Abitur während der Coronapandemie: Berliner Schülerinnen und Schüler haben erste Prüfung hinter sich
Am Montag begannen die Abiturprüfungen in Berlin. Der Zeitplan kam ein wenig durcheinander, doch insgesamt läuft es. Die Schüler sind froh. Ein Besuch am Goethe-Gymnasium in Wilmersdorf.
Jasper Gräfe ist der Erste. Schon vor Ende der Abiturklausur kommt er den Flur des Goethe-Gymnasiums in Wilmersdorf entlang und strebt Richtung Ausgang; hinter ihm liegen fünf Stunden Latein als Abiturfach. Und, wie war es? „War relativ gut. Ich hatte zum Üben die ganzen Klausuren der letzten vier Jahre gemacht, es war eigentlich machbar“, berichtet der 18-Jährige. „Im letzten Jahr war das Abitur ja relativ leicht, und deswegen hatte ich erwartet, dass es dieses Jahr etwas schwerer wird, aber es ging.“ Er sei auf jeden Fall froh, dass das Abitur ganz normal geschrieben und nicht verschoben wird.
Angst vor Corona hatte er nicht: „Die Sicherheitsvorkehrungen hier waren sehr gut, da entstehen an anderen Orten viel mehr Risiken, dass ich mich infiziere.“
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Sein Schulleiter Jörg Freese sieht das ähnlich. Da die Schule ja ansonsten leer sei, gebe es reichlich Platz, Abstand zu halten sei also gar kein Problem. Der Abiturjahrgang ist am Goethe-Gymnasium mit 60 Schülern insgesamt recht klein; am Montag schrieben nur zwölf Schüler ihre erste Abiturklausur, vier in Latein und acht in Kunst.
„Die Abstandsregel ist die wichtigste“, sagt Freese, „wir haben außerdem in den Klassenräumen Desinfektionsmittel stehen, die Lehrer tragen Handschuhe, und wir haben alle Schüler vorher über die Regeln informiert“, sagt Freese.
Er habe am Morgen beide Gruppen begrüßt, die Schüler seien unaufgeregt gewesen, alle seien erschienen. Ähnliches berichten auch andere Schulen. Antje Lükemann, Schulleiterin des Gymnasiums Steglitz, sagte: „Bei uns schreiben elf Schüler Latein, in der Aula ist reichlich Platz, es läuft alles nach Plan.“ Es seien alle Schüler erschienen.
Ähnlich äußerten sich auch andere Schulen
Das evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster und das katholische Canisius-Kolleg äußern sich ähnlich. Alle Schüler seien da, hätten sich wie vorgeschrieben die Hände gewaschen und desinfiziert, es sei Desinfektionsmittel in den Klassenräumen, die Räume seien gereinigt worden, die Einhaltung der Abstandsregelung sei angesichts der leeren Schule gar kein Problem.
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Im Grunde wird unter den außergewöhnlichen Bedingungen der aktuellen Zeit ein doch recht gewöhnliches Abitur geschrieben. Nach fünf Wochen Schließung sind die 14 600 Abiturientinnen und Abiturienten die ersten, die in dieser Woche nach und nach wieder in ihre Schulen zurückkehren. Die Abiturprüfungen werden in rund 150 staatlichen Schulen und weiteren Einrichtungen freier Träger abgehalten.
Senatsvorgaben um Infektionsrisiko zu minimieren
Die Senatsverwaltung hatte den Schulen Vorgaben gemacht, um das Infektionsrisiko während der Corona-Pandemie zu minimieren. Es müssen anderthalb Meter Mindestabstand zwischen den Schülern liegen, maximal acht Schüler dürfen es pro Raum sein, viel Aufwand ist für Reinigung und Desinfektion vorgesehen.
Den Anfang machten die Latein-Klausuren. Je nach Schule wurden teils aber auch schon andere Fächer geprüft. Die schriftlichen Tests dauern bis Mitte Mai, dann folgen die mündlichen Prüfungen.
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Auf dem Schulhof des Rheingau-Gymnasiums in Friedenau waren mit Farbspray in gebührendem Abstand Plätze für ankommende und wartende Schüler markiert, in Spandau legte ein Schulleiter Hula-Hoop-Reifen auf dem Schulhof aus, wo die Schüler sich postierten und damit auf Abstand gehalten wurden. Diese besondere Anordnung habe zur Entspannung vor der Prüfung beigetragen, hieß es aus der Senatsverwaltung.
Demo gegen Stattfinden des Abiturs aufgelöst
Vor deren Tür fand am Vormittag eine kleine Demonstration statt, die von der Polizei aufgelöst wurde. „Es waren zehn bis zwölf Teilnehmer, die sich weitgehend an die Abstandsregelung gehalten haben“, hieß es aus der Bildungsverwaltung. „Ja, bis die Polizei kam und unsere Personalien aufnahm“, kritisierte Claire Koron Elat, Mitinitiatorin der Demo, die sich gegen das Stattfinden des Abiturs richtete. Die Demonstranten meinen, dass das Abitur unter einem großen Mangel an Chancengleichheit leidet, weil speziell Schüler aus bildungsfernen Familien, die in beengten Wohnungen und bei geschlossenen Bibliotheken keine Ruhe zum Lernen finden konnten, benachteiligt würden.
Durchführung zuletzt heftig umstritten
Die Durchführung der Abi-Prüfungen war zuletzt heftig umstritten. Der Landesschülerausschuss forderte ein Abi ohne Abschlusstests. Viele Schüler seien in der Coronakrise verunsichert und hätten sich zu Hause nicht richtig vorbereiten können. Etliche hätten gesundheitliche Bedenken. Eine Schülerin klagte sogar deswegen, unterlag aber am Montag. „Vor diesem Hintergrund wollten sich einige Schüler für die Prüfungen krankmelden“, sagte der Vorsitzende des Landesschülerrates, Miguel Góngora. Andere Schüler aus Risikogruppen, etwa solche mit Vorerkrankungen, hätten angekündigt, sich an ihre Schulleitung zu wenden, um Sondertermine für die Klausuren zu erbitten.
Laut Senatsverwaltung sollen für Schüler mit besonderen Gefahrenlagen und für solche mit Angehörigen in Risikogruppen Lösungen gefunden werden. Etwa 220 Schüler gingen juristisch gegen die Prüfungen vor. Am Freitag wies das Verwaltungsgericht Berlin auch schon eine Klage einer Schülerin ab und stellte fest, dass die Abiturprüfungen rechtens seien.
Am Goethe-Gymnasium verlassen zwei weitere Schülerinnen das Gebäude. Vivien Scholtyssek und Asya Yildiz haben ihre Abiklausur in Kunst hinter sich. Und, wie war es? „Die Aufgabe war unerwartet, aber machbar“, sagt Scholtyssek. „Wir mussten viel mehr malen, als wir dachten.“ Das Thema war der Klimawandel, es mussten eine Bilderserie, eine Zeichnung, ein Ausstellungskonzept und ein Text erstellt werden. Beide Mädchen finden es gut, dass das Abi nicht verschoben wurde. (mit dpa)