinge – gepaart mit dem Raum- und Personalmangel im Regelschulsystem – gelingt diese Einzelfallprüfung offenbar nicht immer wie gewünscht. „Vielen Mitarbeitern sind die Abläufe nicht klar“, resümiert eine betroffene Pflegemutter.
RAHMENLEHRPLÄNE
Zum nächsten Schuljahr wird der neue Rahmenlehrplan für die Klassen 1 bis 10 eingeführt. Während im Schuljahr 2014/15 monatelang darüber diskutiert wurde – besonders über die Änderungen im Fach Geschichte –, stand in diesem Schuljahr die praktische Vorbereitung an. Die Schulen entwickelten eigene Curricula, um die Vorgaben umzusetzen – das bedeutet eine Menge Zusatzarbeit für viele Lehrer. Ob sich der neue Lehrplan in der Praxis bewährt, muss sich zeigen.
BEGABUNGSFÖRDERUNG
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will mehr für die Begabungsförderung tun und hat dafür im April eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese soll die bestehenden Förderungsmöglichkeiten sichten und bewerten und ein eigenes Konzept erarbeiten, das alle Arten von Talenten in den Blick nimmt. Es soll bis Ende 2017 vorliegen. Scheeres hat außerdem das Landesjugendballett gegründet.