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Als vorletzte Berliner Schule beendete das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster 2018 seinen Samstagsunterricht.
© Vincent Schlenner

Gymnasien in Berlin: Berlins älteste Schule stimmt gegen den Samstagsunterricht

Morgens ein bisschen lernen und dann erst ins Wochenende: Das war einmal. Das Graue Kloster führt die Fünftagewoche ein. Auch die letzte Bastion könnte fallen.

Eine sehr sehr lange Geschichte geht in diesem Sommer zu Ende – fast: Das Evangelische Gymnasium zum Grauen Kloster in Wilmersdorf schafft als vorletzte Berliner Schule die Sechstagewoche ab. Nach den Sommerferien wird nur noch am Wilmersdorfer Goethe-Gymnasium sonnabends die Schultür aufgeschlossen. Wobei es auch hier inzwischen Überlegungen zum Thema Fünf-Tage-Woche gibt. Fakten schafft nun aber das Graue Kloster am Hohenzollerndamm – Berlins älteste Schule.

„Die Anträge auf Befreiung vom Unterricht am Samstag haben sich gehäuft“, nennt Vize-Schulleiterin Annette Martinez Moreno einen von vielen Gründen für die Abschaffung des Unterrichts am Sonnabend. Sehr viele Schüler hätten an dem Tag Aktivitäten – Sportturniere, Chorlager, Konfirmandenfahrten oder andere kirchliche Veranstaltungen, weshalb viele häufig fehlten. Zudem berichtet Martinez Moreno von einem personellen Umbau: Viele Pädagogen seien pensioniert worden, dafür seien viele junge Lehrer – auch mit eigenen Familien – hinzugekommen, die zwei Tage am Stück frei haben wollten. In Zeiten der Lehrerknappheit sei das bedenkenswert.

"Schöne Atmosphäre am Samstag"

Andererseits lobt Martinez Moreno aber auch die „schöne Atmosphäre am Samstag“, die nicht nur sie, sondern auch viele andere zu schätzen wüssten. Dieses Phänomen bestreitet kaum jemand: Selbst Befürwortern der Fünf-Tage-Woche tut es leid, dass sie etwas abschaffen, was nicht zu ersetzen ist: das entspannte Miteinander am sechsten Tag der Schulwoche. Fast jeder, der an den Unterricht sonnabends in den sechziger, siebziger oder achtziger Jahren zurückdenkt, ob in Berlin oder im Rest des Landes, bekommt einen wehmütigen Blick bei seinen Erzählungen.

Die Sonnabende waren grundsätzlich hausaufgabenfrei, selbst konservative Lehrer ließen sich an diesem Tag mal in Jeans blicken. Überall die gleichen Erinnerungen, die beim „Samstagslesemorgen“ in der Grundschule beginnen und im Sommer meist auf einer Wiese ausklangen – irgendwo zwischen Rostock, Rosenheim und Rothenburg. Je nach Alter bei Mau Mau und Kakao oder Skat und Bier.

Seit 60 Jahren Diskussionen um die Fünf-Tage-Woche

Diese Erinnerungen mischen sich schon sehr früh mit Diskussionen um die Fünf-Tage-Woche der Arbeitswelt, denn 1956 hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund in der Bundesrepublik das Motto „Samstags gehört Vati mir“ ausgegeben, und von da an gingen die großen Branchen zur Fünf-Tage-Woche über – ein Prozess, der sich 30 Jahre hinzog, bis 1983 auch die Landwirtschaft dran war.

Noch langsamer bewegten sich die Kultusministerien im föderalen Westdeutschland: Zwar machte eine Kasseler Realschule diesen Schritt bereits 1957, aber dann passierte erst mal kaum etwas, bis die 68er-Bewegung auch bei der Schulorganisation neue Freiräume schuf. So gewährte Hamburg seinen Schülern seit 1970 insgesamt 16 schulfreie Sonnabende im Jahr.

In Bayern wurde sogar jeder zweite Sonnabend freigeräumt. Rheinland-Pfalz ermöglichte ebenso wie Nordrhein-Westfalen längere Probephasen, und die meisten West-Bundesländer zogen nach. Für 1971 verkündete der „Spiegel“, dass neun West-Berliner Schulen sonnabends geschlossen waren.

Margot Honeckers Nachfolger machte kurzen Prozess

In der gesamten DDR hingegen blieb der Sonnabend bis 1989 Schultag, und es musste erst die Wende kommen, bevor sich das änderte: Die bis dato in der DDR unbekannte schulische Fünf-Tage-Woche wurde gleich im Dezember 1989 durch den damaligen Bildungsminister Hans-Heinz Emons, den SED-Nachfolger Margot Honeckers in der Regierung Modrow, in der ganzen DDR und somit auch in Ost-Berlin durchgesetzt. West-Berlin zog nach, als 1991 die Schulsysteme der beiden Stadthälften zusammengeführt wurden.

Allerdings stellte der damalige Schulsenator Jürgen Klemann (CDU) es den Schulen frei, an einigen Sonnabenden den Unterricht beizubehalten, was die altsprachlichen Schulen dann lange durchhielten. Im Jahr 2002 allerdings begann auch hier die Front zu bröckeln, als das jesuitische Canisius Kolleg in Tiergarten entschied, dass fünf Tage genug seien, zumal die eigene Jugendarbeit am Sonnabend gestärkt werden sollte. „Wir wollten dann später nie zum Samstagsunterricht zurück“, erinnert sich Rektor Pater Zimmermann.

Das Goethe-Gymnasium diskutiert noch

Für das Gymnasium zum Grauen Kloster wahrscheinlich eine beruhigende Auskunft – und vielleicht auch für das noch zögernde traditionsreiche staatliche Goethe-Gymnasium, auf dem einst Richard von Weizsäcker lernte. Für die Abschaffung der Sechstagewoche braucht es allerdings eine Zweidrittelmehrheit in der Schulkonferenz. Kein Selbstläufer, zumal sich die Schule erst 2016 dafür entschieden hatte, den Samstagsunterricht beizubehalten.

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